Die ÖVP unter Sebastian Kurz ist auf dem besten Weg zum Rechtspopulismus, sagt Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak im Tageblatt-Interview. Wahrscheinlich wird Österreichs Pendant zu unserer CSV am Sonntag die Nationalratswahlen gewinnen. Eine Koalition mit der als rechtsextrem einzustufenden FPÖ ist ein plausibles Szenario. In den Fragen der Ausländer-, der Sicherheits- und der Migrationspolitik sind die Programme beider Parteien mittlerweile deckungsgleich. Superjungstar und Wahlsiegfavorit Kurz hat diese FPÖ-Positionen in sein Wahlprogramm und in seine Sprache übernommen – der FPÖ so bis zu sieben Prozentpunkte abgenommen und sie vom Umfragethron gestoßen.
Österreich ist sicherlich ein Spezialfall. Die FPÖ ist, anders als etwa die AfD in Deutschland, seit Jahrzehnten im Land und seiner Politik verankert; eine Regierungsbeteiligung würde, anders als um die Jahrtausendwende, hier keine Proteststürme mehr auslösen. Trotzdem ist diese Entwicklung besorgniserregend: Die Ideen von (noch) Außenminister Kurz in der Migrationspolitik finden immer breiteren Anklang in anderen europäischen Hauptstädten, sind aber gleichzeitig Copy-Paste-Politik aus rechtsextremem Gedankengut. Anders gesagt: In der EU wird eine ausländerfeindliche Agenda über den Umweg einer Mittepartei zum Mainstream-Konsens.
Karl Kraus hat vor mehr als 100 Jahren die damalige Doppelmonarchie als «Experimentierstation für den Weltuntergang» bezeichnet. Das war, wie wir mittlerweile wissen, hellseherisch. Es bleibt nur zu hoffen, dass sein Diktum für das heutige politische Österreich nicht mehr gilt.
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