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Bahn angeklagt

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Zwölf Menschen erstickten im Rauch, als im November 2002 im Schlafwagen Paris-München ein Feuer ausbrach. Nun beginnt in Frankreich der Prozess. Die französische und die deutsche Bahn sind angeklagt.

Panik im Schlafwagen: Rauch quillt aus dem Dienstabteil des Zugbegleiters, ein Feuerlöscher fehlt, die Notfallhämmer zum Einschlagen der Fensterscheiben sind nicht auf den ersten Blick zu sehen. Bei dem verheerenden Brand im Nachtzug D261 von Paris nach München sterben im November 2002 zwölf Menschen, unter ihnen auch drei Deutsche. Von diesem Montag an soll ein Gericht im ostfranzösischen Nancy die Schuldfrage klären. Angeklagt sind neben dem deutschen Zugbegleiter auch die französische Bahn SNCF und die Deutsche Bahn. Letztere will auf Freispruch plädieren.

Mehr als acht Jahre dauerten die Ermittlungen. Es gab zahlreiche Hypothesen über die Ursachen des Unfalls. Die französische Bahn untersagte zeitweise den Einsatz deutscher Schlafwagen auf ihren Strecken. Die Frage, ob die Sicherheitsbestimmungen eingehalten wurden oder nicht, ist nicht einfach: Es handelte sich um einen deutschen Schlafwagen auf Gleisen in Frankreich. In beiden Ländern gelten in manchen Details unterschiedliche Regelungen. «Eine Verkettung tragischer Umstände», sagte ein Bahn-Sprecher kurz vor Prozessbeginn.

Die Darstellung der DB

Nach Darstellung der Deutschen Bahn spielte sich in der Unglücksnacht um kurz nach zwei Uhr morgens Folgendes ab: Der Zugbegleiter hatte eine Tasche auf einer eingeschalteten Herdplatte in seinem Dienstabteil abgestellt. Darüber hing eine Uniform über einem Türstopper. Die Kleidung aus Kunstfasern fing schnell Feuer. Die Klimaanlage tat ein Übriges, dass sich die Flammen rasend schnell ausbreiteten.

Der Zugbegleiter, der sich zu der Zeit auf einer Liege im Gang ausgestreckt hatte, lief in Panik und mit brennenden Haaren los, um den Zugchef zu finden. Dieser habe ihm bei Abfahrt des Zuges weder sein Abteil genannt noch die Handynummer gegeben, betont die Bahn.

Stromversorgung unterbrochen

Der Zug kam kurz hinter Nancy zum Stehen, weil das Bahnhofspersonal bei der Durchfahrt die Flammen bemerkt und die Stromversorgung des Zuges unterbrochen hatte. Als die Feuerwehr eintraf, waren zwölf Menschen bereits an Rauchvergiftung gestorben. Einige andere hatten sich durch eingeschlagene Fenster retten können. Die meisten Passagiere in den anderen Waggons erfuhren erst nach ihrer verspäteten Ankunft von dem Drama.

Die Franzosen hatten an dem deutschen Schlafwagen aus dem Baujahr 1964 einiges auszusetzen: So waren die Türen des Wagens von innen verriegelt gewesen. Das habe die Rettung erschwert, hieß es später. Die Deutsche Bahn argumentiert, dass dies üblich gewesen sei, um blinde Passagiere zu verhindern. Der französische Zugchef, der für die Sicherheit des Zuges in Frankreich zuständig war, habe dies gewusst und nichts daran auszusetzen gehabt.

Fehlender Feuerlöscher

Zudem habe ein Feuerlöscher gefehlt, lautet ein weiterer Vorwurf. Der sei aber zwei Tage vor Abfahrt noch dagewesen, hält die Bahn dagegen. In Schlafwagen würden häufiger Feuerlöscher gestohlen. Die Nothämmer hätten in den Spiegelschränken gehangen – aber der sei mit einem viersprachigen Hinweis versehen gewesen. Es habe sogar mehr Hämmer gegeben als offiziell vorgeschrieben, betont die Bahn.

Im Fall einer Verurteilung wegen Mittäterschaft bei fahrlässiger Tötung drohen dem Zugbegleiter bis zu fünf Jahre Haft. Die Bahn und die SNCF müssten eine Geldstrafe von je 250.000 Euro zahlen – keine große Summe für die Unternehmen der Imageschaden wäre schlimmer. Der Prozess soll zwei Wochen dauern. Das Urteil wird erst später verkündet.