Bure ist ein Dorf in der Mitte von Nirgendwo, etwa 200 Kilometer von Luxemburg entfernt, im lothringischen Département Meuse. Auf einem weiten Hochplateau inmitten von Feldern ragen die Gebäude einer Versuchsstation hervor. „Hier“, sagt der Präsident der französischen Organisation für die Behandlung von nuklearem Abfall, Andra gegenüber Tagbelatt.lu, wird geprüft, wie ein Endlager in einer Ton/Mergelschicht aussieht und wie es gebaut sein muss.“ Diese Arbeiten haben in den vergangenen 15 Jahren 1,5 Milliarden Euro gekostet.
Die Entscheidung für Bure ist in den 90er Jahren gefallen. Frankreich ist mit 58 Atomkraftwerken das Land mit der größten Dichte solcher Anlagen in Europa. Allerdings: Wie auch Deutschland besitzt das Land kein Endlager für den atomaren Müll. Zu Beginn der 90er Jahre hatte Frankreich einen Auswahlprozess eingeleitet. Vier Standorte standen zur Verfügung: Zwei in dem Ackerbereich des Départements Meuse, einer im Granitbereich und einer im Schieferbereich. Das Auswahlverfahren französischer Wissenschaftler und Politiker traf den Standort Bure, an dem heute eine unterirdische Versuchslagerstätte gebaut wird.
Internationales Studienobjekt
Die Anlage findet nicht nur Befürworter. In der Region selbst gibt es Widerstand. Und die Deutschen pilgern geradezu nach Bure. Vor der saarländischen Ministerin hat eine Delegation der deutschen Linken Bure besucht und protestiert anschließend im Saarland dagegen, dass Frankreich in Lothringen ein Endlager bauen will. Hatte es 1993 bei der Festlegung auf eine Versuchsanlage in Bure noch geheißen, dass man sich nicht auf ein Endlager an dieser Stelle festlegen wolle, sieht die Situation mittlerweile völlig anders aus. In 494 Meter Tiefe ist ein naturgetreues Mini-Endlager entstanden, in dem „nie strahlendes Material gelagert werden wird“, sagt Präsident Gonnot.
Aus der ursprünglich geplanten Versuchsanlage für Bure ist in den vergangenen 15 Jahren ein internationales Studienobjekt geworden. Über 2.000 Wisssenschaftler aus Europa – in der Mehrheit Geologen, Kernphysiker, Bergbau-Ingenieure – haben die Versuchs-Lagerstätte genutzt, um zu untersuchen, wie sich diese Erdschicht verhält, wie viel Wasser abgepumpt werden muss, wie sich der mit Polyesterfasern versetzte Spritzbeton an den Tonwänden verhält, wo die 4,5 Meter hohen Wände stabilisiert werden müssen und wie letztendlich die Galerien gebohrt werden müssen.
Schweizerisch-belgisches Know-How
Tatsächlich handelt es sich nicht um runde Röhren, sondern um welche „mit Bauch“. Die Röhren sind in den Mitte dicker. In Bure hat es eine intensive Kooperation mit Deutschland gegeben. Ein deutscher Ingenieur hat ein Jahr in Bure gearbeitet. Das deutsche geologische Bundesamt hat immer wieder Teams mit Wissenschaftlern nach Bure geschickt, um zu studieren, wie sich Ton verhält und wie die Anlage geplant wird. Martine Huraut, Pressechefin der Andra in Bure: „Es gibt wohl niemanden in Europa, der jetzt, nach 15 Jahren Arbeit, mehr über Ton weiß als wir. Wobei die Wissenschaftler ehrlich zugeben, dass sie sich die Methodologie für ihre Arbeit in der Schweiz und in Belgien geholt haben.»
