Die japanischen Katastrophenmeiler drohend zunehmend außer Kontrolle zu geraten: Erstmals wurde bei einer Explosion der innere Schutzmantel eines Reaktors in der Anlage Fukushima Eins beschädigt, die Strahlenmesswerte schossen in die Höhe. Der AKW-Betreiber Tepco sprach von einer «sehr schlimmen» Lage. In der Hauptstadt Tokio wurden bereits erhöhte Strahlenwerte gemessen, die Menschen reagierten zunehmend panisch auf das Geschehen.
" class="infobox_img" />Japans Ministerpräsident Naoto Kan ist die Sorge um sein Land im Gesicht geschrieben, als er zur Pressekonferenz am Dienstag erscheint (Bild: dpa)
Flugverbot über Unglücks-Reaktoren
Nach einer weiteren Explosion im japanischen Krisen-Atomkraftwerk Fukushima ist der Luftraum über der Anlage gesperrt worden. Für einen 30-Kilometer-Radius über den Reaktoren gelte eine Flugverbotszone, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo am Dienstagmittag (Ortszeit) unter Berufung auf die Regierung.
Gründe für die Einrichtung der Flugverbotszone wurden zunächst nicht genannt.
Die Behörden fürchteten, dass die Zahl der Toten nach Erdbeben und Tsunami bei mehr als 10 000 liegt. Die französische Atomsicherheitsbehörde (ASN) stufte den Störfall auf die zweithöchste Stufe 6 der bis 7 reichenden internationalen Skala ein. Stufe 7 wurde bisher nur vom Unglück in Tschernobyl erreicht. Die Katastrophe hatte mit der Beschädigung des Schutzmantels in Block 2 in der Nacht zum Dienstag eine neue Dimension erreicht. Die noch ausharrenden 50 Tepco-Mitarbeiter am Kraftwerk müssten wegen der hohen radioaktiven Belastung in den Kontrollräumen abgezogen werden, gab der Konzern bekannt.
Gesundheitsgefährdende Werte
Die radioaktive Strahlung im Umkreis des Unglücks-Kraftwerks erreichte gefährliche Werte. «Wir reden jetzt über eine Strahlendosis, die die menschliche Gesundheit gefährden kann», sagte Regierungssprecher Yukio Edano. In einzelnen Bereichen des Kraftwerks wurden nach seinen Angaben 400 Millisievert gemessen – dies übersteigt den Grenzwert der Strahlenbelastung für ein Jahr um das 400-Fache, schrieb Kyodo.
Ministerpräsident Naoto Kan rief die Bevölkerung in den Evakuierungszonen um die beiden Atomkraftwerke von Fukushima eindringlich auf, sich in Sicherheit zu bringen. Die meisten Bewohner hätten diese Aufforderung bereits befolgt, sagte er. Geräumt werden solle ein Umkreis von 20 Kilometern um Fukushima Eins und 10 Kilometer um Fukushima Zwei. In einer Entfernung von 20 bis 30 Kilometern um Fukushima Eins sollen die Einwohner ihre Häuser nicht verlassen.
Löcher in der Reaktorwand
Im Block 4 klafften am Dienstag nach einer Explosion in der Außenwand des Reaktorgebäudes zwei acht Quadratmeter große Löcher, berichtete die Nachrichtenagentur Jiji. Die Kühlung drohte auszufallen. Die Brennstäbe könnten das noch vorhandene Kühlwasser verdampfen lassen, teilte die Agentur Kyodo unter Berufung auf den Betreiber Tepco mit. Zur Brandursache gab es zunächst keine Angaben.
Nach Angaben der Regierung ist mittlerweile in drei der vier betroffenen Reaktorblöcke eine Kernschmelze möglich. In Japan wächst die Kritik an der Informationspolitik des Betreibers Tepco und der Regierung. Über den genauen Zustand der beschädigten Meiler in Fukushima gab es weiter kaum Angaben.
Kühlung aufrechterhalten
Im Block 1 hatte es bereits am Samstag, in Block 3 am Montag eine Wasserstoffexplosion gegeben. In beiden Fällen wurde das äußere Gebäude zerstört, der innere Reaktormantel (Containment) sei dort aber unbeschadet geblieben. Es gelte jetzt, die Kühlung aufrechtzuerhalten, sagte Edano. Die Katastrophe ist Folge des gigantischen Erdbebens und des Tsunamis vom vergangenen Freitag.
Auch in der 35-Millionen-Metropole Tokio wurden mittlerweile erhöhte Strahlenwerte gemessen. Die Belastung sei um das 22-Fache höher als üblich, berichtete der Fernsehsender NHK. Medien gaben Tipps für den Schutz vor radioaktiver Verstrahlung, immer mehr Menschen machten sich aus Angst in den weiter von den Unglücksmeilern entfernten Süden auf. Der Wind drehte wieder Richtung Pazifik. Damit sank zunächst die Gefahr, dass große Mengen radioaktiver Partikel über bewohnten Gebieten niedergehen.
Das Erdbeben der Stärke 9,0 und der folgende Tsunami hatten am Freitag weite Teile des Landes verwüstet. Am Dienstag erschütterten zwei schwere Nachbeben der Stärke 6,3 und 6,4 das Land.
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