Ungewöhnlicher Prozess in Diekirch. Nicht ein gemeiner, kleiner Drogendealer oder Konsument muss sich wegen Verstoßes gegen das Drogengesetz verantworten, sondern ein Abgeordneter und Arzt. Der am 2. Februar 1954 in Esch-Alzette geborene und heute in Vichten wohnende Jean Colomberagehörte von 1999 bis 2004 der Legislative an und wurde bei den Parlamentswahlen vom 7. Juni 2009 erneut ins Hohe Haus am Krautmarkt gewählt.
In der Abgeordnetenkammer setzte sich der Volksvertreter aus dem Norden in der Vergangenheit für den legalen und kontrollierten Gebrauch von cannabidoiden Mittel zu Therapiezwecken ein, auch wenn es bereits Bestimmungen gibt, wie die Medizin mit Opiaten umzugehen hat.
Bei Colombera blieb es nicht nur bei Worten. Patienten verschrieb der Mittel die auf Basis von Cannabis. Als Allgemeinarzt musste er sich im Oktober 2010 einer Hausdurchsuchung der Polizei stellen. Ihm wird nun vorgeworfen, gegen das Gesetz über den Verkauf von medikamentösen Substanzen und den Kampf gegen die Toxikomanie sowie das Gesetz über Vermarktung und Öffentlichkeitsarbeit beim Vertrieb von Medikamenten verstossen zu haben.
Gesundheit als oberstes Gesetz
Beide Gesetze, die laut Colomberas Verteidiger Me Gaston Vogel speziell in diesem Fall einen mehr als anachronistischen Charakter aufweisen, da hier das Prinzip «salus aegrorum suprema lex», die Gesundheit der Patienten als oberstes Gesetz gelten müsste. Ein Prinzip, das übrigens auch an der Ettelbrücker Heilanstalt in Stein gehauen ist.
Die Anhörung begann mit den Aussagen des Ermittlers, der die Anfänge der Affäre auf die Klage einer Patientin zurückführt, die diese bei der Polizei in Ulflingen wegen eines regelwidrigen Rezeptes mit medizinischem Kannabis führte.
75 Gramm cannabinoide Mittel
Beim Besuch der Ermittler in der Praxis von Jean Colombera, der nichts abstritt und sich sehr zuvorkommend zeigte, wurden 75 Gramm cannabidoide Mittel beschlagnahmt. Es stellte sich heraus, dass 25 Patienten, von denen 18 von den Polizisten gehört wurden, mit diesen Mitteln behandelt wurden.
Der Arzt habe seinen Patienten, von denen die meisten bereits mit Suchtmitteln zu tun hatten, stets verboten, die Mittel zu rauchen. Angesagt war Essen, Trinken und eventuell Inhalieren der Produkte, wobei Letzteres durch den Kauf eines 400 Euro teuren Apparats mit einer grossen finanziellen Belastung verbunden war.
Cannabis legal aus Holland
Es war nur eine einzige Patientin, und die mit einschlägiger Suchtvergangenheit, die gegenüber der Polizei aussagte, sie habe durch Jean Colombera legal an Cannabis kommen wollen. Es ging dann noch um die Beschaffung des Cannabis in Holland, der laut dem Beschuldigten exklusiv durch seine Praxis transferiert wurde.
Er wies auch darauf hin, nur Dosen von 0,1 und 0,2 Gramm, die nicht abhängig machen, verschrieben zu haben. Er habe stets darauf geachtet, keine cannabidoiden Substanzen an Suchtgefährdete abzugeben, auch wenn das beim ersten Mal nicht immer festzustellen war.
In einem Fall habe er sogar versucht, eine extrem geschwächte Patientin mit kleinen Dosen des sauberen medizinischen Cannabis von ihren Depressionen zu befreien und sie davon abzuhalten, sich verschmutzten Stoff auf der Strasse zu beschaffen.
Der medizinische Cannabis wurde mit Rezept über eine Apotheke in Holland beschafft, wo die Substanz mit heilender Wirkung legal als Medikament zugelassen ist. Es war dann Verteidiger Gaston Vogel, der die Unparteilichkeit der Ermittler lobend erwähnte, für den Gesetzgeber aber keine Entschuldigung fand, das Land immer noch nicht aus seinem Schattendasein geführt zu haben.
Freispruch gefordert
Was in aufgeklärten Ländern um uns herum längst nicht mehr diskutiert wird, sei mehr als 200 Jahre nach der französischen Revolution in Luxemburg immer noch ein Tabu. Me Vogel ging dann auf die Nähe von Medizin und Gift ein, die durch die Schlange am Stab des Äskulap symbolisiert wird.
Heute werde in vielen Herren Ländern medizinisches Cannabis in schweren Fällen als schmerzlinderndes Mittel eingesetzt. Es scheint, als würde im Marienland Luxemburg immer noch das Leid des Gekreuzigten als Aufhänger bei Schmerztherapien gelten.
Wie schon erwähnt stellte sich Me Vogel vor die Öffentliche Gesundheit als oberstes Gesetz und forderte das Gericht auf, diesen Fall vor dem Verfassungsgericht zu verhandeln oder seinen Mandanten ganz einfach freizusprechen, subsidiarisch mit grösstmöglichen mildernden Umständen zu verurteilen.
Regeln bei der Verschreibung
Es war dann Staatsanwalt Probst, der sich als Hüter des Gesetzes die Frage stellen musste, warum gegen den Beschuldigten geklagt wird. Ein Arzt dürfe theoretisch medizinischen Cannabis verschreiben, nur müsse er sich an gewisse Regeln bei der Preskription halten, die in diesem Fall nicht beachtet wurden.
Doch allein schon, weil bei strikter Einhaltung der Regeln laut dem Beschuldigten die Prozedur von der staatlichen Verwaltung blockiert wird, konnte Pascal Probst dem Arzt keine schlechten Absichten unterstellen. Er verzichtete denn auch auf eine Haftstrafe und forderte eine prinzipielle Verurteilung, die laut Me Vogel in seiner kurzen Replik auch durch das Aussetzen des Urteils dokumentiert werden könnte.
Das Urteil wird am 10. Januar 2013 gesprochen.
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