Andra, die Organisation für den nuklearen Abfall in Frankreich, hat mit der Zeit in Bure auch gelernt. In der Anfangsphase war die Kommunikation nicht besonders glücklich. Niemand wollte glauben, dass in Bure nur eine Versuchslagerstätte gebaut werden sollte. Andra hat sich daher zu einer völlig offenen Kommunikation entschlossen. „Wenn man hier internationale Wissenschaftler hat, wenn man hier 330 Mitarbeiter hat, dann kann man nichts verstecken. Wenn wir hier Geheimnisse hätten, würden sie schnell bekannt werden und dann wäre unsere Position unhaltbar“, sagt Michel Gonnot, der Andra-Präsident. Also gilt das Prinzip der Offenheit. Um die 2.000 Besucher werden jährlich im Durchschnitt durch das Versuchsendlager gelotst.
Start 2025
Michel Gonnot verheimlicht nicht, dass die Resultate, die das Versuchsbergwerk erzielt hat, überraschend positiv sind. „In der Anfangsphase wussten wir wirklich nicht, wie Ton sich verhalten würde und ob es wirklich in diesem Bereich möglich ist, ein Endlager zu errichten“, sagt der Geologe Marc Antoine Martin. Jetzt scheint das sicher zu sein. Michel Gonnot: „Wir bereiten einen entsprechenden Antrag vor. Er wird im Jahre 2015 gestellt werden. Wenn er genehmigt wird, dann könnte die Einlagerung im Jahre 2025 bis 2030 beginnen.“ Allerdings stellt Gonnot auch klar, dass es zuvor ein formelles Anhörungsverfahren geben wird. „Ohne die Bevölkerung können Sie so etwas heutzutage nicht mehr realisieren“, sagt Gonnot. Das Endlager soll in einiger Entfernung von der Versuchsanlage entstehen.
Der Aufzug fährt langsam, mit einer Geschwindigkeit von 2,5 Metern pro Sekunde von der Ebene Null auf minus 494 Meter. Der Aufzug hört sich an wie ein langsam fahrender Zug von vor 40 Jahren. Regelmäßig macht es „klack, klack“, so wie damals als die Züge über die Gleise ratterten. Zwei Schächte gibt es. Beide sorgen für Frischluft und beherbergen einen Personenaufzug, einen Lastenaufzug und sind für Frischluft zuständig. Beim Ausstieg steht man in 4,5 Meter hohen Gängen. Man steht in einem hohen geschlossenen Raum und merkt im Prinzip nicht, dass man 500 Meter tief in der Erde läuft. Hier wird alles ausprobiert, was später in einem Endlager verwendet werden soll. Michel Gonnot: Aber hier wird nie strahlender Abfall gelagert werden“.
Abfall verpacken
Frankreich hat sich mit Bure für einen Endlager Ort in einer Ton- und Mergelschicht entschieden, die sich im Tertär – vor etwa 200 Millionen Jahren – gebildet hat und teilweise bis 3000 Meter dick ist. Geologisch gesehen liegt Bure am Rande des Pariser Beckens. Die Tonerde erweist sich als eine dunkle Erdschicht, die unter dem Druck wie ein Felsen wirkt und in Brocken ausgefräst wird. Diese Erdschicht ist einerseits wasserundurchlässig, andererseits aber auch wasserleitend. Wasser wird daher auch abgepumpt, an der Oberfläche aufbereitet und dann in die Flüsse geleitet. „Wir müssen daher den nuklearen Abfall entsprechend verpacken“, sagt Sprecher Eric Sutre. Frankreich hat dazu Methoden entwickelt, die bereits jetzt eingesetzt werden. Nuklearer Abfall wird in Glas gegossen und kann sich daher nicht mehr lösen.“
Ein besonderes Augenmerk hat Frankreich bei der Wahl dieser Lagerstätte auf die Gefahr eines Erdbebens gelegt. Der Geologe Eric Sutre: „Hier ist seit 15 Millionen Jahren nichts passiert. Unter dieser Platte gibt es zwei Erdfalten, die Stöße abfangen. Sicher, wir registrieren hier die Erdbeben. Wir haben hier auch das Erdbeben von Fukushima registriert. Aber hier gibt es keine Erdbeben. Um den Puffer der beiden alten Erdspalten tief unter Bure aufzulösen, müsste nach Ansicht von Geologen Bewegung in die Alpen kommen, die ihren Druck verstärken müssten, dabei würde der Rheingraben aufbrechen und dann würde sich das auch in Bure bemerkbar machen.»
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