Sie sind schon zur Tradition geworden, wie die «Oktav» und ihr «Mäertchen» im Frühling: die Bilanzpressekonferenzen der Parteien und politischen Bewegungen vor den Sommerferien. Das Restaurant, in das sie Journalisten einladen, mag wechseln, das Narrativ bleibt: Mehrheit gut, Opposition schlecht, umgekehrt bei anderer politischer Zugehörigkeit. Dennoch sind diese Bilanzpressekonferenzen etwas anders. Nicht nur weil erstmals seit 1979 die CSV nicht zur Mehrheit zählt.
Verändert hat sich etwa der politische Umgangsstil. Das lockere, ja lässige, manchmal gar dem Amt als nicht entsprechend gewertete Auftreten einzelner Spitzenpolitiker kontrastiert mit den doch steifen Umgangsformen, die man in der Vergangenheit kannte. Paradebeispiel ist Premierminister Xavier Bettel. Seine ausgesprochene Kommunikationsfreudigkeit kennt ihresgleichen nicht. Gegenüber seinen Regierungskollegen zeichnet er sich durch eine bisher nicht gekannte Zurückhaltung aus. Anders als sein Vorgänger, gegen den sich einzelne Minister manchmal mit Händen und Füßen wehren mussten, weil Ersterer sich ihre Dossiers unter den Nagel reißen wollte, insbesondere, wenn sie Ruhm und Ehre versprachen. Bettel setzte, vielleicht auch aus Bequemlichkeit und Unlust, sich in komplexe Dossiers einzuarbeiten, das Prinzip des «Primus inter pares» konsequent durch.
Diese den einzelnen Ministern gewährte Freiheit innerhalb der Regierung mag die lange Liste von Reformen und Gesetzesänderungen erklären, die das Land seit 2013 verändert haben. Wer hätte sich vor ein paar Jahren noch vorstellen können, dass die Kirchenfabriken – ein uraltes Gebilde und eine bisher feste kommunale Größe – vor Gericht als das entblößt würden, was sie wirklich sind: simple Gutsverwalter und nicht Eigentümer der Liegenschaften und anderer materieller Werte, die den Kirchen im Laufe der Jahrzehnte zugeschoben wurden. Der rezente Gerichtsentscheid brachte ein bisschen Ordnung in eine Welt, die sich diese Vereinigungen von ansonsten respektablen Bürgern zurechtgebogen hatten. Eine Diskussion, die ohne die angestoßene Trennung von Kirchen und Staat niemals geführt worden wäre.
Dieselbe «Gambia»-Politik sorgte auch für frischen Wind in der Schule. Mit der Abschaffung des katholischen Religionsunterrichts wurde eine jahrhundertealte Spaltung zwischen Kindern gläubiger und nicht gläubiger bzw. andersgläubiger Familien beseitigt. «Gambia» hat diese Trennung behoben und nicht provoziert, wie unlängst noch im Luxemburger Wort behauptet wurde.
An die Neuerungen in der Schul- und Familienpolitik, bei den Gemeindefinanzen, bei den Rettungsdiensten, im Gesellschaftsbereich wird in den Vorwahlwochen noch allzu oft erinnert werden. Eine sollte hier besonders erwähnt werden: die Einführung der elektronischen Petition auf der Webseite des Abgeordnetenhauses 2014. Sie sorgte für einen qualitativen Sprung in Sachen Demokratie. Niemals zuvor konnten sich die Bürger so schnell und direkt an die Politik wenden und sie zu einer Stellungnahme herausfordern, wenn denn die 4.500-Unterschriften-Limits erreicht wurden. Ob den Worten konkrete Taten folgten, sei mal dahingestellt.
Man kann diese Veränderungen begrüßen oder auch ablehnen. Doch sie sind nun mal da. Auch eine neue Mehrheit auf Krautmarkt wird sich damit abfinden. Ein bisschen Stellschraubendrehen wird angesagt sein, mehr nicht.
Der erste und folgenreichste Fehler der Gambia-Regierung bestand darin, völlig unnötigerweise einen Graben innerhalb unserer Gesellschaft aufzuwerfen; etwas von dem sich das Land m.E. bis heute nicht so recht erholt hat. Und zwar beziehe ich mich auf die alberne Volksbefragung, duch die unser Land nachhaltig Schaden genommen hat. Keine Gesellschaft verdaut es mal so eben, von oben herab in 80% Minderbemittelte und 20% Unterlegene aber dafür Intelligentere geteilt zu werden.
Eine gesunde Distanz zur Kirche, für Lux zum Katholizismus, herzustellen war überfällig . Aber jetzt bitte nicht Anhänger einer Religion, die im 7. Jahrhundert stecken geblieben ist, den roten Teppich ausrollen. Mit dem “lockeren, ja lässigen” Gesetz zur Vollverschleierung bin ich nicht zufrieden und von den Grünen mehr als enttäuscht.
Keile?
Der Ruf nach Trennung von Kirche und Staat kommt nicht von der Regierung sondern aus der Gesellschaft.
Die Frage nach der Notwendigkeit einer Monarchie (auch wenn sie parlamentarisch ist)im 21.Jahrhundert kommt aus dem Volk,nicht von der Regierung. Gesellschaften "mutieren",alles bewegt sich und Formen die gestern gut waren sind heute überlebt. Das Bildungsniveau der Gesellschaft hat diese "Keile" möglich gemacht. Die Kirche hatte bisher am meisten darunter zu leiden und es ist hoffentlich noch nicht zu Ende wenn man weltweit sieht zu was Religionen imstande sind.
Bravo.
Natürlich hat sich vieles verändert. Durch Zusammenarbeit mehrerer Interessengruppen kann mehr erreicht werden.
Und dazu kommt noch die Frische.Neue Männer(und Frauen) braucht das Land.Alter Mief lähmt.Wer dies bestreitet kann sich in der Geschichte des Mittelalters schlau machen.Damals,als die Kirche,sprich der Katholizismus Staatsreligion wurde. Die Macht der Kirche wuchs ins Unermessliche und die Welt in Mitteleuropa viel in eine Tiefe Depression,die erst in der Renaissance aufbrach. Gambia ist die Renaissance und die Kirche mit ihren Gütern und deren Verwalter haben im Privatleben der Bürger nichts mehr zu bestellen. So geht Zukunft.
Die negativ behaftete bezeichnung "gambia" sollte man denjenigen überlassen, die sie bewusst als abwertend "erfunden" haben. Den erwähnten lw-leitartikel könnte man auch noch mal thematisieren: er wirft der regierung vor, bewusst (!) unzählige keile in die gesellschaft getrieben zu haben. Indem er dies (fälschlicherweise) suggeriert, ist der artikel/der autor/das lw selbst der spaltpilz