Bei den Europameisterschaften vor knapp einem Jahr in München beendete Pries das Eliterennen als 22., zeitgleich mit dem siegreichen Niederländer Fabio Jacobsen. Ebenso wie dem amtierenden Europameister ist es dem jungen Luxemburger gelungen, nach einem fürchterlichen Sturz zurück in den Rennsattel zu finden. Vor fast genau drei Jahren war der Soudal-Quick-Step-Profi von seinem Landsmann Dylan Groenewegen beim Sprint auf der ersten Etappe der Polen-Rundfahrt ins Absperrgitter gedrängt worden und hatte sich beim Sturz lebensbedrohliche Verletzungen zugezogen. Im Jahr 2018 war Cédric Pries, nach einem Sturz bei der Friedensfahrt, ebenfalls in ein künstliches Koma versetzt werden. Kaum jemand hätte es für möglich gehalten, dass der damals 17-Jährige, der neun Rippenfrakturen, einen gebrochenen Wirbel, eine Lungenperforation und einen dreifachen Bruch des Schulterblatts erlitten hatte, seine Karriere als Radsportler würde fortsetzen können.
Nicht einmal vier Monate später bestritt das willensstarke Nachwuchstalent den Grand Prix Rüebliland (SUI), entwickelte sich stetig weiter und wurde Mitte 2020 mit der Aufnahme ins Team Leopard Pro Cycling belohnt. Die Verantwortlichen der Kontinentalmannschaft, die mittlerweile unter dem Namen Leopard TOGT unterwegs ist, wissen vor allem seinen aufopferungsvollen Einsatz zu schätzen. Sein unbändiger Wille, sich immer weiter zu entwickeln, wurde jetzt mit der WM-Nominierung belohnt.
„Bereits bei den Titelkämpfen Ende Juni wurde mir mitgeteilt, dass ich für die Weltmeisterschaft vorselektioniert wäre. Bei der Selektion für die WM dürfte die Tatsache, dass ich ein guter Helfer bin und dass man sich auf mich verlassen kann, eine große Rolle gespielt haben. Meine Form stimmt. Für die WM bin ich bestmöglich vorbereitet“, erzählt Pries, der seit Saisonbeginn 32 Tage im Rennsattel saß und dabei 4.483 Kilometer heruntergespult hat.
„Mit meiner bisherigen Saison kann ich ganz zufrieden sein. Ich bin auf konstant hohem Niveau gefahren und konnte das Team dadurch gut unterstützen. Wenn ich die Chance bekam, selbst auf Resultat zu fahren, habe ich diese auch genutzt. So konnte ich beim Mémorial Philippe Van Coningsloo einen Podestplatz herausfahren. Bei der Landesmeisterschaft und der anschließenden Österreich-Rundfahrt hatte ich bemerkt, dass ich den Bogen etwas überspannt hatte. Ich war platt und musste eine Pause einlegen. Danach habe ich meine Form spezifisch in Richtung WM aufgebaut“, erklärte der gebürtige Remicher, der sein Metier beim VC Dräilännereck Schengen gelernt hat.
Größte Herausforderung für Pries
Am Sonntag wartet die bislang größte Herausforderung auf den kräftigen Athleten. Der 271,1 km langen Fahrt, inmitten der „Crème de la Crème“ des Radsports, sieht Pries mit freudiger Erwartung entgegen. „Auf der recht flachen Fahrt in Richtung Schlussparcours sind zwei Anstiege zu bewältigen. Spätestens in der letzten Schwierigkeit werden die Mannschaften der Titelkandidaten Ernst machen. Der Rundkurs ist durch die vielen Kurven ziemlich technisch. Eine gute Positionierung wird dort eine entscheidende Rolle spielen. Mir persönlich kommt diese Strecke sehr entgegen. Perfekt wäre es, wenn es am Sonntag noch regnen würde. Ich erwarte ein sehr schweres Rennen, ähnlich wie im vergangenen Jahr, wo es schon frühzeitig die ersten Attacken gab. Die großen Nationen werden versuchen, in einer kleinen Gruppe auf den Parcours zu kommen“, so der Allrounder, der im Winter erfolgreich auf dem Cyclocross-Rad unterwegs ist. Bei der Cross-Meisterschaft der Elite in Mamer hatte er im Januar dieses Jahres die Bronzemedaille geholt, hinter Raphaël Kockelmann und Ken Conter.
Zusammen mit Tom Wirtgen, der den erkrankten Arthur Kluckers ersetzt, wird Cédric Pries seinen beiden Kapitänen zur Seite stehen. „Ich werde meine gewohnte Helferrolle einnehmen, diesmal in Diensten von Kevin (Geniets) und Alex (Kirsch). Beide sind in ausgezeichneter Form, wie sie bei der Tour de France bewiesen haben. Dementsprechend optimistisch können wir das Rennen angehen. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, in eine Fluchtgruppe zu kommen, werde ich diese auch nutzen“, so der U23-Vizemeister von 2021, der seine „Puncher“-Qualitäten zum Saisonhöhepunkt bestmöglich einsetzen will.
„Nach der WM wird mein Fokus kurzzeitig auf mein Studium in Karlsruhe gerichtet sein, wo einige Examen auf dem Programm stehen. Parallel werde ich auch einige Rennen in Deutschland bestreiten. Nach der WM werde ich also keine größere Pause einlegen und hoffe, bis in den Herbst noch an einer ganzen Reihe von Rennen teilnehmen zu können“, so der angehende Bauingenieur abschließend.
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