Das bayrische Familienunternehmen Oetinger hat 1989 in Lothringen eine Gelegenheit wahrgenommen: In Gorcy, nicht weit von Longwy und knapp 40 Kilometer von Luxemburg entfernt, boten sich Hallen und Grundstücke der ehemaligen Trefil Union an. Das Unternehmen, führender Spezialist im Aluminium Recycling, suchte damals eine europäische Erweiterung. Am vergangenen Freitag nahm Oetinger Frankreich dort einen vierten Schmelzofen in Betrieb und verdoppelte mit ihm die Kapazität auf 60.000 Tonnen.
Gorcy, ist die Erfolgsgeschichte eines deutschen mittelständischen Familienunternehmens, wie sie derzeit in Frankreich allenthalben bewundert wird. das Unternehmen verfügt über drei Werke in am Stammsitz in Weißenhorn in Bayern, in Hannover und in Berlin. Im Jahre 2002 geriet das Unternehmen in leichte Schwierigkeiten. Bei einem Absturz eines Flugzeuges der Fluggesellschaft Luxair starben drei Mitglieder der deutschen Geschäftsführung, der Berliner Prokurist und der Leiter des Werkes in Gorcy. „Wir haben das auffangen können», sagt Andreas Fürst zu Leiningen, zusammen mit seiner Frau Alexandra Prizessin von Hannover heutzutage zu 80 Prozent Mehrheitsgesellschafter des Unternehmens.
Die Familie Oetinger, Begründer des Unternehmens, hält noch 20 Prozent. „Wir haben über eine gewisse Zeit experimentiert mit zwei oder mit drei Geschäftsführern. Heutzutage sind wir bei dem System von zwei Geschäftsführern, einem für den kaufmännischen Bereich und einem für den technischen Bereich“, sagt der Fürst. Im Hintergrund gibt es einen Beirat, der von Albrecht Lukas Hammel geleitet wird. Hammel ist gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der „affinage lorraine“, die lothringische Tochtergesellschaft. „Wir fliegen übrigens weiter mit Luxair“, schließt Fürst zu Leiningen das Thema ab.
Lebensdauer des Projekts: 30 Jahre
Der lothringische Standort ist auch mit den Veränderungen durch die Präsidentenwahl in Frankreich nicht wirklich in Gefahr gewesen. „Wir haben einen Augenblick über die Investition nachgedacht, uns dann aber entschieden, das Projekt nicht in Frage zu stellen“, sagt Hammel. Die Lebensdauer des Projektes wird um die 30 Jahre liegen. Da können es kurzfristige Ereignisse nicht beeinflussen.
In Gorcy ist der modernste Schmelzofen für das Aluminium Recycling entstanden, den es derzeit gibt. Der Ofen dreht sich um seine Achse, während das Aluminium in seinem Innern bei 800 Grad schmilzt. Drei Hauben über ihm saugen die dabei entstehenden Gase ab. Hammel: „Hier steht ein Prototyp. Hier ist eine Generation von Öfen entstanden, technologisch modern und so umweltfreundlich, wie man es bisher nicht kennt.“ Mithin eine Technologie, die Oetinger auch in Deutschland einzusetzen gedenkt. Der Ofen ist von dem ebenfalls mittelständischen Unternehmen Bartz in Mayen in der Eifel gebaut worden. Es handelt sich hier um Spezialisten für den Schmelzofenbau, die in Gorcy erstmals als Generalunternehmer aufgetreten sind. Das Investitionsvolumen liegt bei insgesamt sechs Millionen Euro. „Es ist uns gelungen, diese Investition in einem Jahr zu realisieren“, sagt Hammel. Finanziert wurde das Projekt mit Unterstützung lothringischer Instanzen zum einen aus Eigenmitteln, zum anderen durch ein Konsortium aus der Caisse d´ épargen, der Société Générale und dem Credit Industriel (CIC), der zur Gruppe Crédit Mutuel gehört.
Kunden aus der Automobil-Industrie
Das Aluminium, das in Gorcy in dem neuen Ofen geschmolzen wird, findet seine Nutzung überwiegend in der Automobil-Industrie. Aus Gorcy wird flüssiges Aluminium nach Dillingen zum Unternehmen Nemak gefahren. Dort werden Zykinderköpfe und Zylinder-Kugelgehäuse aus der flüssigen Masse gegossen. Der Transport findet über die Straße in Behältern mit einem Volumen von um die vier Tonnen statt. Das bayerische Unternehmen hat sich nicht nur mit einem deutschen Produzenten sondern auch über die Logistik Firma Hamm mit einem deutschen Transporteur aus dem Westerwald umgeben, der drei 40 Tonner Lastwagen in Gorcy stationiert hat.
Oetinger produziert in Deutschland und in Lothringen hauptsächlich für den Automobilmarkt. Zu den Kunden gehören unter anderem Peugeot Citro?n (PSA), General Motors und alle deutschen Premium Hersteller. „Etwa 45 Prozent aller europäischen Autos fahren mit Produkten unserer Firma, die mit Oetinger Aluminium hergestellt worden sind, sagt der Geschäftsführer der Nemak, Norberto F. Vidana, der aus Madrid angereist ist. Nemak gehört zu dem mexikanischen Industrie Alpha Industriekonzern.
Keine Absatzprobleme
Sorgen um den Absatz der Produkte macht Hammel sich nicht. Nemak sichert bereits die Abnahme der 36.000 Tonnen zu, die der neue Ofen jährlich produziert. Sinkende Absatzzahlen beunruhigen in Bayern ebenfalls nicht. Während PSA in Frankreich ein Werk schließen will und ein zweites bedroht sieht, will „Audi ein neues Werk bauen“, sagt Hammel. Außerdem sei eine neue Tendenz im Automobilbau zu beobachten. Es erde zunehmend mit Aluminium/Stahl Legierungen gearbeitet.
Das Rohmaterial für den neuen Ofen fährt auf den Straßen, findet sich in Papierkörben oder im Abfall bei der Produktion von Aluminium. Mit anderen Worten, Schrottautos, Aluminiumdosen oder auch der Abfall aus Aluminiumwerken stellen die 60.000 bis 70.000 Tonnen Schrott dar, die Oetinger im Jahr benötigt. Die Energiekosten liegen in Gorcy um zwischen fünf und zehn Prozent unter denen in Deutschland. Dabei handelt es sich im Wesentlichen nicht um Strom. „Wir arbeiten hauptsächlich mit Gas und Sauerstoff“, sagt Hammel.
Die Investition rentiert sich im günstigsten Fall in drei bis vier, im schlimmsten Fall in sieben bis acht Jahren, lautet die Berechnung des Unternehmens. Zehn neue Mitarbeiter sind bereits eingestellt. Bis zu 30 können es werden. Gorcy Bürgermeister Labbé freut sich über die Investition. „Dabei geht es nicht so sehr um die Steuern. Gewerbesteuer gibt es ja nicht mehr in Frankreich. Aber unser Ruf als Industriestandort wird gefestigt. Darum geht es. Damit können wir werben“, sagt er und bittet den Fürsten und den Vorstandsvorsitzenden freundlich, das Pressegespräch nun zu beenden, weil die Gäste zur Einweihung des neuen Ofens warten.
(Helmut Wyrwich/ Tageblatt.lu)
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