Der Wahlkampf in Österreich wird als der schmutzigste aller Zeiten gesehen. Dirty Campaigning, Doppelagenten und Spitzel-Affären überschatteten zuletzt Kandidaten und politische Programme. Dabei lohnt sich der Blick auf die Kandidaten Kern, Kurz und Strache allemal.
SPÖ-Kanzler Christian Kern müsste eigentlich der Idealkandidat jeder sozialdemokratischen Partei sein, liegt aber abgeschlagen zurück. ÖVP-Herausforderer Sebastian Kurz blickt mit seinen 31 Jahren auf eine vierjährige Außenminister-Laufbahn zurück und gilt, seitdem er erst seine Partei und dann mit Migration und Ausländern die Themen der FPÖ gekapert hat, als haushoher Favorit auf den Wahlsieg.
Große Reden, maßgeschneiderte Anzüge
Heinz-Christian Strache, den alle nur HC nennen, hat eine Neonazi-Vergangenheit und darf sich berechtigte Hoffnungen auf eine Regierungsbeteiligung machen. Alle drei Kandidaten sind großartige Redner, ihre Lebensgeschichten scheinen so maßgeschneidert für ihre jetzigen Rollen wie die schmalen Anzüge, die sie so fesch daherkommen lassen.
Das Optische darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Österreich vor einer Richtungswahl steht. Der wahrscheinlichste Wahlausgang sieht Kurz und die ÖVP an der Spitze. SPÖ und FPÖ streiten sich demnach um den zweiten Rang. Auch wenn viel für eine ÖVP-FPÖ-Koalition spricht, sind andere Szenarien nicht auszuschließen: etwa ein Pakt zwischen SPÖ und FPÖ (den es im Burgenland auf Landesebene schon gibt und den weder Kern noch Strache von vornherein ausschließen möchten) oder auch eine Minderheitsregierung der ÖVP mit ein oder zwei kleinen Partnern wie den Grünen und den liberalen Neos.
Letztgenannte Variante hätte für Kurz den Nachteil, dass er sich je nach Thema wechselnde Mehrheiten im Nationalrat (dem Parlament) suchen muss, aber eben auch den Vorteil, sich nicht den Makel eines Paktes mit der als rechtsextrem einzustufenden FPÖ anzuheften.
Unser Themenpaket zur Österreichwahl
Die Wahlen haben begonnen – 6,4 Millionen Österreicher schreiten am Sonntag an die Urnen.
«Es ist einiges möglich» – Tageblatt-Redakteur Armand Back berichtet mitten aus der FPÖ-Wahlkampfveranstaltung in Wien.
6,4 Millionen schreiten zur Urne – Die Österreich-Wahl in Zahlen
Die Kandidaten im Profil
Christian Kern (SPÖ) – Der sozialdemokratische Premiumkandidat, der verfeuert wurde.
HC Strache (FPÖ) – Der extrem Rechte, dem viele Österreicher das nicht mehr ansehen.
Sebastian Kurz (ÖVP) – Der konservative Superjungstar, an dem alles abprallt.
Lunacek, Pilz und Strolz – Drei kämpfende Kleine, von denen noch die Rede sein könnte.
'ER' ist noch nicht wieder da.
Nur sein schäbiger Schatten.
Viel Schmäh, keine intellektuelle Aufarbeitung nach dem WK2