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Banken setzen Stammkunden vor die Tür

Banken setzen Stammkunden vor die Tür
(dpa)

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Sie sind bereits Kunde?

Die Not ist groß bei vielen Banken in Europa. So groß, dass sie es sogar riskieren, über Jahre gewachsene und gepflegte Kundenbeziehungen mit einem Federstrich aufzugeben.

Lang hatten sie günstige Kredite ausgereicht, in der Hoffnung, dass die Kunden ihnen das später mit lukrativen Aufträgen danken würden. Doch in Zeiten höherer Kapitalanforderungen und der Euro-Schuldenkrise nehmen immer mehr Institute in Kauf, selbst langjährige Kunden hängen zu lassen.

Zum Jahreswechsel hatten 13 europäische Banken plötzlich die Reißleine beim Schweizer Raffineriebetreiber Petroplus gezogen und einen Milliarden-Kredit eingefroren, den die Firma dringend braucht, um Rohöl einzukaufen. Petroplus drohte sogar die Insolvenz. Hinter den Kulissen wird auch in vielen anderen Fällen mittlerweile mit harten Bandagen gekämpft. «Es geht auf beiden Seiten um alles oder nichts», sagt ein hochrangiger Banker einer großen europäischen Investmentbank. Sein Institut gehe härter mit Kunden um denn je, und zahlreiche Großkonzerne hätten sich darüber schon beschwert.

Profiteure

Droht also eine Kreditklemme? Doch wo es Verlierer gibt, profitieren andere. «Für stabile Banken ohne Kapitalprobleme gibt es derzeit gute Chancen, in die Bresche zu springen und Kredite zu vergleichsweise attraktiven Margen anzubieten», sagt ein Banker. Die Starken können es sich sogar leisten, den Schwachen bestehende Kredite abzukaufen, die diese in der Not am Markt mit großen Abschlägen feilbieten. Vor allem asiatische Institute wie die Bank of Tokyo Mitsubishi, die sich in Europa seit Neuestem in der Projektfinanzierung hervortut, stehen bereit.

Heute geht es nicht immer darum, dass die Schuldner ihre Zusagen nicht eingehalten haben. Oft liegt der Grund auch bei den Banken selbst: So zeigten sich Beobachter erstaunt, als keine der drei französischen Großbanken BNP Paribas, Société Générale und Crédit Agricole sich im Oktober an einem Sechs-Milliarden-Dollar-Kredit für den britisch-australischen Bergbaukonzern Xstrata beteiligte. Und auch im Dezember waren sie nicht dabei, als der Ölkonzern Qatar Petroleum für sein Gasprojekt Barzan 4,7 Milliarden Dollar aufnahm. Der Hintergrund: Gerade Banken aus Frankreich hatten seit dem Sommer Probleme, sich in Dollar zu refinanzieren. Das werde es in den nächsten Monaten öfter geben, unken Banker.

Kreditobergrenzen

Die Commerzbank hat im Ausland derzeit viel zu erklären: Jedes Mal, wenn es wieder heißt, sie verleihe Geld nur noch an Kunden in Deutschland und Polen, laufen die Telefone in Madrid oder Mailand heiß. Dabei lautet die Faustregel nur: Der Kredit muss irgendetwas mit ihren beiden Heimatmärkten zu tun haben – egal ob ein deutscher Kunde in Italien investieren will oder ein spanisches Unternehmen in Polen. Doch das Vertrauen nimmt rasch Schaden, das Porzellan ist schwer zu kitten.

Kreditobergrenzen – etwa für bestimmte Branchen – gibt es längst auch anderswo. «In letzter Minute herauszufinden, dass man abgelehnt wird, weil die Bank schon zu viele Kredite in dem Sektor vergeben hat, kann für einen Schuldner ein Schock sein», sagt Martin O’Donovan von der internationalen Vereinigung der Finanzmanager (ACT), die für die Refinanzierung von Unternehmen zuständig sind. «Und Treasurer haben ein gutes Gedächtnis.»

Hoffnung

Die reine Hoffnung auf einen lukrativeren Folge-Auftrag – etwa die Beratung bei einer Übernahme oder die Begebung einer Anleihe – reicht vielen Banken längst nicht mehr, um einen Kredit zu gewähren. Nach der Krise lassen sich das viele Institute gleich beim Vertragsabschluss zusichern – in Einzelfällen sogar schriftlich. «Diese Art von Wünschen wird heutzutage direkter geäußert», berichtet O’Donovan.