Rund 109 Millionen russische Bürger sind am Sonntag aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Überraschungen dürfte es dabei keine geben. Amtsinhaber Wladimir Putin ist haushoher Favorit. Die Ergebnisse seiner sieben Mitwerber liegen letzten Umfragen zufolge im einstelligen Bereich. Aussagen über die Popularität Putins vor seiner vierten Amtszeit als Präsident wird lediglich das Ausmaß der Wahlenthaltung liefern. Ein Überblick über die acht Kandidaten und einen Politiker, der als einziger Putin zusätzliche Stimmen hätte kosten können, aber nicht antreten durfte.
Wladimir Putin
61,8 Prozent der Wähler und 75,8 Prozent der Wählerinnen würden sich für Amtsinhaber Wladimir Putin entscheiden, so eine rezente Umfrage von WZIOM, dem führenden Meinungsforschungsunternehmen Russlands. Wird er am Sonntag gewählt, wird er seine vierte Amtszeit an der Spitze der Russischen Föderation antreten. Nachdem Präsident Boris Jelzin Putin im August 1999 zum Premierminister ernannt hatte, übergab er am 31. Dezember 1999 Putin auch die Präsidentschaft. Da laut Verfassung die Präsidentschaft auf zwei aufeinanderfolgende Amtsperioden begrenzt ist, bekleidete Putin von 2008 bis 2012 das Amt des Premierministers.
Pawel Grudinin
Der Kandidat der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation wird laut Umfragen mit 7 Prozent Wählerzustimmung bewertet. Grudinin (57) ist Direktor der Erdbeerfarm „Lenin-Sowchos“ bei Moskau. Ihm gehören 42,87 Prozent der Anteile der gleichnamigen Gesellschaft. 2007 hatte Grudinin für die Partei „Einiges Russland“ von Präsident Putin bei den Parlamentswahlen kandidiert. Der KPRF-Kandidat bezeichnet den Anschluss der Krim an Russland als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts eines Volkes. Die Menschen sollten das Recht haben, sich für die Angliederung an einen anderen Staat zu entscheiden.
Wladimir Schirinowski
Das politische Urgestein von der nationalistischen Liberaldemokratischen Partei tritt zum sechsten Mal an. Sein bestes Ergebnis erzielte der sich als Politclown gerierende Schirinowski 2008 mit 9,35 Prozent. Derzeit wird der Stimmenanteil des gelernten Juristen auf fünf Prozent geschätzt. Der wegen seiner Kraftausdrücke gefürchtete Skandalpolitiker hatte bei einer rezenten TV-Talkrunde Mitbewerberin Ksenia Sobtschak als Schlampe und Prostituierte bezeichnet. Die hatte ihm zuvor ein Glas Wasser ins Gesicht geworfen, um den „älteren Herrn abzukühlen“. Zur Krim: Sie ist historischer Bestandteil Russlands. 95 Prozent der Bewohner träumten von der Wiedervereinigung.
Xenia Sobtschak
Die Kandidatin der Partei „Bürgerinitiative“ wurde als Fernsehmoderatorin bekannt. Sie stellt sich erstmals einer Wahl zu einem politischen Amt. 2012 war sie zum Mitglied des Koordinationskomitees der Opposition als Vierte gewählt worden. Xenia Sobtschak (36) ist die Tochter von Ex-Bürgermeister von St. Petersburg und Putin-Mentor Anatoli Sobtschak. Letzte Umfragen setzen sie an vierter Stelle mit zwei Prozent. Sie wurde u.a. mit „Schokoladen-Blondine“ bekannt, ein TV-Programm über das Alltagsleben Sobtschaks. Zur Krim: Laut internationalem Recht gehört die Krim zur Ukraine. Russland hat internationale Abmachungen verletzt.
