Luc Friedens Auftritt am Mittwochabend glich einem Nachschlag zur Haushaltsrede. „Es gibt die Wahrnehmung einiger und es gibt die Realität.“ Unter dieser Formel kommentierte der Finanzminister vor der jährlichen Versammlung der Versicherer am Mittwochabend in der Philharmonie die öffentlichen Debatten der letzten Tage und Wochen um den Staatshaushalt, ausländische Investitionen (Stichwort: Katar) und die Finanztransaktionssteuer.
„Man hat dem Finanzminister vorgeworfen vor dem Parlament nur 27 Minuten geredet zu haben,“ meinte Frieden am Anfang seiner Intervention. Er bedauerte, dass man sich an die Zeit als Gradmesser der Rede festgenagelt hätte, so als ob der Minister seine Arbeit ohne Enthusiasmus gemacht hätte und dass man nun diese Arbeit verbessern müsste. „Die Minuten sind allerdings nicht der einzige Indikator für geleistete Arbeit.“ Soviel zur Wahrnehmung.
«Sich der Debatte stellen»
„Durch die Krise sehen wir uns einer reellen tiefgreifenden Debatte in der Politik und in der Gesellschaft ausgesetzt.“ Seine Präsentation habe wohl eine gewisse Malaise gegenüber den großen Herausforderungen und Problemen widergespiegelt, mit denen das Land konfrontiert wurde. „Ich glaube, dass die Debatte, die nach der Vorstellung des Budgets losbrach, eine gesunde Debatte ist.» Das Land müsse sich dieser Debatte nun stellen. Viele Dinge hätten sich geändert und es gebe nun mal keine leichten Lösungen für diese Herausforderungen.
Das beste Mittel um aus der Krise zu kommen, sei nach wie vor, die Ausgaben beim Staat zu kürzen. „Ich weiss aber auch, dass man die Theorie vertreten kann, dass zu viele Kürzungen die Wirtschaft abwürgen kann.“ Deshalb müsse man eine tiefgreifende Debatte und Analyse über die Natur der Krise führen. „Ist sie konjunktureller Art oder eher strukturell bedingt?“ Nach fünf Jahren Krise könne man wohl mit Sicherheit behaupten, dass es auch strukturelle Elemente gibt. „Dies muss uns dazu führen, einiges in Frage zu stellen, ohne jedoch der Wirtschaft und dem Modell, das wir aufgebaut haben, zu schaden.“ In der Mitte würde sich der Ursprung unserer Gesellschaft befinden. „Ich werde in meinem Bereich dafür Sorge tragen, dass diese fundamentale Balance und der Geist der Solidarität aufrechterhalten bleiben.“
«Das ‹Land› verkaufen»
Was die Investitionen aus dem Ausland, allen voran aus dem Katar angehen, gäbe es bei manchen die Wahrnehmung, dass man das „Land“ verkaufen würde. Man werfe dem Finanzminister vor, dass er in diese Länder gereist sei, um etwa Cargolux zu verkaufen.
„Die Realität ist allerdings ganz anders.“ Luxemburg brauche ausländisches Kapital um seine Entwicklung voranzutreiben. Früher sei dies vornehmlich aus den Nachbarländern geflossen, dies sei jetzt dort nicht mehr vorhanden.
Dabei habe Cargolux bereits früh seine Fühler in den arabischen Raum ausgestreckt. Allerdings seien die Verhandlungen damals gescheitert.
„Meine Mission bestand darin, diejenigen zu suchen, die bereit sind, in diese Gesellschaft zu investieren, um deren Entwicklung zu ermöglichen.“ Man müsse darum kämpfen, damit dieses Land noch Investoren findet, auch wenn uns manchmal einiges nicht gefalle. „Auch wenn diese Investoren uns manchmal dazu auffordern, einige Dinge zu verändern, damit wir in einer globalisierten Welt überleben können.“ Dies verpflichte uns nicht nur, in diese Investoren zu glauben, oder das schlecht zu finden, was in der Vergangenheit hier aufgebaut wurde. Man müsse allerdings realisieren, dass man allein mit einheimischem Kapital, Luxemburg nicht weiter entwickeln kann.
«Marionette der Banker»
Zu guter Letzt verteidigte Luc Frieden seine Entscheidung, keine Finanztransaktionssteuer einzuführen, wie dies zehn europäische Länder zu tun gedenken. „In der Wahrnehmung einiger bin ich die Marionette der Banker“.
„Die Realität ist eine ganz andere. Ich möchte, dass jeder Steuern zahlt,“ meinte der Finanzminister. „Ich will aber auch, dass die Arbeitsplätze in Luxemburg erhalten bleiben. Lediglich zehn von 27 Ländern gedenken dies zu tun, dabei ist unser Land das einzige, in dem der Finanzsektor 30 Prozent des BIP ausmacht.“ Man müsste schon masochistische Züge haben, um die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu fordern, wenn Großbritannien, die Schweiz, Irland solches nicht tun wollen.
Unser Land sieht sich großen Veränderungen ausgesetzt. „Diese Krise ist ein wahrer Wendepunkt unseres Landes.“ Die Adaptation des Landes könne wohl nicht jeden zufriedenstellen. „Aber man muss ständig versuchen, den größtmöglichen Kompromiss zu finden.“ Der Minister meinte abschließend, dass er überzeugt sei, dass der Wille zum Wandel in der Gesellschaft und bei vielen Akteuren – besonders hinter geschlossen Türen – viel größer sei, als dies manchmal aus den Medien hervorgehe.
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