New York ist nur angeblich die Stadt, die niemals schläft. Am frühen Freitagmorgen war auch in der Millionenmetropole das öffentliche Leben auf das Notwendigste beschränkt. Kaum Autos und noch weniger Fußgänger waren unterwegs. Einige U-Bahnstationen sind so früh noch verschlossen, und selbst die gewaltige Fahne am Lincoln-Tunnel, der Hauptverkehrsader unter dem Hudson-Fluss, wirkt müde, so gemächlich flattert sie. Die New Yorker reagieren unaufgeregt auf Terrorwarnungen und den zehnten Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001. Und doch sind die Gedanken daran allgegenwärtig.
«Gedenkt der Opfer von 9/11» heißt es auf Anzeigentafeln am New Yorker Busbahnhof. Etwas später leuchtet die Warnung auf: «Wenn Sie ein verdächtiges Gepäckstück oder eine verdächtige Handlung sehen, verständigen Sie einen Polizisten.» Der Hinweis ist allgegenwärtig, aber neu ist das nicht. Die New Yorker haben sich daran gewöhnt und begegnen der ständigen Gefahr, so es sie denn gibt, mit der für ihre Stadt typischen Mischung aus Gelassenheit, Toleranz und Ignoranz.
«Unbestätigte Informationen über Bedrohung»
US-Medien hatten berichtet, dem Heimschutzministerium in Washington liege «eine spezifische, glaubhafte, aber unbestätigte Information über eine Bedrohung» vor. «Es gibt glaubhafte Informationen, dass Terroristen einen Plan ausgeheckt haben», sagte New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg in der Nacht zum Freitag bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz.
Und auch der Gouverneur des Staates, Andrew Cuomo, mahnte zur Vorsicht: «Es gibt Berichte über eine terroristische Bedrohung gegen New York oder Washington.» Alle New Yorker sollten vorsichtig und aufmerksam sein. «Aber trotzdem gibt es keinen Grund zur Panik oder dass unser Freiheitswille gedämpft wird, wenn wir an diesem Wochenende die Ground-Zero-Gedenkstätte eröffnen.»
Wenn, dann eine Autobombe
Von einem neuerlichen Anschlag wie vor zehn Jahren sind die Warnungen aber weit entfernt. Von einer Autobombe ist die Rede, und CNN meldet, dass sich die Ermittlungen offenbar auf drei Personen konzentrieren, die kürzlich in das Land gekommen seien. Sie könnten einen Anschlag auf die Brücken und Tunnel geplant haben.
Die großen Tunnel und die sieben Brücken über und unter Hudson und East River waren in den vergangenen Jahren «gehärtet» worden. Für 850 Millionen Dollar (610 Millionen Euro) bekamen die Tunnel einen Mantel und die Brücken Verstärkungen. Eine spezielle Metalllegierung soll dafür sorgen, dass sich Terroristen an den Hauptschlagadern des New Yorker Verkehrs die Zähne ausbeißen. Ob es funktioniert, weiß keiner. «Ist zehn Jahre her», sagt der Fahrer eines Überlandbusses vor dem Lincoln-Tunnel knapp. «Und trotzdem, immer wieder ein komisches Gefühl, hier reinzufahren.»
Mehr Kontrollen, mehr Misstrauen
Bei aller Gelassenheit: Die New Yorker und ihre Gäste müssen sich an diesem Wochenende mehr Zeit für das Reisen nehmen. Mehr Sprengstoffsuchhunde, mehr Polizisten mit Sturmgewehr, Helm und Splitterschutzweste, mehr Kontrollen, mehr Misstrauen, mehr Nervosität. «Verdammt, warum hat sich meine Freundin nur dieses Wochenende für eine Begegnung in New York ausgesucht», stöhnt ein Reisender aus Montreal. Und ein New Yorker brummt zurück: «Ich wäre auch lieber an einem anderen Wochenende nach Hause gekommen.»
Während beide klagen, leuchtet draußen wieder die Schrift auf, wieder mit einem Spruch, der die New Yorker seit Jahren zur Wachsamkeit mahnen soll: «If you see something, say something» – «Siehst Du etwas, sag etwas». So richtig achtet keiner mehr darauf.
Zu Demaart
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