Sie kommt meistens nachts, urplötzlich, schleicht sich wie ein gieriges Monster an. Streckt die Hand aus, reißt einen an sich und hält einen mit zermürbendem Griff fest. Oft tagelang. Das Leben muss warten. Denn jetzt ist sie da: Die Migräne ist neben Rückenleiden und Depression die häufigste Erkrankung in wirtschaftsstarken Nationen. In einer mehrteiligen Serie, die an diesem Samstag beginnt, beleuchtet Daisy Schengen Ursachen, Entstehung und Therapie der Erkrankung. Denn seit kurzem gibt es Medikamente, die vorbeugend wirken und so Betroffenen in einen lebenswerten Alltag zurückhelfen können.
Was ist Migräne?
„Migräne ist eine genetische Erkrankung des Gehirns“, erklärt die Neurologin Dr.Monique Reiff, die im „Centre hospitalier de Luxembourg“ u.a. Migräne-Patienten betreut. Nach heutigem Kenntnisstand gehen rund 40 Gene mit einem erhöhtem Risiko, an der lebenslangen Erkrankung zu leiden, einher. Laut Prof. Dr. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel (Buch „Kopfschmerzwissen für Eilige“, 2018): „steht das Nervensystem von Migränepatienten ständig unter ‹Hochspannung›: Reize werden früher und schneller aufgenommen und rascher verarbeitet. Bei zu schneller oder zu lang andauernder Reizverarbeitung kommt die Energieversorgung der Nerven nicht mehr mit und bricht zusammen.“
An der Entstehung der Migräne-Attacke sind zahlreiche schmerzsensible Strukturen im Kopf beteiligt. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Trigemusnerv, der verschiedene Botenstoffe, sogenannte Neuropeptide, ausschüttet. Eine wesentliche Bedeutung kommt dem Botenstoff „Calcitonin Gene-Related Peptid“, kurz CGRP, zu. Während einer Migräneattacke steigt er im Blut deutlich an und verursacht eine Entzündung der Adern der Hirnhäute, erklärt Dr. Reiff. Der verursachte Schmerz wird meist im Stirn- und Augenbereich, gelegentlich im Bereich des Kieffers, oft aber auch im Nacken verspürt.
Wenn Migränepatienten von einem pochenden Kopfschmerz berichten, beschreiben sie unwillkürlich die im Gehirn tobende Entzündung, sagt der Facharzt. Die neuen Medikamente zur Vorbeugung von Migräneattacken greifen insbesondere in diesem Entzündungsprozess ein, indem sie die Aktion von CGRP hemmen, erklärt Dr. Monique Reiff.
Die bekannten Medikamente zur akuten Behandlung der einzelnen Migräneattacke (Triptane) greifen indirekt in diesen Mechanismus ein, indem sie durch die Aktivierung von Serotoninrezeptoren die Ausschüttung des schmerzverursachenden Botenstoffs CGRP hemmen.
Im zweiten Teil der Serie über Migräne gehen wir ausführlich auf Behandlungsmethoden und die Wirkung von Triptanen ein. Dabei stellen wir das erste, seit Februar 2019 zugelassene Vorbeugepräparat gegen Migräne vor.
Die Attacke
Migräne tritt in Form von Attacken auf. Sie beginnen meistens morgens und dauern zwischen vier und 72 Stunden, beschreibt Prof. Dr. Hartmut Göbel.
„Die Stärke der Schmerzen ist außerordentlich hoch“, so der Neurologieprofessor. So hoch, dass die Betroffenen ihren Alltag nicht bewältigen können. Dazu kommen oft Lichtempfindlichkeit, starke Übelkeit und Niedergeschlagenheit. „Ans Arbeiten oder auch an Freizeitbeschäftigungen ist nicht mehr zu denken. Den Betroffenen bleibt nichts anderes übrig, als sich hinzulegen – am besten in einem abgedunkelten Raum – und ausharren, bis die Attacke vorüber ist“, berichtet Prof. Göbel.
Dabei will der Mediziner mit dem Vorurteil aufräumen, Migräne-Patienten seien weniger belastbar. „Im Gegenteil: Menschen, die unter Migräne leiden, verfügen über eine besonders große Leistungsfähigkeit des Gehirns“, betont er in seinem Buch.
Symptome: Mehr als nur Kopfschmerz
Der Kopfschmerz ist das klassische Merkmal einer Migräne. Er ist pulsierend, pochend und hämmernd und wird durch körperliche Aktivität verschlimmert, schreiben Prof. Dr. Hartmut Göbel und seine Co-Autorin Karin Frisch. Auch Dr. Reiff bestätigt, dass „jegliche körperliche Aktivität den Migräne-Kopfschmerz verstärkt und als Unterscheidungsmerkmal zum Spannungskopfschmerz, dem häufigsten aller 367 bisher bekannten Kopfschmerzarten, gelten kann. Spannungskopfschmerz und Migräne sind die häufigsten Arten von Primärkopfschmerzen – Schmerztypen, die ohne greifbaren Grund, ohne fassbare Ursache nur durch die Beschreibung eingeordnet werden. „Wenn mir ein Patient berichtet, dass der Schmerz nachlässt, wenn er laufen geht, leidet er zu dem Zeitpunkt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht an eine Migräneattacke“, so die Neurologin.
