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Politisches Lifelong Learning

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Seit 1999 ist Paul-Henri Meyers ist Abgeordneter. Mit seinem Verzicht auf eine erneute Kandidatur im Oktober verliert die CSV einen ausgewiesenen Verfassungsexperten. Er war maßgeblich an der Reform des Grundgesetzes beteiligt.

Tageblatt: Was war Ihr größter politischer Erfolg?
Paul-Henri Meyers: Die Tatsache, dass es uns gelang, uns auf einen neuen Verfassungstext zu verständigen. Ich war lange Jahre Vorsitzender des Ausschusses für Institutionen und Verfassungsrevision. Meiner Ansicht nach war das mein größter politischer Erfolg während meiner Deputiertenzeit. Ich möchte jedoch darauf verweisen, dass in dieser Zeit die Verfassung wohl öfter als in den 130 Jahren zuvor geändert worden ist. Von 1999, als ich Präsident wurde, bis 2013 wurde die Verfassung 15 oder 16 Mal geändert. Später wurde nicht mehr so viel geändert, weil wir auf die große Reform gewartet haben. Zu den großen Textänderungen gehörte die Begrenzung der Befugnisse des Großherzogs im Zusammenhang mit der Euthanasie-Debatte. Wir waren der Ansicht, dass unabhängig davon, ob man für oder gegen Sterbehilfe ist, das Votum einer Parlamentsmehrheit durchgesetzt werden muss.

Und Ihre größte Enttäuschung?
Ich kann nicht sagen, dass ich eine große Enttäuschung erlebt habe. Etwas enttäuscht bin ich wohl, dass die Verfassungsreform nicht so schnell umgesetzt werden konnte. Ich dachte 2009, nachdem wir den ersten Text deponiert hatten und nachdem wir fünf Jahre ernsthaft daran gearbeitet haben, dass die Reform 2014 zu Ende gebracht werden könnte. Es hat jedoch noch eine ganze Legislaturperiode gedauert. Nachdem ich aber gesehen habe, wie der Diskussionsprozess zwischen Parlament und Staatsrat gelaufen ist und wie sich die Menschen zur Reform äußern konnten, verstehe ich, warum es so lange gedauert hat.

An welchem Projekt hätten Sie noch unbedingt mitwirken wollen?
Ein Projekt, bei dem ich Berichterstatter war und in das ich mich stark eingebracht habe, betrifft die Ehe. Da wir jetzt über Abstammung, Scheidung und andere Kapitel des Zivilgesetzbuchs diskutieren, weiß ich nicht, ob wir bis Ende dieser Legislaturperiode mit diesem Scheidungsgesetz fertig werden. Es täte mir leid, wenn ich nicht darüber mitentscheiden könnte. Das Projekt hat uns im Rechtsausschuss fast die ganze Zeit begleitet. U.a. sollte im ersten Vorschlag des damaligen Justizministers Luc Frieden die Scheidung wegen Fehlverhaltens verschwinden. In sämtlichen Parteien gab es jedoch unterschiedliche Meinungen dazu. Also wurde versucht, eine Scheidung wegen teilweise Fehlverhaltens einzubauen. Das Projekt ging zurück an das Justizministerium. Diese Regierung legte dann ein neues Projekt vor. Und jetzt diskutieren wir noch immer im Rechtsausschuss darüber. Die Frage der Ehescheidung wegen Fehlverhaltens spaltet noch immer die einzelnen Parteien.

Im Parlament sind unterschiedliche Parteien vertreten. Die meisten Gesetzesvorhaben werden auch von der Opposition mitgetragen. Gab es in Ihrer politischen Laufbahn Momente, in denen Sie sich sagten: Eigentlich könnte ich ja auch in jener Partei sein?
(zögert) Das ist eine schwierige Frage. Es gibt ja keinen Streit mit den anderen. Wenn ich ein anderes Vorleben gehabt hätte, könnte ich mir vorstellen, eventuell in einer anderen Partei gewesen zu sein, weil ich die moderate Haltung und die Gesellschaftsauffassung, die ich teile, auch bei anderen vorfinde. Es hätte keine unüberwindlichen Schwierigkeiten gegeben. Ich will dabei keine Partei ausschließen außer extrem rechts und extrem links.

