Jamyi J. Witch war eine Vorreiterin im US-Bundesstaat Wisconsin – und als sie ihr Amt antrat, sorgte sie erstmal für einen Skandal. Denn die Seelsorgerin war Ende 2001 die erste Geistliche, die in einem Gefängnis angestellt wurde. Die heute 52-Jährige setzte sich damals gegen neun Mitbewerber durch, obwohl sie den Wiccanern angehört. Die Anhänger der Naturreligion glauben beispielsweise an Magie. So sagte Witch, ihr Nachname komme nicht von ungefähr: Sie änderte den Namen in «Hexe», weil sie eine sei.
" class="infobox_img" />Jamyi Witch beim Polizeifotografen von Winnebago County.
Insbesondere der Republikaner Scott Walker versuchte, die Nicht-Christin wieder aus dem Amt zu drängen. «Witchs Anstellung macht mir sowohl persönlich als auch politisch Sorgen. Sie praktiziert eine Religion, die die Anhänger anderer Glaubensrichtungen beleidigt – inklusive Christen, Juden und Muslimen», sagte er laut «Church & State». Parteikollege Michael Huebsch pflichtete bei: «Steuerzahler sollten nicht gezwungen werden, einen solchen Hokuspokus zu akzeptieren», zitierte ihn die «Los Angeles Times». Für ihr Gehalt von jährlich 32 500 Dollar musste sie vor zehn Jahren einiges einstecken.
Das vermeintliche Martyrium
Nachdem die Medien Lunte gerochen hatten, entbrannte eine hitzige Diskussion über Witch, die sogar Morddrohungen bekam. Die Episode ging als «Hexenjagd von Wisconsin» in die Geschichtsbücher ein und endete für Witch glücklich, weil sie weiter im Gefängnis von Oshkosh arbeiten durfte. Zumindest sah es bis zum 10. August 2011 so aus, denn an diesem Tag widerfuhr der Frau scheinbar ein schlimmes Unglück: Bei einer Geiselnahme wurde sie von einem Häftling in ihrem Büro eingesperrt und sexuell belästigt. Nach einer Stunde konnten die Wachen den Täter zum Öffnen der Tür bewegen, indem sie ihm Frühstück versprachen, berichtet «The Northwestern».
Zwölf Tage lang gingen die Behörden von einem Martyrium der Seelsorgerin aus, doch am 22. August klingelte bei der Polizei von Oskosh das Telefon. Der vermeintliche Kidnapper war in ein anderes Gefängnis verlegt worden und hatte einen Brief an seine Mutter geschrieben, den Wärterin Judy Smith abfing. Der Inhalt taucht den Fall in ein ganz neues Licht: Der Häftling schrieb, er kenne Witch seit Jahren und habe die Geiselnahme gemeinsam mit ihr geplant, damit sie beide aus Oskosh verlegt werden. Der Verbrecher hatte offenbar Probleme mit seinen Zellengenossen, die Geistliche wollte wegen Ärger mit Kollegen weg.
Witch drohen 58,5 Jahre Haft
Witch habe den perfiden Plan selbst ausgeheckt: Der Mann sollte ins Büro kommen, die Tür verrammeln und den Verrückten spielen. Er sollte so tun, als sehe er in der Seelsorgerin seine Mutter. Dann würde sie ihm Schlafmittel verabreichen und schließlich die Wärter hereinlassen. Gesagt, getan – nur der Ablauf änderte sich in der Realität. Als der Beschuldigte vor der Frau stand, habe er sie spontan um Oralverkehr gebeten und sie habe eingewilligt, schrieb der Häftling der Mama. Sobald die Wachen vor der Tür standen, hätten sie das Mutter-Sohn-Rollenspiel vorgegaukelt, bis der Mann Schlaftabletten nahm und Witch ihm Wiegenlieder sang. Am Ende öffnete der dösige Insasse den Wärtern aber selbst die Tür.
Jamyi J. Witch, die die Vorwürfe abstreitet, stand am 2. September selbst vor Gericht. Die Anklage lautet auf sexuelle Belästigung zweiten Grades, weil sie mit einem Häftling Verkehr hatte. Außerdem muss sie sich wegen Drogenabgabe (wegen der Schlafmittel) und zusätzlich wegen der Abgabe illegaler Substanzen an einen Insassen verantworten. Sollte sie verurteilt werden, drohen ihr laut «Northwestern» 58,5 Jahre Haft und 160 000 Dollar Busse. Der Prozess wird am 22. September fortgesetzt.
Zu Demaart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können