In welchen Regionen der Migräne-Kopfschmerz auftritt, ist so wie die Krankheit selbst höchst individuell. Müdigkeit und Konzentrationsstörungen hingegen treten während einer Attacke bei allen Betroffenen auf. Meistens sind ihre Reaktionen verlangsamt, sie reagieren gegenüber Licht, Geräuschen und Gerüchen überempfindlich. Schwindel ist ein häufiges Begleitsymptom.
In der Regel kündigt sich die Migräne im Vorfeld durch vielfältige Vorboten, in der Fachsprache „Prodomen“ genannt, an. Dazu gehören Stimmungszustände wie Niedergeschlagenheit, Energielosigkeit, aber auch Hochstimmung. Übelkeit, Rauschen im Ohr und häufiges Gähnen gehören ebenso dazu wie auch das Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln, die man üblicherweise nicht essen würde, berichtet Dr. Monique Reiff.
Leidensweg bis zur Diagnose
Viele Patienten behandeln ihre Kopfschmerzen jahrelang eigenständig mit freiverkäuflichen Schmerzmitteln. Oft gehen sie erst zum Arzt , wenn die Symptome sehr häufig oder sehr intensiv auftreten oder wenn Schmerzmedikamente keine Linderung bringen.
„Die Diagnose stellt man gemeinsam mit dem Patienten während eines ausführlichen Gesprächs (Anamnese).“ Untersuchungen wie die Elektroenzephalographie, eine Bildgebung vom Kopf oder der Halswirbelsäule, sowie Blutuntersuchungen sind bei Migränepatienten unauffällig und somit nicht unbedingt richtungsweisend.
Wer an mehr als 10 bis 15 Tagen im Monat Schmerzmittel nimmt, riskiert außerdem vom sogenannten „Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz“ betroffen zu sein.
Da die Erkrankung so individuell ist und Kopfschmerzen häufig als Mischformen auftreten, kann die Diagnose schwierig sein und manchmal erst nach wiederholten Gesprächen gestellt werden, erklärt Dr. Reiff.
Gene, Stress und Geschlecht
„Wir wissen heute, dass bei vielen Menschen Stress ein bedeutender Auslöser von Migräneattacken ist“, erklärt Dr. Reiff. Die Medizinerin spricht in diesem Zusammenhang von einer „Dysfunktion beim persönlichen Stressmanagement“. Stress, sagt sie, sei nicht die Ursache der Erkrankung, dafür aber häufig der Auslöser einer Attacke. Rund 40 Gene, die das Risiko, an einer Migräne zu erkranken, erhöhen, sind bisher bekannt. Stress beeinflusst jedoch die Dauer und die Intensität der Attacken.
Ein weiterer ausschlaggebender Faktor ist das Geschlecht. „Frauen leiden ungefähr drei Mal öfter an Migräne als Männer“, bestätigt Dr. Reiff. Am häufigsten betroffen sind Frauen im gebärfähigen Alter. Bei ihnen spielen Hormone eine wichtige Rolle. Während sich die Anzahl der Attacken bei Mädchen und Jungen im Kindesalter die Waagschale hält, ändert sich das Bild mit Beginn der Pubertät. Mit dem Einsetzen der Regelblutung und der Veränderung des Hormonhaushalts sind Mädchen in dem Alter häufiger betroffen als Jungen. Doch auch in der Kindheit können Migränen bereits auftreten: Manche der Patienten, die Dr. Reiff betreut, sind erst drei oder vier Jahre alt.
Einen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch. Nach den Wechseljahren (Menopause) kann die Erkrankung gänzlich verschwinden. Diese Möglichkeit besteht, doch auch das Gegenteil kann zutreffen. „Ich habe ältere Patientinnen, die weiterhin betroffen sind bzw. bei denen die Häufigkeit und Intensität der Attacken zunehmen“, berichtet Dr. Reiff.
Alles in einem tritt die Erkrankung am häufigsten zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf, unabhängig vom Geschlecht, erklärt die Fachärztin. „Weil Migräne die aktivsten Menschen unserer Gesellschaft in ihrer produktivsten Zeit trifft, handelt es sich bei ihr um eine Erkrankung, die die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränkt.“
Mehr Wissen zum Thema:
Im ersten Teil der mehrteiligen Serie, die in an diesem Samstag im Magazin-Heft beginnt, stehen Ursachen, Entstehung und Therapie der Erkrankung im Mittelpunkt. Die Behandlungsmethoden, die auf den drei Säulen – gesunde Lebenshygiene, Schmerztherapie und Vorbeugung – beruhen, nimmt der zweite Teil der Serie am 22. Juni unter die Lupe.
Weiterführende Informationen:
Prof. Dr. Hartmut Göbel, Karin Frisch: „Kopfschmerzwissen für Eilige:
Migräne und Spannungskopfschmerzen kompetent vorbeugen“,
ISBN 978-3-9816877-7-9
Schmerzklinik Kiel: www.schmerzklinik.de
Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V.: www.dmkg.de
Hei get et een ganz einfachen Tip: Espresso mam Jus vun enger halwer Zitroun drenken, am beschten eiert d'Migräne richteg schlemm get. Ass anscheindend d'Meschung vum Koffein an der Vitamin C an ass natierlech. Schmacht net gudd mee helleft