Nonkululeko Nyembezi-Heita ist nicht glücklich. Sie hat am Ende des dritten Quartals einen Verlust von 460 Millionen Rand verkündet, etwa 46 Millionen Euro. Und: Die Vorstandsvorsitzende von ArcelorMittal Südafrika hat noch tiefgreifende andere Sorgen. Sie muss mit insgesamt fünf toten Mitarbeitern fertig werden, die sie durch Arbeitsunfälle verloren hat. Der Verlust an Produktionszeit stieg von 1,2 Millionen Mannstunden auf 1,8 Millionen Mannstunden.
Der Grund: Bei der Explosion einer Staubzentrifuge entstanden 1,1 Milliarden Rand Schaden (110 Millionen Euro). Hätten nicht andere Werke zugeliefert, wäre der entstandene Schaden bedeutend höher gewesen. Ein 37-jähriger Mann starb dabei. Er war der fünfte Tote nach einem Betriebsunfall.
Südafrika macht in den Webseiten mit ArcelorMittal Furore. Denn nicht nur die Sicherheit der Produktion spielt eine Rolle. Auch die Politik will sich nicht so richtig mit dem privaten Konzern ArcelorMittal anfreunden.
110 Millionen Euro Schaden
Der afrikanische National Congress (ANC), führende politische Kraft im Land, ist dabei, zu bestimmen, was für Südafrika national wichtig ist. Dazu soll auch der Stahl gehören, und dem Kongress ist nun eine Resolution vorgelegt worden, wonach die Stahlindustrie in Südafrika verstaatlicht werden soll. Die erste Fassung ist wegen formaler Mängel noch zurückgewiesen worden. Aber die Frage stellt sich, was aus ArcelorMittal Südafrika wird.
Ein tödlicher Unfall überschattet auch in den USA das Jahr 2011. Der Manager eines Stahlwerkes wollte sehen, warum es irgendwo zischte, als eine Leitung barst, die zu einer Staubzentrifuge eines Hochofens führte. Der Mann wurde durch die Luft geschleudert, seine Haut wurde zu 55 Prozent verbrannt. Er starb zwei Tage später in einem Krankenhaus.
Schwache Nachfrage
Unfälle sind die eine Seite der ersten neun Monate des laufenden Geschäftsjahres. Geprägt wird es aber weltweit von einer schwachen Nachfrage nach Stahl. Die führte letztlich neben dem Produktionsausfall in Südafrika zu den aufgelaufenen Verlusten.
Die weltweit schwache Nachfrage berührt das Geschäft in allen Erdteilen, in denen ArcelorMittal vertreten ist. Das Unternehmen schreitet daher überall zu denselben Mitteln: Herunterfahren von Hochöfen, zeitweise Schließung von Werken, Beurlaubung von Mitarbeitern. Und das gilt bis in ganz kleine Einheiten hinein. In Trinidad Tobago schickte ArcelorMittal 30 Mitarbeiter zeitweise nach Hause.
In Kanada fährt das Unternehmen eine Investition in Höhe von über 500 Millionen US-Dollar zurück. Der leidtragende ist Dofasco, das Unternehmen, das Lakshmi Mittal nach gelungener Übernahme von Arcelor eigentlich an ThyssenKrupp abgeben wollte, es dann aber nicht tat. In Kanada hat der Konzern vor, bis Ende 2013 insgesamt 200 Millionen US-Dollar einzusparen. Es sollen 700 Arbeitsplätze eingespart werden, Überstunden abgebaut und ähnliche Maßnahmen realisiert werden.
Überproduktion
Ob man in den USA noch sieben Hochöfen in Betrieb halten kann, ist dort eine bange Frage. Im Langstahlbereich gab es zwar einen regelrechten Boom und die Auslieferungen stiegen auf 1,19 Millionen Tonnen an, aber im Flachstahlbereich gab es einen Einbruch von 6,5 Prozent bei der Roheisenproduktion.
In den USA gibt es eine deutliche Überproduktion, meldet die Fachzeitschrift Metal Bulletin. Die Zeitschrift zitiert Louis Schorsch, zuständig für Flachstahl in Nord- und Südamerika: „Es gibt eine ‹wait and see›-Mentalität, weil die Lagerbestände noch hoch sind.“
Baustopp
Nicht anders geht es in Brasilien zu. Hier liegen das Wachstum der Wirtschaft und das Wachstum beim Stahlverbrauch unter den Vorhersagen. ArcelorMittal hat daher den Ausbau des Standortes Monlevade gestoppt. Hier fanden 800 Arbeiter während der Bauphase eines neuen Hochofens eine Tätigkeit.
Der Baustopp soll bis ins nächste Jahr hineingehen. Aber auch im Flachstahlwerk in Tubarão in der Nähe von Vitoria sind die Investitionen gestoppt worden. In Brasilien wollte ArcelorMittal ursprünglich 300 Millionen US-Dollar investieren, zu den neuen Anlagen sollte auch eine neue Galvanisierungsstraße mit einer Kapazität von 550.000 Tonnen gehören.
Auslieferungsrückgang
In Europa gibt es einen Auslieferungsrückgang um 10,3 Prozent auf 6,4 Millionen Tonnen im dritten Quartal, ergibt sich aus einer Analyse der Quartalbilanz durch den Fachdienst Steel Briefing. Die Roheisenproduktion fiel um 6,1 Prozent auf 7,4 Millionen Tonnen. In Lüttich stellte ArcelorMittal die gesamte Produktion ein und schloss den Standort.
In Brandenburg wurde ein Hochofen heruntergefahren. Der Hochofen Nr. 3 in Polen, der ursprünglich angehalten werden sollte, darf nun weiterarbeiten, weil Chargen für ein Walzwerk produziert werden müssen.
Beim Eisenerz steigerte der Konzern zwar die Produktion auf 14,1 Millionen Tonnen. Das sind 8,4 Prozent mehr als im Vorjahr und 7,4 Prozent mehr als im Vorquartal. Allerdings macht auch das die Gruppe nicht glücklich. Da in den USA die Nachfrage schwächelt, sinkt der Preis. Für eine Tonne Eisenerz soll es nur noch 450 bis 455 US-Dollar geben, meldet Steel Briefing.
Konzern-Image
Allerdings sieht nicht alles düster aus. In Belgien ist am 18. November bei Industahl in Charleroi mit einer Investition von über 100 Millionen Euro ein Werk zur Herstellung schwerer Platten eingeweiht worden. Hier wird der Spezialstahl für Schiffe hergestellt, für den es Nachfrage geben soll.
Und in Kasachstan hat der frühere britische Premierminister Tony Blair ein Büro seiner Firma eröffnet. Berichten der britischen Presse zufolge soll er daran arbeiten, das Image des Landes und das Image von ArcelorMittal aufzuarbeiten. Das Konzern-Image hat stark gelitten, nachdem es in Kohlegruben zwei schwere Unfälle mit Toten gegeben hatte.
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