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Sechsbeiner mit komplexem Sozialleben

Sechsbeiner mit komplexem Sozialleben
(dpa)

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Wer denkt, Ameisen leben immer friedlich und in großen Nadelhaufen, der irrt. Es gibt Nester, die in eine hohle Eichel passen, und räuberische Sklavenhalter.

Im Labor der Mainzer Professorin Susanne Foitzik herrscht das große Krabbeln. In mehreren mannshohen Klimaschränken leben hunderte Ameisen, meist rund drei Dutzend Tiere zusammen in einem Plastikschälchen. Dort pflegen sie im Nest ihre Larven, naschen von einer kleinen Honigpfütze oder fressen an einem Heuschreckenbein. In einer Kiste leben amerikanische Sklavenhalter-Ameisen – zusammen mit unterjochten Ameisen. Foitzik untersucht dieses spezielle Verhalten bereits seit einigen Jahren.

Nach menschlichen Maßstäben klingt es grausam: Ameisen überfallen fremde Nester und rauben deren Brut. Später unterdrücken fünf Sklavenhalter rund 30 Sklaven und bringen sie dazu, die Larven der Herrscher großzuziehen. Aber Foitzik fand heraus: Es gibt auch Rebellion, dann bringen Sklaven die Puppen der Herrscher um. Das hilft zwar nicht direkt dem eigenen Nest, in das sie nicht zurückkehren können. Aber womöglich werden so Schwesterkolonien vor einem Überfall bewahrt, erklärt die Entomologin.

Warum gerade Ameisen?

Viele Biologen forschen an der Fruchtfliege Drosophila, am Zebrafisch oder mit Mäusen – warum gerade Ameisen? «Ich interessiere mich besonders für Verhaltensbiologie, und für diese Forschungen sind Ameisen besonders gut geeignet», sagt Foitzik. Die Sechsbeiner haben ein komplexes Sozialleben – «wie wir Menschen auch». Ihr natürliches Verhalten lässt sich im Labor leicht simulieren. Viele Versuche sind daher ohne aufwendige Studien in Wald und Feld möglich.

Vor ihrer Ameisenzeit hat Foitzik an Mäusen und Vögeln geforscht. «Ich hatte ethische Probleme, Wirbeltiere umzubringen», sagt sie. Dann bekam sie das Pulitzer-Preis gekrönte Buch «The Ants» (Die Ameisen) des Biologen Bert Hölldobler in die Hände – und war fasziniert. Sie machte ihre Diplomarbeit in der Arbeitsgruppe von Hölldobler an der Uni Würzburg und blieb ihrem krabbelnden Forschungsobjekt seitdem treu.

Sozialleben der Ameisen

Die verschiedenen Ameisenarten haben ihr Zusammenleben ganz unterschiedlich organisiert – von verschiedenen Graden der Kooperation bis hin zur Arbeitsteilung, schreibt Hölldobler, der inzwischen an der Arizona State University im US-amerikanischen Tempe lehrt. Das funktioniert nur mit einer ausgeklügelten Kommunikation – bei Ameisen meist über chemische Signale wie Duftstoffe.

Auch das WG-Leben der beiden tropischen Ameisenarten aus Französisch Guyana, die im Labor von Professor Foitzik in einem Ameisengarten umherflitzen, wird über Duftstoffe geregelt. «Die kleineren manipulieren die größeren, die eigentlich recht aggressiv sind und sie angreifen würden», erklärt die Professorin. Durch diesen Trick sind die größeren Ameisen zwar nett zum kleinen Mitbewohner, verteidigen nach außen aber kraftvoll das gemeinsame Nest. Die Kleinen weisen dafür als besserer Nahrungssucher dem WG-Partner den Weg zu Leckereien.

Foitzik und ihr Team fanden auch heraus, dass Ameisennester unterschiedliche Eigenschaften haben, beispielsweise besonders neugierig oder aggressiver sind als Nachbarkolonien. Wie untersucht man den Charakter von Ameisen? Zum Beispiel, indem man eine Ameise in ein fremdes Nest setzt und dann zählt, wie oft sie gebissen und gestochen wird. Neugierde kann in einer Art Ameisenarena gemessen werden, wie Foitzik erklärt. Verschiedene Seitengänge führen zu interessanten Gerüchen wie Salbei, Vanille oder Fichtennadeln. Notiert wird dann, wie oft eine Ameise mit dem Fühler ein fremdes Objekt betastet. Und was fanden die Wissenschaftler heraus? «Kolonien, die eine größere Varianz an Verhalten zeigen, sind erfolgreicher.»