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Andere Zeiten

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Über die Liebe zum Stahl ... oder zu den Banken

Vor 20 Jahren wurde der letzte Hochofen in Luxemburg tiefgeblasen (geschlossen). Die letzte Minette-Grube schloss bereits einen Monat früher. Doch das Land erinnert sich immer noch gerne, und das mit viel Stolz, an die Zeiten, in denen die Stahlindustrie Luxemburg formte. Um die Erinnerung zu wahren, war gar der Staat eingesprungen, um einen Verkauf des alten Arbed-Gebäudes an eine chinesische Bank zu verhindern.

Heute ist es ein anderer Sektor, der den Wohlstand im Lande voranbringt: die Finanzindustrie. Und im Gegensatz zum Stahl ist es eine Industrie, die die Umwelt deutlich weniger verschmutzt, wo es weniger Arbeitsunfälle gibt und wo im Schnitt hohe Gehälter gezahlt werden. Dennoch hat es die Finanzindustrie nie geschafft, dass die Luxemburger Bevölkerung mit dem gleichen Stolz auf den Sektor blickt. Das mag an der Überlegung liegen, dass Banker nichts produzieren, sondern nur Geld hin und her schieben. Als Argument reicht das jedoch nicht.

Auch der aktuellen Stahlindustrie wird nämlich nicht mehr die „Liebe“ von früher zuteil. Dabei ist ArcelorMittal auch noch ein wichtiger Arbeitgeber im Land, hat immer noch seine Firmenzentrale hier und betreibt noch mehrere Werke, die sich international sehen lassen können. Die Schwerindustrie wird heute eher als Quelle von Unannehmlichkeiten gesehen und nicht als Quelle für Stolz.

Warum also trauert die Bevölkerung einer Zeit nach, in der eigentlich alles schlechter war als heute? Sozialpolitische oder umwelttechnische Gründe können es nicht sein. Wirtschaftliche Gründe könnten es theoretisch sein, da der Stahl dem Land Wohlstand brachte. Doch das tun die Banken heute auch. Auch das Argument, dass die Stahlindustrie das Land mehr geprägt habe als die Banken, ist nur bedingt zutreffend. Gebäude aus Stahl, ein rot gefärbter Himmel, Fabrik-Lärm und Fabrik-Geruch sind zwar spektakulärer und greifbarer – aber auch die Banken prägen das Land. Kaum ein Haus kann ohne Kredit gebaut werden, kaum ein Projekt ohne Kredit umgesetzt werden.

Bleiben also nur noch gesellschaftliche Gründe. Mit der alten Stahlindustrie war in Luxemburg eine Arbeiterkultur entstanden. Man war stolz auf die geleistete harte Arbeit, die zum Teil sogar lebensgefährlich war. Die Arbeiter lebten zusammen in eigenen Stadtvierteln und unterstützten gemeinsam ihre lokalen Fußballteams. Alle arbeiteten für die gleiche Firma, die Arbed. Es war eine richtige Gemeinschaft. Zusammen kämpften sie für die Rechte der Arbeiter. Und das auch noch mit Erfolg.

Die heutige Stahlindustrie, oder auch die Finanzindustrie, hat keine solche Gemeinschaft mehr hervorgebracht. Ein Großteil der Angestellten reist täglich aus dem nahen Ausland an, die anderen leben verstreut durch das ganze Land. Die „Gemeinschaft“ der Banker (oder der heutigen Stahlarbeiter) ist zudem viel heterogener – nicht wie die prägende Kultur der aus Italien eingewanderten Stahlarbeiter. Die neuen Angestellten stammen aus allen Teilen der Welt – und viele zieht es nach einer Zeit in Luxemburg auch wieder weiter in ein anderes Land.

Das Gemeinschaftsgefühl ist verschwunden – die Gesellschaft besteht vor allem aus Individualisten. Das ist einerseits zu begrüßen – die Menschen haben mehr individuelle Freiheiten. Und dennoch vermissen sie das Gemeinschaftsgefühl.

Henri Funk
30. August 2017 - 18.47

Die letzten Minettegruben schlossen....... Ich kenne noch welche die auf sind:-)))

Mossong nico
30. August 2017 - 16.57

Marius so ist es. Ein guter Kommentar..

Marius
29. August 2017 - 17.29

Die Luxemburger Gewerkschaften haben ein grosses Maul und sind allesamt Feiglinge. Seitdem die Personaldelegationen in den Betrieben, integral vom Patronat bezahlt werden, sind die Gewerkschaften nur noch Blendwerk. Man kann nun eben nicht zwei Herren dienen. Entweder wird er den einen lieben und den anderen hassen.

Pipo
28. August 2017 - 17.28

Ihnen fehlt auch ein solcher !

Jean Bodry
28. August 2017 - 16.33

Sozial- Demokratie huet Aarbechtsfeld esou ëmgeplout, datt de Neon-Kapitalismus! Konnt den de Buedem deen mam Schweess vun eisen Päpp gedränkt war, nei bestellen. An déi sozial Errongenschaften déi op Solidaritéit op gebaut waren! Esou kräiz en queesch gespléckt goufen! Datt eis Gesellschaft ausenaner gebrach ass! An Gewerkschaften hunn näischt gemaacht fir den Trend ze stoppen! Gewerkschaften sinn haut Kniecht vum Neon-Liberalismus! Si hunn sech mat der Aarbecht of fond! Mer fléien op de Mound! An eist zesummen liewen an enger gerechter Gesellschaft kënnt op den Hond!

Jeannosch
28. August 2017 - 7.22

Wer in dieser Arbeiterkaste groß geworden ist, weiß um den Zusammenhalt dieser Gemeinschaft.Herrschte oft ein rauher Ton, so war dies nicht überzubewerten , rauhe Schale - sanfter Kern.Gelebte Solidarität im Alltag, Zusammenhalt gegen die Ausbeutung des kapitalistischen Systems. Die sozialen Errungenschaften, die unsere verwöhnte Gesellschaft heute als normal ansieht, waren das Resultat harter Gewerkschaftsarbeit. Umso mehr enttäuschend, daß die politischen Nachfahren, heute versuchen viele der errungenen sozialen Leistungen, in Frage zu stellen, wieder abschaffen , untergraben wollen. Unsere heutige von Futterneid , Raffgier und Konsumfreudigkeit geprägte gehässige Gesellschaft fehlt eine Arbeiterschaft " déi se ferm an den Arsch trett".