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Oleg Popow mit 80 noch in der Manege

Oleg Popow mit 80 noch in der Manege

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Sein Markenzeichen ist die schwarz-weiß karierte Ballonmütze, sein Erfolgsrezept die schlichte Moral seiner anrührenden Geschichten. An Ruhestand denkt Oleg Popow nicht.

Publikumsbeifall hält ihn jung. Daher denkt Oleg Popow trotz seines fortgeschrittenen Alters nicht im entferntesten ans Aufhören: «Solange ich denken kann und solange meine Beine laufen und sich meine Arme bewegen lassen, will ich Clown sein», erzählt er in seiner Wohnung in der Fränkischen Schweiz. Über Popows Energie wundern sich auch seine Zirkus-Kollegen. Schließlich wurde der ganz Große unter den Zirkus- Clowns dieser Welt 2010 80 Jahre alt – ein Alter, in dem andere schon seit 20 Jahren im Ruhestand sind.

Die Strapazen auf den monatelangen Tourneen steckt Popow noch immer locker weg. «Das bin ich gewohnt. Zirkusleute sind das ganze Leben auf Reise», sagt er und wischt so Fragen nach seiner Belastbarkeit beiseite. Über die Gesundheit mache er sich keine Gedanken. Er habe Zeit seines Lebens eine eiserne Gesundheit besessen ­ und dass trotz des unsteten Zirkuslebens mit unregelmäßigem Schlaf und sehr unregelmäßigen Mahlzeiten. Ein Geheimnis für seine Fitness im Alter habe er nicht. Dann fällt ihm doch noch was ein: «Wenn ich Ihnen einen Ratschlag geben darf: Ein Leben mit Humor und eine positive Lebenseinstellung trägt sicher zu einem langen Leben bei.»

Markenzeichen

Auch an Popows Markenzeichen hat sich in seinem mehr als 50-jährigen Clownleben nichts geändert. Mit seiner schwarz-weiß karierten Ballonmütze und der schlichten Moral seiner anrührenden Geschichten begeistert er noch heute sein Publikum. Berühmt wurde er vor allem mit dem von ihm geschaffenen neuen Clowntyp, der sich an Charlie Chaplin orientiert. Die subtilen Pointen trugen ihm unter Kennern bald den Ruf des «Zirkus-Poeten» ein. «Sein Humor ist naiv, sanft und verträumt. Bosheit oder Grausamkeit kennt er nicht», urteilte etwa der Pantomime Marcel Marceau über Popows Auftritte.

Popow kommt bis heute ohne Klamauk aus. Er setzt stattdessen auf Situationskomik, lässt das Publikum mit ihm und nicht über ihn lachen ­ etwa wenn er in der Zirkusarena Sonnenstrahlen «einfängt», um sie anschließend im Publikum «auszuschütten». Schminke setzt Popow nur sehr sparsam ein. Unter seiner karierten Mütze und seinen semmelblonden Haaren, mit denen er an die russische Märchengestalt des «Ivanuschka» erinnert, wird immer auch der Mensch Popow sichtbar.

Setzer bei der «Prawda»

Popow selbst kam über Umwege zur Clown-Karriere. Der 1930 in Witrubowo bei Moskau geborene Russe hatte zunächst eine Ausbildung als Setzer bei der Zeitung «Prawda» begonnen. Bei einer sportlichen Jungarbeiter-Vorführung wurden Lehrer der staatlichen Zirkusschule auf ihn aufmerksam und empfahlen ihm eine Artisten-Ausbildung. Die ersten Jahre trat er als Schlappseiltänzer und Jongleur auf, bis er für den berühmten sowjetischen Clown Karrandasch einspringen musste ­ sein improvisierter Auftritt wurde zum überraschenden Publikumserfolg.

Der Ruf an den weltberühmten Moskauer Staatszirkus, den er später über viele Jahre lang selbst leitete, folgte umgehend. Ein Gastspiel in der belgischen Hauptstadt Brüssel weckte bald auch das Interesse des Westens an Popow. Im politischen System der früheren Sowjetunion spielte Popow eine zwiespältige Rolle: Einerseits wurde er als hochdekorierter Volkskünstler gefeiert, andererseits leistete er sich bei seinen Auftritten immer auch Parodien auf ordensbehängte Sowjetpolitiker. Nach dem Fall der Mauer trat er fast nur noch im Westen auf. Seit der Hochzeit mit seiner Mitarbeiterin Gabrielle Lehmann 1992 lebt Popow in einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Nürnberg.