Die Sitzung begann mit der Anhörung des von der Staatsanwaltschaft beauftragten psychiatrischen Experten Dr. Gleis, dem gegenüber der Angeklagte erzählt habe, er hätte am Tag der Tat Stimmen gehört und Zeichen gesehen, er müsse der Gesellschaft etwas Schlechtes antun. Er habe wegen Problemen mit seinem Vater einen Molotow-Cocktail gebastelt, um dessen Auto zu zerstören. Danach sei er im Lokal in der Hollericherstrasse versackt, obwohl er hier niemanden kannte. Als er am Morgen, aus Frust über seinen kleinen Penis, vor der Tür einen Mann urinieren sah, hörte er die Stimme seiner – abwesenden! – Freundin, die ihn dazu anstachelte, den Mann anzugreifen.
Leichte Drogen und Alkohol, so der Beschuldigte gegenüber dem Psychiater, hätten einen beruhigenden Effekt auf ihn. Sie hätten laut dem Experten jedoch psychotische Zustände bei ihm ausgelöst. Der Angeklagte war jedoch nicht kritisch genug gegenüber den festgestellten Halluzinationen und habe deshalb auch mehrere psychiatrische Behandlungen abgebrochen.
Psychopathische Phänomene
Der psychiatrische Experte sprach auch von plötzlich auftauchenden Wahnvorstellungen beim Beschuldigten, die zur Tatzeit durchaus zu einer strafrechtlichen Unzurechnungsfähigkeit geführt haben könnten. Französische Forscher hätten kürzlich festgestellt, dass besonders bei Jugendlichen der exzessive Verzehr von polytoxischen Drogen solch psychopathische Phänomene auslösen würden. Die schwere Frühentdeckung solch psychotischer Vorzeichen habe beim Angeklagten, der schon in seiner Pubertät psychiatrische Hilfe in einem Luxemburger Spezialkrankenhaus gesucht hatte, nicht funktioniert, wie sich aus einem Frage- und Antwortspiel zwischen Experten, Vorsitzenden und Verteidiger herausschälte.
Staatsanwalt Frank Neu wollte vom Zeugen eine Erklärung zur pathologischen Schizophrenie, also die Krankheit der doppelten Persönlichkeit, die im Gutachten zurückbehalten wurde. Die Drogen hätten bei einer solchen Erkrankung eine längere und tiefere Wirkung als bei «psychologisch gesunden» Menschen, so der Experte, der auch von einer Flucht in eine Wahnwelt sprach. Da es sich um eine permanente Krankheit mit chronisch punktuellen Schüben handelt, spielt sich das glücklicherweise nur in extrem intensiven Phasen ab. Jedenfalls sei die Strafanstalt nicht der richtige Ort, um dem Angeklagten zu helfen, so der Gutachter abschliessend.
Deckungsgleiche Expertisen
Es war dann der von der Familie beauftragte Experte, der im Zeugenstand die Diagnose der pathologischen Schizophrenie mit halluzinatorischen Spitzen seines Kollegen bestätigte. Die Aussagen der Gutachter gingen jedenfalls wie auf den beiden Gleisen der gleichen Schiene in Richtung Unzurechnungsfähigkeitsparagraph 71 des Luxemburger Strafgesetzbuches.
Auf die Frage des Staatsanwaltes, ob der vor den Richtern ausgedrückte Hass auf seinen Vater der Auslöser der Krankheit sein könnte, meinte der Experte, dieser Hass sei rational nicht gerechtfertigt und der Vater sei so etwas wie das Symbol des Teufels in den Wahnvorstellungen des Beschuldigten gewesen.
Es war dann der leitende Ermittler, der die äusseren Umstände der Tat schilderte, die mit den Aussagen des Beschuldigten und einzelner Zeugen übereinstimmten. Der Prozess wird am Donnerstag mit der Anhörung weiterer Zeugen fortgesetzt.
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