Gab es in Ihrer Vergangenheit Misstöne zwischen Regierung und Parlament? Was stört im Verhältnis Regierung-Parlament?
Eigentlich gab es keine Misstöne. Bei den großen nationalen Problemen gab es immer Einverständnis. Ich habe den Eindruck, wenn unterschiedliche Töne angeschlagen wurden, dann aus politischen statt sachbezogenen Gründen. Wenn die eigene Partei in die Regierung war, habe ich keine Misstöne gespürt. Ich habe immer versucht, meine Freiheit gegenüber der Regierung zu wahren. Wenn ich Kritik anzubringen hatte, habe ich das getan, und zwar dem gegenübersitzend, dem die Kritik galt.
Zu meiner Zeit als Beamter – ich war lange Jahre Regierungsrat – war der Einfluss der Regierung wesentlich höher. Das Parlament diskutiert heute die Gesetzprojekte ernsthaft. Das ist seit Ende der 1990er Jahre der Fall. Und das hat sich in den letzten Jahren noch weiterentwickelt. In den 1970ern und 1980ern kam es schon vor, dass ein Gesetzprojekt eingereicht wurde, dann kam das Gutachten des Staatsrats. Anschließend wurde der Regierungsbeamte in den Parlamentsausschuss gerufen. Man schaute, ob es einen formellen Einspruch (des Staatsrats) gab oder nicht und dann hieß es: Das Projekt geht durch. Das Parlament hatte damals noch nicht so viele Mitarbeiter, genauso die Fraktionen. Es kam dann schon mal vor, dass der Minister (dem Beamten) sagte, schreib mal den Bericht des Ausschusses zum Gesetzprojekt. Das ist heute nicht mehr möglich. Nach Einführung der Parteienfinanzierung konnten die Fraktionen Mitarbeiter einstellen. Die Arbeit in den Fraktionen hat sich seit den 1990er Jahren wesentlich verbessert.

Was müsste noch getan werden, um die Parlamentsarbeit zu verbessern?
Was getan werden müsste, aber nur gelegentlich getan wird: Wenn ein Projekt im Parlament deponiert wird, sollte das Abgeordnetenhaus gleich damit beginnen, es zu studieren. Oftmals wird das Projekt vorgestellt und damit hat es sich. Ja, man warte mal auf das Gutachten des Staatsrats, heißt es dann. Erst wenn das vorliegt, beginnt die Diskussion im Ausschuss. Die Arbeit könnte verbessert und beschleunigt werden, wenn der Ausschuss, soweit die Zeit dazu reicht, sich das Projekt gleich anschauen und selbst Änderungsvorschläge ausarbeiten würde, ohne auf das Gutachten des Staatsrats zu warten. Das Parlament könnte dem Staatsrat auch zu verstehen geben, dass man dieses Gesetzprojekt schneller behandeln wolle. Ich war lange Staatsratmitglied und da stellte man sich schon mal die Frage, welchen Entwurf das Parlament eigentlich prioritär diskutieren möchte. Man hat natürlich Prioritätenlisten erstellt, die aber nicht eingehalten wurden.

Nutzt das Parlament seine Vollmachten aus?
Nicht immer. Man versucht es zwar. Aber es ist noch immer so, dass das Parlament der Regierung hinterherhinkt. Wer das Projekt ausarbeitet, hat immer die Nase vorn. Der Autor kennt die Problematik, während der Empfänger nicht über dieselben Kenntnisse verfügt. Und wenn die Regierung dann aus zeitlichen Gründen auf die Verabschiedung eines Projekts drängt, trägt das nicht unbedingt zur Qualität der legislativen Arbeit bei.

Was würden Sie einem jungen Parlamentsmitglieder oder einem jungen Menschen, der sich der Politik verschreiben will, raten?
Man sollte die Bereiche identifizieren, die einen besonders interessieren. Und er oder sie soll sich umfassend damit befassen. Man kann nicht Experte in allen Bereichen sein. In der Politik muss man sich die entsprechenden Kenntnisse aneignen. Wenn der Minister in den Ausschuss kommt, kommt er mit einem oder gleich mehreren Beamten. Wenn man keine Ahnung hat, ist man seinem Gegenüber ausgeliefert. Man muss sich einarbeiten, man muss auch selbst Texte verfassen. Ich bedauere, dass viele Deputierte ihre eigenen Reden nicht mehr selbst schreiben. Wenn man sie selbst verfasst, muss man sich zuerst mit dem Projekt befassen. Ich habe mehr als ein Wochenende damit verbracht, mich einzulesen, um meine Rede vorzubereiten. Wichtig ist das auch im Kontakt mit den Menschen. Wenn auf einer Versammlung Fragen gestellt werden, müssen Sie in der Lage sein, eine korrekte Antwort zu geben. Die Menschen erwarten sich klare Antworten. Auch in der Politik ist berufliche Weiterbildung von Bedeutung.