Die libysche Revolution ist voll von Geschichten über Menschen, die vor ihrem Eintritt in die Reihen der Rebellen einer ganz anderen Beschäftigung nachgingen. Einer war Pizzaiolo in Stockholm, ein anderer Häftling im Gefangenenlager Guantánamo. Hisham Buhagiar ist von Haus aus Teppichhändler und hofft, sein Geschäft in Tripolis demnächst wieder aufzumachen. Doch vorher muss er Muammar Gaddafi aufspüren. Der inoffizielle Chef-Fahnder koordiniert die Bemühungen der libyschen Übergangsregierung, den flüchtigen Ex-Diktator zu ergreifen. Und er ist offenbar optimistisch, den Job tatsächlich in den kommenden zwei Wochen zu erledigen.
«Wir beobachten ihn, wir wissen, dass er ständig in Bewegung ist», erklärte er gegenüber dem US-Fernsehsender NBC. Buhagiar verfügt über ein Team von 60 Fahndern, welche die Telefone von Gaddafis Leuten abhören und Informationen ihrer Kontaktleute innerhalb der Stämme sowie Hinweise der Bevölkerung auswerten. Der Ex-Diktator bewegt sich offenbar in einem eindrücklichen und damit auffälligen Militärkonvoi im Raum Sabha im Süden Liybens. Den inneren Ring sollen 100 Cousins und Stammesangehörige, den äußeren 300 bis 500 Soldaten einschließlich Söldner bilden. «Wenn er anhält, schließt sich der Kreis, wenn er aufbricht, öffnet er sich», erklärte Buhagiar dem britischen «Guardian».
In der Wüste gab es keine Revolution
Sogar wenn die Rebellen den genauen Aufenthaltsort des Gesuchten kennen, können sie nicht einfach zuschlagen. «Wir müssen uns mit unseren Verbündeten in den jeweiligen Stämmen absprechen, ansonsten werden wir als Eindringlinge betrachtet», sagte Buhagiar gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Manche Stämme würden Gaddafi so lange die Stange halten, weil er ihnen Land gegeben habe. «Wenn sich das System ändert, fürchten sie, dass wir sie verjagen werden», sagte er.
Ein weiteres Problem ist, dass manche Libyer in der entlegenen Wüstenregion gar nicht mitbekommen haben, dass Gaddafi nicht mehr an der Macht ist. Wenn sie «Revolution» hören, denken sie an den Staatsstreich von 1969, als Gaddafi an die Macht kam. «Viele Menschen wissen nicht, was gerade passiert. Sie haben keine Verbindungen zur Außenwelt. Sie glauben, sie kämpfen gegen Kreuzfahrer», sagte Buhagiar gegenüber dem «Guardian».
«Vielleicht hängen sie ihn auf»
Buhagiar hat sehr klare Vorstellungen, was passieren wird, wenn seine Leute Gaddafi aufgespürt haben: «Wir müssen ihn schnappen, aber wenn er sich widersetzt, wird er sterben», erklärte er. Doch der Versuch, ihn vor ein Gericht zu stellen, müsse unbedingt unternommen werden. «Das wird der Welt zeigen, dass wir trotz all seiner Verbrechen immer noch Gesetze haben.» Auf eine Frage des US-Fernsehsenders NBC, ob das eine Auslieferung an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einschliesse, relativierte er allerdings: «Vielleicht entscheidet das libysche Volk, ihn zu töten. Vielleicht hängen sie ihn auf oder sperren ihn lebenslänglich ein. Diese Entscheidung obliegt dem libyschen Volk, das er so lange gequält hat.»
Buhagiar hat keine Erfahrung in der Verbrecherjagd. Dass ausgerechnet er mit der delikaten Aufgabe betraut wurde, ist allerdings kein Zufall. Militärisch hat er sich in den Reihen der Rebellen ausgezeichnet und wurde während Kämpfen im Nafusa-Gebirge zweimal verwundet. Noch nützlicher dürfte seine Erfahrung als Teppichhändler sein: Seine Lieferanten kommen aus denselben entlegenen Wüstenregionen und er verfügt über hilfreiche Kontakte zu den Stämmen und ins Ausland.
Inwiefern der Westen in die Jagd auf Gaddafi involviert ist, darüber gibt sich Buhagiar zugeknöpft: «Wir verfügen nicht über die Technik, Satellitentelefone abzuhören», sagte er gegenüber NBC. Andere Länder würden diesbezüglich «aushelfen». Auf die Nachfrage, ob damit die USA, Grossbritannien und die Nato gemeint seien, nickt er wortlos.
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