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Wo Kreuzfahrtschiffe geboren werden

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Seit Jahresanfang ist der Kreuzfahrtschiff-Hersteller Meyer-Neptun mit einem Büro in Luxemburg vertreten. Am Freitag besuchte eine Delegation die Werft in Papenburg, Deutschland.

Bereits vor sechs Uhr morgens ging es los. Von Luxemburg-Stadt startete ein „Executive Lane“-Reisebus der Sales-Lentz-Gruppe in Richtung Papenburg. Nach etwas mehr als fünf Stunden: Ankunft in Papenburg. Das kleine Städtchen nahe der niederländischen Grenze, ist 40 km von der Nordsee entfernt und nur durch Kanäle mit dem Meer verbunden. Dennoch ist sie seit 1795 die Heimatstadt der Meyer-Werft.

Angefangen hatte alles mit Segelschiffen aus Holz. Das Unternehmen ist in siebter Generation im Besitz der Familie Meyer. In den 1980er Jahren schaffte die Werft den erfolgreichen Einstieg in den Bau großer und moderner Kreuzfahrtschiffe. Bis heute hat die Werft 41 Luxusliner in unterschiedlichen Größenklassen für Kunden aus aller Welt gebaut. Jüngstes Highlight war die Ablieferung der „Ovation of the Seas“ an „Royal Caribbean International“ im April 2016.

Büro neben dem Findel

Am Anfang dieses Jahres hatte das Unternehmen – vor allem rund um Papenburg – für viel Aufregung gesorgt. Die Gruppe, zu der auch eine Werft in Rostock (Neptun) und eine in Finnland (Turku) zählen, hatte entschieden, die Firmenzentrale nach Luxemburg zu verlegen. Auf Senningerberg neben dem Findel arbeiten heute sieben Personen. Hauptaktivität ist der zentralisierte Einkauf für die drei Werften der Gruppe. Zudem kümmert sich das Büro um die interne Revision.

„Inzwischen haben sich die Gemüter wieder beruhigt“, so Werft-Sprecher Günther Kolbe. Es habe mittlerweile jeder verstanden, „dass wir in Luxemburg keine Schiffe bauen und dass wir weiter in Deutschland Steuern zahlen“, fügte Ralf Sempf, Direktor bei Meyer-Neptun GmbH in Luxemburg, schmunzelnd hinzu.

„Wir sind überaus glücklich, dass eine Schiffswerft einen derart wichtigen Teil seiner Operationen nun von Luxemburg aus tätigt“, so Freddy Bracke, Präsident des Luxemburger maritimen Clusters, das die Reise organisiert hat. „Die Schifffahrt ist nicht nur ein möglicher Geschäftspartner für die hiesige Finanzbranche, sondern auch für die „industrielle Welt“.

Mit an Bord waren auch Vertreter des beim Wirtschaftsministerium angesiedelten Luxemburger Schiffregisters. „Wir freuen uns, dass die Meyer-Werft nun auch hier ist. Es ist ein weiteres Element im Luxemburger maritimen Sektor“, so Luxemburgs „Commissaire maritime“ Robert Biwer. „Mittlerweile hat der Sektor deutlich mehr Gewicht als das Schiffsregister selbst.“ Und das sei auch gut so – das Register als Magnet für wirtschaftliche Aktivitäten im maritimen Bereich.

Eine stabile Wabe für den Rumpf von Yachten

Ein Dutzend Vertreter der Luxemburger Wirtschaft reiste am Freitag mit nach Papenburg. „Es geht darum, den neuen Luxemburger Akteur kennenzulernen“, so Paul Marceul vom „Cluster maritime“. Mit dabei waren Reeder wie Stena International und die „Compagnie luxembourgeoise de navigation“ (CldN), Vertreter von Banken und Anwaltskanzleien sowie die Firmen ArcelorMittal und Eurocomposites. Sie alle suchen nach Geschäftsmöglichkeiten.

Während ArcelorMittal bereits von Zeit zu Zeit zu den Zulieferern der Meyer-Werft zählt (der Rumpf der Kreuzfahrtschiffe ist aus Stahl), ist es für Eurocomposites eher der Versuch, ein kleineres Geschäftsfeld weiterzuentwickeln. Der Betrieb aus Echternach ist auf innovative Materialien für die Luftfahrt spezialisiert.

Ein in Echternach hergestelltes Nischenprodukt ist jedoch speziell für Schnell-Segel-Yachten geeignet. Es handelt sich um eine leichte, aber stabile Wabe, aus der der Rumpf der Yachten gebaut wird. „In dem Bereich haben wir einen Weltmarktanteil von 50 bis 80 Prozent“, so Horst Willkomm. Im Sektor der Passagierschiffe sei man aber noch nicht so stark vertreten. Da gebe es andere Anforderungen. „Jetzt schauen wir uns das mal an.“

Der Echternacher Familienbetrieb zählt rund 1.000 Mitarbeiter weltweit und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 160 Millionen. Der maritime Bereich steht derzeit nur für zwei Prozent des Umsatzes.

