Manchmal erinnert sie einen schon an das Ungeheuer von Loch Ness in Schottland. Gelegentlich taucht sie auf, um dann wieder in den Tiefen des politischen Alltags zu verschwinden: die Territorialreform. Die CSV lässt Luxemburgs Nessie erneut auftauchen.
Die CSV beabsichtigt eine Territorialreform. Sollte sie zurück an die Macht kommen, werde die Zahl der Gemeinden von aktuell 102 auf 60 reduziert. So lautete eine der wenigen konkreten programmatischen Aussagen von Spitzenkandidat Claude Wiseler bei den rezenten Bezirkskongressen seiner Partei. Wie sie das bewerkstelligen soll, wurde indes nicht so richtig bekannt. Vorläufig. Denn die Frage wird Bestandteil des Wahlprogramms für Oktober 2018 werden.
Wie 2013 bereits. «Wir werden die territoriale Neuordnung weiterführen. Durch weitere Fusionen werden stärkere, autonomere und effizientere Gemeinden geschaffen. Wir werden im Jahr 2017 ein nationales Referendum über die territoriale Neuordnung abhalten», hieß es damals im Wahlprogramm. Dazu sollte es bekanntlich nicht kommen.
An diesen Absichten hält auch Michel Wolter unbeirrt fest. «Unsere Haltung ist dieselbe wie 2013», sagt der «Député-maire» von Bascharage, von 1999 bis 2004 Innenminister, verantwortlich für Landesplanung. Auch die Idee eines nationalen Referendums ist nicht vom Tisch. Das ganze Land würde dann darüber mitbestimmen, wie das 2.586 Quadratkilometer große Staatsgebiet neu geordnet würde.
Die Diskussion über eine Reduzierung der Zahl der Gemeinden ist keineswegs neu. Sie schreibt sich in die weiter greifende, seit Jahren geführte Debatte über Landesplanung ein.
Schon in den 1970er Jahren sah ein vom damaligen Innenminister Jos Wohlfart vorgelegter Plan die Reduzierung der Zahl der Gemeinden auf 30 vor. Das Haushaltsgesetz von 1972 schuf die Grundlage für den heute noch bestehenden «Fonds pour la réforme communale» zur Finanzierung aller Operationen im Rahmen der Territorialreform, insbesondere der Gemeindefusionen. Der aus Haushaltsmitteln gespeiste Fonds verfügte am 1. Januar 2017 über ein Guthaben von 6,491 Millionen Euro. 14 Millionen Euro kamen aus dem staatlichen Haushalt dazu. Verwendet wurden 11,394 Millionen Euro.
Zwar beschäftigte die Landesplanung und damit auch indirekt eine kommunale Neuordnung ebenfalls die CSV-LSAP-Koalition von 1994-1999, konkrete Initiativen für Gemeindefusionen folgten jedoch keine. Das Leitprogramm für Raumordnung habe die Schaffung von regionalen Entwicklungszentren, so etwa die «Nordstad», vorgesehen, erinnert sich Alex Bodry, damals Landesplanungsminister.
IVL und Gemeindefusionen
Einen neuen Anlauf wagte die CSV-LSAP-Regierung 2004-2009. Bereits am 9. Dezember 2004 hatte das Parlament eine Sonderkommission territoriale Neuordnung beschlossen. Die Territorialreform solle dem Leitprogramm für Landesplanung und dem IVL («Integratives Verkehrs- und Landesplanungskonzept») entsprechen, hieß es. Das 2005 vorgelegte IVL sah unter anderem eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Kommunen vor. Die Gemeindefusion sei die vollendete Form der Kooperation zwischen zwei oder mehr Gemeinden. Das aktuelle Gemeindesystem entspreche den heutigen Bedürfnissen nicht mehr, so die IVL-Autoren. Über das IVL, laut damaligem Innenminister Michel Wolter noch immer aktuell, redet heute quasi niemand mehr. Auch wenn bereits dieses Konzept die Einwohnerzahl von 3.000 als Mindestgröße für eine gut funktionierende und gute Dienstleistungen anbietende Gemeinde vorschlug.
Wenige Jahre später, bereits unter der nächsten CSV-LSAP-Regierung und dem neuen Innenminister Jean-Marie Halsdorf, stand die Territorialreform erneut auf der Agenda. Wolter war 2004 auf eigenen Wunsch zurück auf die Parlamentarierbank gewechselt.
