Mittwoch17. Dezember 2025

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Die Leoparden sind in ihrem Revier

Die Leoparden sind in ihrem Revier
(Roland Miny)

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Alles ist bestens im Team Leopard-Trek zwei Tage vor Beginn der Tour de France. Die Mannschaft, die im selben Hotel logiert wie Saxo Bank und Ag2r, trainierte am Mittwoch auf der Zeitfahrstrecke.

Die Jagd ist eröffnet! Seit der Nacht zu Mittwoch sind „die Leoparden“, wie sie im Radsportjargon genannt werden, in ihrem Revier. Nach der Mannschaftsvorstellung auf dem „Knuedler“, wo die Fahrer wie weiland die Soldaten, die in den Krieg zogen, von ihren Angehörigen und Supportern verabschiedet wurden, flogen sie in einer zweimotorigen Maschine mit nur 19 Sitzplätzen von Luxemburg nach Nantes.

Die fast zwei Stunden in der Luft verliefen mehr als unruhig. Alle waren heilfroh, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten. „Had a shitty (besch…) flight“, meinte beispielsweise Frank Schleck noch am selben Abend über Twitter. „We lost around 100 feet during the flight.“ Ein „Riesen-Luftloch“, wie man so schön sagt. „Wir müssen landen, wir müssen landen“, flehte Sportdirektor Torsten Schmidt. Gestern Nachmittag gestand er ganz ehrlich ein, dass Fliegen durch Unwetter in einer kleinen Maschine definitiv nicht seine Sache sei.

Am „Schwalbenberg“

Vom Flughafen Nantes Atlantique reiste das Team mit dem Bus nach Les Herbiers, wo es gegen Mitternacht Quartier im „Hôtel-Restaurant Aloé“ bezog. Idealer könnte die Mannschaft nicht wohnen. Das Drei-Sterne-Hotel liegt in der rue de Cholet, direkt am Ausgang der mit 16.000 Einwohnern eher kleinen Ortschaft. Die Straße führt zum Mont des Allouettes, dorthin also, wo die Ankunft der ersten Etappe gewertet wird.

Im Drei-Sterne-Haus der „Leoparden“ logieren auch das Ag2r-Team, das schon am Dienstagnachmittag angereist war, und die Saxo-Bank-Mannschaft von Bjarne Riis und Alberto Contador, die gestern Abend Quartier bezog. Spontan fällt einem da ein, dass Contador und Schleck auch letztes Jahr ab und zu im selben Hotel waren. Beispielsweise im Novotel in Pau-Lescar, wo Alberto sich auf dem Bus-Parking das berüchtigte aus Spanien importierte Clenbuterol-Steak in die Pfanne legen ließ. „A wann s de net geess!“ Vom Hotel in Les Herbiers bis zum Gipfel des „Schwalbenbergs“ ist es nicht einmal einen Kilometer weit. Die Straße schlängelt sich nach oben, der Anstieg scheint aber nicht so schwer zu sein, wie die Organisatoren dies anlässlich der Tour-Vorstellung in Paris verkaufen wollten. Oben auf dem Berg wurden einst sieben Windmühlen gebaut; drei haben bis heute überlebt. Es gibt dort auch eine kleine Kapelle aus dem 19. Jahrhundert und, wie könnte es anders sein für ein Ausflugsziel, ein Bistro-Restaurant.

Spartacus-Vëlo

Für Frank oder Andy Schleck ist die Steigung zum Mont des Alouettes zu kurz und nicht steil genug. Einem Fahrertyp wie Philippe Gilbert passt sie dagegen wie die Faust aufs Auge. Eventuell könnte sogar ein Tempobolzer à la Fabian Cancellara ein Wörtchen mitreden, wäre da nicht tags darauf das Mannschaftszeitfahren über 23 km programmiert. Und da muss „Canci“ bekanntlich Lokomotive spielen. Diesem Mannschaftszeitfahren gilt die besondere Beachtung des Leopard-Trek-Teams. Für gestern Morgen war ein Sondertraining auf dem Rundkurs in Les Essarts angesetzt, der 20 km vom Hotel entfernt liegt. Um 11.00 Uhr sollten die Fahrer sich auf den Weg machen, um die besonderen Abläufe, die ein solcher Wettbewerb von jedem der neun Teilnehmer verlangt, in die Praxis umzusetzen.

Kim Andersen und seine Truppe mussten sich gedulden, denn schon am Morgen warteten verschiedene Fernsehsender aus Italien, Dänemark und Deutschland auf die Mannschaft, in deren Reihen ja mindestens ein Hauptanwärter auf den Toursieg steht.

Cancellaras Zeitfahrmaschine

Nicht so sehr Andy oder Frank Schleck aber standen im Mittelpunkt des improvisierten Pressetreffs, sondern Fabian Cancellaras neue Zeitfahrmaschine, die speziell für den mehrfachen Weltmeister entwickelt wurde. Das Prachtstück ist ganz in Schwarz gehalten, ein roter Streifen schmückt den Sattel, oben auf dem Rahmen prangt der Name „Spartacus“, etwas darunter die Schweizer und die Weltmeisterflagge, und daneben der Name Fabian Cancellara.

Mit gut einer halben Stunde Verspätung ging es nach Les Essarts, wo das Team auf dem Zeitfahrkurs drei Runden à 23 km drehte. Zwischendurch versammelte man sich auf dem Parkplatz und diskutierte die Wechsel durch. „Das Ganze muss harmonisch ineinander fließen“, sagte Cancellara immer wieder und machte dabei Armbewegungen wie Georges Prêtre beim Dirigieren der Wiener Philharmoniker.

„Essen auf Rädern“

Ansonsten war volle Konzentration auf dem „Circuit“ angesagt. Die Strecke war nicht gesperrt, so dass der vor dem Team fahrende Leopard-Wagen auf den Gegenverkehr achten und diesen nach Bedarf warnen musste. Außer den Leoparden trainierten auch die Teams von Omega Pharma-Lotto, Cofidis, RadioShack und Ag2r in Les Essarts.
Luxemburg hat die kleine Stadt in der Vendée (5.000 Einwohner) in bester Erinnerung, denn 1956 gewann Charly Gaul hier die erste Halbetappe der vierten Etappe, ein Einzelzeitfahren über 15,075 km. Und Jempy Schmitz klassierte sich damals als Fünfter. „Die Strecke ist sehr schön“, meinte Sportdirektor Torsten Schmidt. „Sie ist flach und windgeschützt. Wir haben einige Sachen ausprobiert. Das Ganze ist harmonisch abgelaufen.“

An alles ist gedacht bei den „Leoparden“. Gestern Abend sollte der neue, supermoderne Küchenbus in Les Herbiers eintreffen, so dass die Mannschaft nicht mehr im Hotel zu essen braucht. Am Herd steht Nikki Strober, ein emsiger Mann, der vor Jahren bei den Weltmeisterschaften der jungen Köche den Titel holte. Er soll aber nicht nur die für Radfahrer obligaten Spaghetti auftischen, sondern auch andere Köstlichkeiten zubereiten. Eine seiner Spezialitäten ist anscheinend der „Coq au vin“.

Wir wünschen guten Appetit!