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Peter Sodann wird 75

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Theatermacher in der DDR, "Tatort"-Kommissar, Polit-Aktivist für die Linke. Mit 75 Jahren treibt Peter Spdann ein anderes Projekt um: Eine DDR-Bibliothek.

Er ist einer der (wenigen) ostdeutschen Kulturschaffenden, die es nach der Wende auch im Westen zu großer Bekanntheit gebracht haben. Diese Popularität hat Peter Sodann vor allem zwei Säulen seines Schaffens zu verdanken: Dem «Tatort» und der Politik. In der ARD-Krimireihe war er 15 Jahre lang als Kommissar Bruno Ehrlicher auf Verbrecherjagd, in der Politik ist er seit Jahren für die PDS Linkspartei /Linke aktiv, zuletzt 2009 als Kandidat fürs Bundespräsidentenamt. Im Moment, rund um seinen 75. Geburtstag an diesem Mittwoch (1. Juni), treibt ihn aber vor allem eines um: Das literarische Erbe der DDR, gesammelt in der Peter-Sodann-Bibliothek.

In einem früheren Kuhstall im sächsischen Örtchen Staucha lagern eine halbe Million Bücher, die zwischen 1945 und 1989 im Osten Deutschlands erschienen sind. Es ist Sodanns Sammlung, wohl einmalig in der Welt. Er will daraus eine «Bibliothek des Ostens» aufbauen, quasi als kulturelles Gedächtnis Ostdeutschlands.

Mit Büchern aufgewachsen

Sodann, am 1. Juni 1936 in Meißen geboren, wuchs im sächsischen Dörfchen Weinböhla auf – und mit Literatur aus Ostdeutschland. «Mein Leben ist mit Büchern verbunden», sagte er kürzlich zur Vorstellung seiner Bibliothek. Und warum sammelt er ausgerechnet Ost-Literatur? Er wolle eine Antwort haben, wenn seine Enkel irgendwann fragen: «Opa, was hast du denn eigentlich gelesen?»

Das Projekt passt zu Sodann, der sich stets um Kultur und Bildung in der DDR bemüht hat – und dabei auch schmerzliche Erfahrungen machen musste. Nach einer Werkzeugmacherlehre studierte Sodann an der Theaterhochschule Leipzig. Nebenbei leitete er das Kabarett «Rat der Spötter», das 1961 aufgelöst wurde. Wegen staatsfeindlicher Hetze wurde Sodann verhaftet, vom Schauspielstudium ausgeschlossen und saß neun Monate in Haft. Später wurde er von der Stasi bespitzelt.

Sein eigener Weg

Das hielt ihn aber nicht davon ab, konsequent seinen Weg weiterzugehen. Über Engagements am Berliner Ensemble sowie an Bühnen in Erfurt, im heutigen Chemnitz und in Magdeburg kam er nach Halle, wo er Anfang der 80er sein Lebenswerk aufbaute: Das «neue theater». Aus einem heruntergekommenen DDR-Kino machte Sodann als Intendant eine deutschlandweit einzigartige Kulturinsel mit mehreren Spielstätten. Anerkennung fand der einst Eingesperrte dann noch in der späten DDR: 1986 erhielt er den Nationalpreis des Landes.

Kaum war die Wende da, bot sich für Sodann die Chance, als ostdeutscher Schauspieler gesamtdeutsch zu wirken. Sein «Tatort» – zunächst aus Dresden, dann aus Leipzig – gehörte zu den langlebigsten: Immerhin 45 Folgen lang ermittelte Sodann als Ehrlicher. Dabei schienen sich Person und Rolle stark zu überlagern. Kommissar Ehrlicher wurde von Fans häufig beschrieben als ein unauffälliger Einzelgänger, mürrisch, aber im Innern sensibel und gutmütig. Sodann liebt es ebenfalls schlicht; der große Auftritt, die ausladende Geste sind nicht seins. In Interviews sagt er gern geradeheraus, was er denkt, Fehlinterpretationen inklusive.

Politische Ambitionen

So war das auch bei seinen politischen Ambitionen: 2005 wollte er als Parteiloser für die PDS zur Bundestagswahl antreten, kurz darauf zog er seine Kandidatur aber zurück, weil er sonst auf seine «Tatort»-Rolle hätte verzichten müssen. 2009 trat er dann als Linke-Kandidat für das höchste Staatsamt an – gegen Horst Köhler und Gesine Schwan. Das brachte ihm von vielen Fans Bewunderung, löste aber mindestens ebenso viel Kopfschütteln aus – wozu auch seine Interviews beitrugen: «Sozialismus oder so etwas Ähnliches» würde er gern aufbauen, sagte er einmal. Was ist so ähnlich? «Wo die Menschen alle gleich sind», sagt Sodann. «Das klingt jetzt auch wieder primitiv», fügt er hinzu.

Und das ist dann wohl auch wieder typisch Sodann: Je einfacher er sich ausdrückt, desto größer die Chancen, dass ihn jeder in der Bevölkerung versteht, glaubt er. Er selbst versteht sich nämlich nicht als großer Krimi-Kommissar, als Theater-Zampano oder als politische Kämpfernatur – er selbst sieht sich wohl eher als Mann des Volkes.