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Bob JungelsEndofibrose: Ein (zu) langer Weg bis zur Diagnose

Bob Jungels / Endofibrose: Ein (zu) langer Weg bis zur Diagnose
Drei Jahre lang hatte Jungels keine Erklärung für seine Leistungsschwankungen Foto: Vincent Curutchet/Ag2r Citroën Team

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Die Nachricht schlug in der luxemburgischen Radsportwelt ein wie eine kleine Bombe: Bob Jungels wird die Tour de France und Olympia verpassen. Der Grund: eine arterielle Endofibrose. Dr. Jean-Pierre de Mondenard sagt, die Diagnose habe zu lange auf sich warten lassen und man habe Jungels um drei Jahre seiner Karriere beraubt. Der Team-Arzt von Ag2r-Citroën sieht es etwas anders. 

Hat man Bob Jungels um drei Jahre seiner Karriere beraubt? Das behauptet jedenfalls der Arzt Dr. Jean-Pierre de Mondenard. Die arterielle Endofibrose, deretwegen Jungels nun die Tour de France und Olympia verpassen wird, sei bereits seit den Siebzigerjahren bekannt. „Es ist eine klassische Pathologie bei Radprofis. Von daher ist es unverständlich, dass es drei Jahre dauert, bis man die Diagnose erstellt“, so Dr. de Mondenard im Gespräch mit dem Tageblatt.

Der französische Arzt beschäftigt sich seit langem mit dem Thema und hat auf seinem Blog dopagedemondenard.com mehrere Artikel zu arteriellen Endofibrosen bei Radprofis geschrieben. Sein neuester Artikel beschäftigt sich mit dem Fall Bob Jungels. „Wenn man bedenkt, dass die Karriere eines Profis vielleicht zehn oder zwölf Jahre dauert, dann sind drei Jahre eine sehr lange Zeit.“ Die Kritik des 78-jährigen de Mondenard, der als Sportmediziner ebenfalls die großen Radrennen wie die Tour de France begleitete, zielt vor allem auf die medizinische Abteilung von Jungels ehemaligem’ Team Deceuninck-Quick Step ab. Eine Anfrage des Tageblatt beim belgischen Team blieb unbeantwortet. „Drei Jahre verloren wegen der Unzulänglichkeit der medizinischen Abteilung eines professionellen Radteams, das ist einfach unglaublich.“ Wenn ein Radsportler ab einer gewissen Intensität Schmerzen im Oberschenkel verspürt, die sofort nachlassen, wenn er weniger intensiv in die Pedale tritt, sei die Diagnose klar: arterielle Endofibrose.

Die Radfahrer-Krankheit

Bei einer arteriellen Endofibrose, auch noch „Radfahrer-Krankheit“ genannt, verändern sich die Arterien. In den meisten Fällen ist die innere und äußere Beckenarterie betroffen. Vor allem wird sie bei Radfahrern und Triathleten festgestellt. Auch ambitionierte Hobbyfahrer können unter einer Endofibrose leiden. Auslöser sind wahrscheinlich die Sitzposition auf dem Rad (aber wohl erst über 20.000 km im Jahr), die hohe Belastung, wodurch bis zu sechsmal mehr Blut durch die Arterie fließt als normal (von fünf oder sechs bis hin zu 30 bis 40 Liter pro Minute), sowie genetische Veranlagung. Dadurch degenerieren die Arterien, es bildet sich Narbengewebe oder sie wachsen in die Länge und bilden einen Knick. Dadurch wird die Blutzufuhr in die Beinmuskulatur gestört und es kommt zu dem stechenden Schmerz und dem Leistungsabfall. Die Endofibrose muss in der Regel operativ behandelt werden. Eine Operation, die nicht ungefährlich ist. 2007 starb der südafrikanische Radprofi Ryan Cox kurz nach der Operation.

Klassisch, aber nicht unbedingt häufig

Seit dieser Saison fährt Jungels bei Ag2r-Citroën, wo Teamarzt Eric Bouvat die Diagnose erstellt hat. Er stimmt seinem Kollegen De Mondenard nicht unbedingt zu und sieht die Sache differenzierter. „Theorie und Praxis liegen meistens doch etwas weiter auseinander.“ Drei bis vier Jahre seien eher die Regel als die Ausnahme, so der Teamarzt. „Bei Bob haben sich zudem nicht die klassischen Symptome gezeigt. Er klagte eher über einen unerklärlichen Mangel an Kraft als über einen stechenden Schmerz im Oberschenkel.“