Im Juli 2008 stellte der parlamentarische Sonderausschuss Territorialreform seinen Abschlussbericht vor. Lediglich die ADR hatte die Zustimmung verweigert. Das Dokument sollte die Grundlage für eine Orientierungsdebatte im Abgeordnetenhaus liefern. Anfang 2009 dann legte Jean-Marie Halsdorf seinen Vorschlag für eine «neue Kartographie der kommunalen Landschaft» vor.
«Hormis les huit fusions qui ont eu lieu pendant les années 1920 (Luxembourg), 1977 (Wincrange), 1978 (Junglinster, Commune du Lac de la Haute-Sûre, Rambrouch), 2004 (Tandel), 2005 (Kiischpelt), et récemment en 2009 (Clervaux) les limites territoriales des communes sont restées inchangées depuis leur fixation à la fin du dix-huitième siècle ou au début du dix-neuvième, à la suite de la Révolution française de 1789 qui fit de chaque paroisse une commune», heißt es einleitend. Die Dienstleistungen, welche die Kommunen heute anbieten müssten, überstiegen immer öfter ihre finanziellen Möglichkeiten. Der Wunsch nach Zusammenschluss oder interkommunaler Zusammenarbeit nehme zu, gleichzeitig müsse eine willkürliche Bildung neuer Gemeinden auf Kosten anderer, ausgeschlossener Kommunen vermieden werden.
Aus 118 sollten 71 werden
Halsdorfs Projekt sah die Reduzierung der Gemeinden von damals 118 auf 71 vor. Vor allem die kleinen Kommunen im Norden und Osten des Landes sollten sich zusammenschließen, um die kritische Masse zu erreichen. So sollten sie in die Lage versetzt werden, ihren Einwohnern alle Dienstleistungen einer modernen Gemeinde anbieten zu können. Die Einwohnerzahl sollte bei mindestens 3.000 liegen, die Fläche die 100 Quadratkilometer nicht übersteigen. Halsdorf legte seinem Entwurf zwei Karten mit einer entsprechenden kommunalen Neuordnung bei.
Seit 2009 kamen weitere Fusionen hinzu, allein vier in der aktuellen Legislaturperiode. Doch dieser Prozess der territorialen Neugestaltung verläuft Michel Wolter (CSV) zu langsam. Man könne nicht warten, bis auch der Letzte damit einverstanden sei, sagt er und plädiert daher für das Referendum, das einer Regierung die notwendige Legitimation für ihre Fusionspolitik liefern würde. Das nationale Referendum könne durch lokale Befragungen ergänzt werden, bei denen die betroffenen Einwohner um ihre Meinung gefragt würden.
Von der Notwendigkeit einer territorialen Reform bleibt Wolter weiterhin überzeugt. Warum sollen aber 60 Gemeinden übrig bleiben? Das wären 60 Bürgermeister – genauso viele wie Abgeordnete. Die 60 Stadtväter würden dann in einer kommunalen Kammer zusammenkommen, um kommunalpolitische Fragen zu erörtern. Das Doppelmandat «Député-maire» würde abgeschafft.
Mit Innenminister Dan Kersch (LSAP) würde es hingegen keine Zwangsfusionen geben. Er unterstütze fusionswillige Gemeinden mit allen Mitteln, aber erzwingen dürfe man Zusammenschlüsse nicht, sagt er. Das widerspreche der von Luxemburg unterschriebenen Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung aus dem Jahr 1985. Diese garantiert den Gemeinden die politische, verwaltungsmäßige und finanzielle Selbstständigkeit.
Wenig Begeisterung löst bei Kersch ebenfalls die Idee eines nationalen Referendums zur territorialen Neuordnung aus. Warum sollten die Einwohner des Südens beispielsweise mitentscheiden, ob kleine Landgemeinden im Norden und Osten fusionieren sollten? Voraussetzung für eine Fusion sei der Wille der betroffenen Bevölkerung, sagt er. Für eine groß angelegte Territorialreform sieht er sowieso derzeit keinerlei Eile. Ohnehin seien Fragen von Organisation und Zusammenarbeit wichtiger.
Auch für den ehemaligen Landesplanungsminister Bodry hat die territoriale Reform an Bedeutung verloren. Die Gemeinden würden immer öfter in Syndikaten zusammenarbeiten. Das sei doch schon eine Fusion «à la douce».
Und dann wird man die Gemeinden so einteilen, dass die Dominanz der schwarzorangegrauen Partei stärker wird.
Erennert eischter un den Bommeleëer! Mir sin jo net a Schootland.