Man stelle sich vor: Als Düdelingen nach einer Achterbahnfahrt der Gefühle im dramatischen Elfmeterschießen gegen Ararat-Armenia die Gruppenphase der Europa League erreicht, sitze ich auf einem höchst allergieauslösenden Teppichboden des berühmtesten New Yorker Flughafens. Ein Auge gerichtet auf einen Rucksack-Turm und zwei aufgedrehte Kleinkinder, das andere auf Jonathan Joubert. Ende September dann sozusagen „Strike“ Nummer zwei: Die gleiche Mannschaft holt in Nikosia den allerersten Europa-League-Sieg überhaupt. Sie erahnen es: Der Standort an diesem Abend hat wieder einmal nichts mit Toren und Fußballtempel-Atmosphäre zu tun, sondern es handelt sich um ein enges Hotelzimmer im Kinderparadies namens Disneyland, Handy-Livestream und überdrehte Zweijährige inklusive.
Glücklich! – aber rar – darf sich die kleine Zahl an Fußball-Liebhabern schätzen, die diese geschichtsträchtigen Spiele live gesehen haben. Die Tendenzen des Zahlenmaterials beweisen nämlich: Es ging im Vergleich zu 2018 steil bergab.
Positiv am Fußball: Jeder darf mitreden. Das Negative: Wenige bildeten sich ihre Meinung tatsächlich vor Ort. „Die Luxemburger sind schnell gesättigt. Man hatte den Eindruck, dass diese zweite Qualifikation fast ein Muss gewesen ist. Es ist schade, dass diesmal weniger Zuschauer zu den Spielen kommen. Es sind sogar noch weniger in der BGL Ligue als im Vorjahr.“ Tom Schnell, F91-Routinier, fasste den Zuschauerschwund in wenigen Sätzen zusammen. 8.765 (3.005 + 2.848 + 2.912) Eintrittskarten gingen für die drei Europa-League-Heimspiele über die Theke. Der Schnitt bei Liga-Spielen liegt vor der Winterpause sogar unter 500 Zuschauern.
Und was macht die UEFA? Sie feilt seit September an einem dritten Europacup. Wenn also eine Europa-League-Gruppenphase schon wegen Wettbewerbs-Übersättigung zum Zuschauerflop geworden ist … Welchen Erfolg soll dann eine „Europa Conference League“ (ab 2021/22) haben?
Im Fall des F91 kann eigentlich nur die mangelnde Identifikation mit dem neuen Spielermaterial als Vorwand für das bestehende Desinteresse durchgehen. Um aber bei Sättigung und der Bekanntschaft mit neuen Elementen zu bleiben: „Du kannst nicht wissen, wie es schmeckt, wenn du es nicht probierst“, werden Broccoli und rote Beete jüngeren Generationen seit Ewigkeiten schmackhaft gemacht. Wie kann man sich also damit zufriedengeben, ein Heimspiel in Luxemburg vom eigenen Sofa aus zu verfolgen, ohne Sabir Bougrine, Antoine Bernier und Co. jemals live gesehen zu haben? Etwas habe ich nämlich auch aus der Broccoli-Zeit und den gezwungenen Handy-Livestreams lernen müssen: Bratwurst schmeckt tausendmal besser – im Stadion.
Natürlich. Das Spiel taugt nichts, man kann nicht umschalten im Stadion und Brokkoli gibt's auch nicht.
Dann ist man halt gezwungen die halbgare Wurst runter zu würgen.