Sergej Baburin
Der Mitarbeiter des Instituts für sozioökonomische Studien bei der Russischen Akademie der Wissenschaften geht für die „Russische Volksunion“ ins Rennen. Erwartetes Ergebnis: 1 Prozent. Als Mitglied des Russischen Parlaments hatte Baburin (59) 1991 die Ratifizierung des Beloweschsker Abkommen zur Auflösung der UdSSR abgelehnt. 1993 hielt er mit anderen Deputierten das Weiße Haus in Moskau besetzt, aus Protest gegen die Absicht von Russlands Präsident Boris Jelzin, das Parlament widerrechtlich aufzulösen. Zur Krim: Sie gehörte stets Russland, weil die Übergabe an eine andere Seite niemals in gebührender Weise festgehalten wurde.
Grigori Jawlinski
Der Wirtschaftswissenschaftler und Mitbegründer der linksliberalen „Jabloko“ beteiligt sich zum dritten Mal an den Präsidentschaftswahlen. Sein bestes Ergebnis erzielte er mit 7,34 Prozent 1996. Sein Stimmenanteil am Sonntag liegt Umfragen zufolge bei einem Prozent. 1989 wurde er in eine staatliche Arbeitsgruppe für ökonomische Reformen berufen. Bereits 1982 hatte Jawlinski (65) für umfassende Wirtschaftsreformen und weitgehende unternehmerische Freiheiten für die Unternehmen plädiert. Abgelehnt wurde 1990 auch sein 500-Tage-Programm zum Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft, wobei die Schlüsselindustrien in Staatshand geblieben wären. Zur Krim: Die Annexion widerspricht dem internationalen Recht. Eine internationale Konferenz soll die Frage regeln.
Boris Titow
Der Mann hat keine Angst vor Wirtschaftswachstum. Der Geschäftsmann und vom Präsidenten bestellte Ombudsman für die Rechte der Unternehmen kandidiert für die „Wachstumspartei“. Sein Wahlergebnis liegt Umfragen zufolge unter einem Prozent. Seine Karriere als Geschäftsmann begann Titow im Erdöl- und Gasgeschäft. Das große Geld macht er mit seiner Schaumweinfabrik „Arbau-Diurso“, die unter anderem auch den Kreml beliefert. Während kurzer Zeit war Titow auch Mitglied des Präsidiums von Putins Partei „Einiges Russland“. Zur Krim: Würde der Westen die Rückkehr der Krim nach Russland unterstützen und fördern, „würde dies das Volk Russlands und die Völker der westlichen Länder zu unverbrüchlichen und glühenden Bündnispartnern für die Ewigkeit machen.“
Maxim Surajkin
Laut Umfragen dürfte das Ergebnis des Kandidaten der „Kommunisten Russlands“, Abspaltung der KPRF, unter einem Prozent liegen. In der Vergangenheit versuchte er sich mehrmals erfolglos bei Gouverneurswahlen. Bei den Parlamentswahlen 2016 erzielte seine Partei zwei Prozent der Stimmen. Der Historiker verließ die KPRF 2004, weil sie auch Oligarchen aufgenommen habe. Surajkins (39) vestimentäre Merkmale sind rote Visitenkarten, rote Socken, rote Krawatten mit Krawattenspange in Form einer Kalaschnikow. Zur Krim: Das ganze Volk Russlands habe sich um das heilige Ziel vereint – die ehemaligen „sowjetischen Landsleute, die auf der Krim und im Osten der Ukraine lebenden Bürger Russlands vor der faschistischen Meuterei zu schützen“.
Alexej Nawalny
In der Liste der Präsidentschaftskandidaten fehlt der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny (41). Die Wahlkommission hatte seine Kandidatur mit seiner Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe abgelehnt. Ihm wird Betrug und Geldwäsche vorgeworfen. Nawalny hat sich mit Enthüllungsvideos über vermeintliche Korruptionsfälle im Umfeld von Präsident Putin einen Namen gemacht. In der Vergangenheit organisierte er Kundgebungen gegen die Regierung. Regelmäßig wird er von den Ordnungskräften für kurze Zeit festgenommen. Er ruft zum Boykott der Wahl am Sonntag auf.
Zur Krim: Wäre er Präsident, würde er ein Referendum organisieren, um zu wissen, zu welchem Land die Bevölkerung gehören wolle.
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