Im römischen Trastevere sind die Menschen stolz auf ihr Zuhause: Sie fühlen sich als etwas Besonderes. Von «trans Tiberim», jenseits des Tibers, leitet sich der Name ihres Viertels ab. «Noantri» – wir anderen – nennen sich die Trasteverini. Stolz feiern sie ihr «Anderssein» jedes Jahr im Juli mit dem gleichnamigen Volksfest. Dieses wird allerdings – wie Trastevere im Allgemeinen – längst nicht mehr nur von den Einwohnern geliebt: Auch Touristen und Ausländer haben das ehemals ruhige Viertel für sich entdeckt und in eine Sehenswürdigkeit verwandelt.
Noantri? Trastevere, ursprünglich und besonders? Gian Carlo D’Ascenzi macht nur eine wegwerfende Handbewegung. Das war einmal. «Vor 20 oder 30 Jahren vielleicht», meint der Künstler, der am Rande der zentralen Piazza des Viertels sein Atelier hat. «Hier hat sich alles an die Touristen angepasst, die Preise für Miete und Essen etwa», sagt der 71-Jährige.
Italien «wie gemalt»
Die Mieten für Geschäfte und Wohnungen haben sich in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. Damit ist Trastevere allerdings in Rom auch kein Einzelfall. D’Ascenzi kann den Touristenmassen auch Positives abgewinnen: So mancher Gast werfe schließlich auch einen Blick auf seine Bilder.
Italien «wie gemalt» lässt sich an manchen Ecken in Trastevere tatsächlich noch entdecken. Ein Haus mit klapprigen Fensterläden, ein Vorhang aus Grünzeug verbindet es mit der Fassade gegenüber. Vor den Fenstern schaukeln frisch gewaschene Unterhosen. Ein französisches Ehepaar spaziert vorüber. Beim Blick in die enge Gasse zückt der Mann die Kamera. Die Gassen rund um die Piazza Santa Maria, das Herzstück des Viertels, strahlen trotz fleckiger Mauern und so manchem Grafitti etwas Herausgeputztes aus.
«Viel zu viele Ristoranti»
Zwischen die gemütlichen Lokale aber haben sich Luxusläden aller Art gedrängt. Auf der Straße wartet ein Vietnamese mit Handtaschen auf Käufer. Vor dem Portal der Kirche hat sich eine Frau mit ihrer Tochter niedergelassen und bettelt. Der Konkurrenzdruck wächst.»Viel zu viele Ristoranti» gibt es mittlerweile, wenn es nach Bruno geht. Er führt sein Lokal jenseits des Tibers seit 42 Jahren.
In diesen Tagen musste sich Bruno über mangelnde Gäste keine Sorgen machen, denn Trastevere feiert seit Tagen das traditionelle «Noantri». Das Volksfest wurde am 16. Juli mit einer Prozession eröffnet. Dabei trugen die Trasteverini ihre «Madonna fiumarola» (Flussmadonna) durch die Straßen Trasteveres zur Basilika San Crisogono, wo sie noch bis Sonntag bleibt. Die aus Zedernholz geschnitzte Marienfigur wurde der Legende nach einst von Fischern an der Tibermündung gefunden.
«Typisch italienisch»
Schon bei der Prozession ging es – wie alle Jahre wieder – «typisch italienisch» zu: ein bisschen katholisch, ziemlich bunt und sehr laut. Aber damit nicht genug. Über eine Woche folgt an den Abenden weltliches Vergnügen. «Überall wird Musik gespielt, Straßenkünstler sind zu bewundern bis tief in die Nacht, einfach Klasse», kommentierte Sabine aus Österreich, die seit vergangenem Samstag bei der Party des «anderen» Rom mitmacht.
Anlässlich des Festes erinnert sich auch mancher wehmütig an die alten Zeiten und spricht schon mal mit gerunzelter Stirn von den Touristen. Wirklich klagen möchte aber niemand. «Man muss ja von was leben – und wenn es die Touristen sind, schicken wir sie sicher nicht weg», sagt Alessandro, Inhaber eines Schmuckgeschäfts. Früher sei Trastevere auch ein Viertel von Kriminalität und Drogenhandel gewesen. «Das hat sich geändert. Heute sind wir beliebt. Man muss auch die positiven Neuerungen sehen.»
An einem Noantri-Abend könne man gut den Wandel spüren, aber auch feststellen, dass auch das ursprüngliche, «andere» Trastevere trotz der Veränderungen erhalten blieb. Es wird Spanferkel gegessen, es gibt Wein und Musik und die Trasteverini stellen ihre Stühle für einen Plausch vor die Hauseingänge. Ohnehin gilt: Weggehen würde kaum einer von ihnen.
Zu Demaart












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