Die arterielle Endofibrose sei zwar eine klassische Verletzung bei Radprofis, dennoch komme sie nicht sehr häufig vor. Sogar Spezialisten würden vielleicht einen Fall pro Jahr sehen. Auf seinem Blog hat Jean-Pierre de Mondenard eine Liste erstellt mit 13 Profis, bei denen zwischen 2018 und 2021 eine Endofibrose festgestellt wurde. Darunter unter anderem die ehemalige Weltmeisterin Pauline Ferrand-Prévot. Die Französin dominierte den Damenradsport nach Strich und Faden, bis ihre Leistungen von einem Tag auf den anderen unerklärlicherweise nachließen. Es dauerte vier Jahre,bis sie die Diagnose Endofibrose erhielt. „Es gibt einige wissenschaftliche Arbeiten zu diesem Thema, die Ärzte der Radsport-Teams müssten eigentlich viel besser auf diese Fälle vorbereitet sein“, sagt Dr. De Mondenard.

Teamarzt Bouvat hat in seiner Karriere bereits mehrere arterielle Endofibrosen gesehen. Er war zudem der erste Arzt, der eine Endofibrose bei einem Sportler außerhalb des Radsports festgestellt hat. „Es handelte sich um einen Geher aus dem französischen Nationalteam. Sein Fall spricht zum Beispiel dagegen, dass die Position auf dem Rad der Auslöser für die arterielle Endofibrose sein muss.“

Wohl vier Monate out

Dass es aber nicht immer drei Jahre in Anspruch nehmen muss, um die Verletzung festzustellen, hat Bouvat ebenfalls bereits erlebt, und zwar beim ehemaligen Schweizer Radprofi Martin Elmiger. Der damalige Ag2r-Profi klagte ebenfalls über Kraftverlust und Probleme mit dem Oberschenkel. Bouvat hatte das Glück, dass er Elmiger bei einem Mannschaftszeitfahren im Wagen folgen konnte. „Beim ersten Anstieg machte er seinen Teamkollegen Platz und fasste sich an den Oberschenkel. In dem Moment war mir sofort klar, dass er unter einer arteriellen Endofibrose leidet. Wäre aber kein Platz im Begleitfahrzeug gewesen, dann hätte ich das sicherlich nicht so schnell festgestellt.“

Hochleistungssportler zu untersuchen sei nicht immer so einfach, wie man sich das vielleicht vorstelle, sagt Bouvat. Radprofis reisen um die ganze Welt, man sei nicht immer bei ihnen und müsse sich dann zum Teil auch auf das verlassen, was sie einem sagen. Außerdem seien sie normalerweise hart im Nehmen. „Wenn sie, wie bei einer arteriellen Endofibrose, Schmerzen in einem Bein verspüren, kompensieren sie es mit dem anderen Bein, wodurch sie irgendwann in beiden Beinen Schmerzen verspüren.“ Somit sei der Ursprung nicht so einfach festzustellen. Dem widerspricht de Mondenard wiederum. „Untersuchungen während und nach einem Leistungstest können in dem Fall sehr aufschlussreich sein.“ Allerdings würde es bei unerklärlichen Leistungsschwankungen bei Profisportlern zu schnell heißen, dass es eine Kopfsache sei.

Jungels zeigte sich nach der Diagnose etwas erleichtert. Endlich wisse er, was los sei. Der 28-Jährige wird sich wohl einer Operation unterziehen müssen. „Anschließend wird es vermutlich anderthalb Monate dauern, bis er wieder auf den Hometrainer steigen kann. Eine genaue Schätzung, wie lange er ausfallen wird, ist zu diesem Zeitpunkt schwer zu sagen. Vier Monate muss man aber auf jeden Fall einrechnen“, sagt Bouvat. Für de Mondenard steht fest, dass die medizinischen Abteilungen sich stärker mit dem Thema Endofibrose auseinandersetzen müssen. Kein Team kann Interesse daran haben, einen Fahrer zu bezahlen, der nicht seine gewohnte Leistung bringt.

HTK
24. Juni 2021 - 12.19

Schlamperei übelster Sorte. Gerade die moderne Sportmedizin hätte doch hier sofort eine richtige Diagnose stellen müssen. Geht man jetzt davon aus,dass Bob 28 ist und dieses und vielleicht Anfang nächsten Jahres verstreichen lassen muss,dann sieht er doch schon fast ans Ende seiner Karriere. Schade.Aber es gab da mal einige die man auch schon abgeschrieben hatte,und dann...!
Pantani,Armstrong usw.waren auch am Boden. Ist Bob ein " stand up guy" ? Denke schon.

Clemi
21. Juni 2021 - 22.19

gebe dr. mondenard recht, hat viel zu lange gedauert. körper & gesundheit sind das sprichwörtliche kapital von profisportlern, mit dem sie während eines begrenzten teils ihrer lebenszeit ihr geld verdienen. gute besserung, bob!!