Auf der Suche nach innovativen Zulieferern

Und ein Betrieb wie die Meyer-Werft braucht viel Material und viele Zulieferer. „Etwa 800 Firmen sind am Bau eines Kreuzfahrtschiffs beteiligt“, so Ralf Sempf, zuständig für Meyer-Neptun in Luxemburg. „Wir sind immer auf der Suche nach innovativen Zulieferern. 75 Prozent kaufen wir zu. Wir sind ein System-Integrator.“

„Hinter jedem Job auf der Werft stehen drei bei Zulieferbetrieben“, fügte Werft-Sprecher Günther Kolbe hinzu. Auf der Werft in Papenburg arbeiten rund 3.200 Menschen. Es seien jedoch Tag für Tag fast 7.000 hier beschäftigt. Es gebe Zulieferer für den Rumpf, für das Theater, für die Sanitäranlagen, für die Teppiche usw. Schließlich baue man eine eigene Stadt mit Müllverbrennungs- und Recyclinganlage. Aus Salzwasser kann Süßwasser hergestellt werden und das Kondenswasser aus der Klimaanlage kommt bei den Waschmaschinen erneut zum Einsatz.

In der Vergangenheit seien Kreuzfahrten eine elitäre Geschichte gewesen, so Geschäftsführer Bernard Meyer vor den Luxemburger Gästen. Das habe sich aber verändert. Heute gebe es alle Arten von Kreuzfahrtschiffen. Es gebe kleinere zur Entdeckung entlegener Regionen, Schiffe speziell für Kinder oder für ältere Leute und auch Riesenschiffe, wie sie vor allem in China und den USA beliebt sind. Diese Kunden wollen sowohl ein Kasino wie auch Einkaufsmöglichkeiten haben – und die Sicherheit, dass die Markengeschäfte auch echte Markenware verkaufen, so Meyer. „Der Markt ist heute sehr pluralistisch.“

Schutz der Umwelt

Eine große Trendwende ist der Schutz der Umwelt. „Vor 20 Jahren wurde alles einfach über Bord geworfen“, so Meyer. Heute jedoch sei alles anders. „Wir machen sehr viel. (…) Wir transportieren Menschen, die ihren Urlaub genießen wollen, an außergewöhnliche Orte. Und diese Orte wollen wir nicht zerstören. Wir verfolgen eine klare Strategie: Ein schwimmendes Hotel mit Stadtwerken. Wir machen uns Gedanken über alles, was rein und raus kommt.“ Die nächsten Schiffe sollen nicht mehr mit Schweröl, sondern mit LNG (Flüssig-Erdgas) fahren.

Viele Werften haben Europa längst verlassen. Erst in Richtung Japan, dann nach Korea und nun China. Nur der Bereich Spezialschiffe sei noch ein europäisches Geschäft, so Sempf. Er benötigt viel Logistik und entsprechende Zuliefer-Cluster. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, setze man auf Effizienz. Produkte, die zu viel Arbeitskraft benötigen, kaufe man in Polen oder Litauen.

Die Zukunft hat Familienunternehmer Bernard Meyer dabei immer im Blick. Sorgen bereitet ihm, was er in China beobachtet. Das Land hätte sich vorgegeben, bis 2025 ein Programm zur Herstellung von Passagierbooten aufzustellen. Da werde es gehen wie zuvor beim Stahl und den Autos, prophezeit der Familienunternehmer. „Nun haben wir noch neun Jahre Zeit, um uns vorzubereiten.“ Chinas Strategie und die europäische Untätigkeit machen ihm Angst. „Wir sind sehr blind in Europa. Wir sehen nicht, wie China langfristig einen Sektor nach dem anderen übernimmt.“

Zwei Ozeanriesen pro Jahr

Derzeit brummt das Geschäft. In Papenburg werden zwei Ozeanriesen im Jahr hergestellt. Ein weiterer in Turku. Mit drei Schiffen für Norwegian Cruise Line, zwei Kreuzfahrtschiffen für Royal Caribbean International, zwei Schiffen für die asiatische Reederei Dream Cruises, zwei für AIDA Cruises, einem für Saga Cruises und zwei für Disney Cruise Line befinden sich derzeit zwölf Kreuzfahrtschiffe im Auftragsbestand der Werft. Drei Jahre vergehen im Schnitt von der Idee über die Planung bis zur Fertigstellung.

Mit der Entscheidung nach Luxemburg zu kommen, sei er ganz zufrieden, so Bernard Meyer. Die Mieten seien zwar höher als in Papenburg – aber dafür sei das Essen besser, scherzte er. Das Büro sei zwar noch klein, aber es werde noch wachsen.