Eine „Revolution“, so bezeichnete Berichterstatterin Semiray Ahmedova („déi gréng“) die Reform des 1979er-Gesetzes über staatliche Wohnungsbauhilfen. Zielsetzung des am Freitag verabschiedeten Gesetzes ist die Schaffung von weiterem erschwinglichen Wohnraum. Es schafft einen einheitlichen Rahmen für öffentliche Bauherren. Laut Ahmedova wird der Finanzierungsbeitrag des Staats modernisiert, der Begriff des „Bailleur social“ definiert und es wird festgelegt, wie eine bezahlbare Miete berechnet werden soll.
Das Gesetz spricht von sozialen Promotoren, wie dem „Fonds du logement“ und der SNHBM, und von Promotoren ohne Gewinnzweck. Das können Gemeinden, aber auch eine Asbl. sein, die etwa im Wohlfahrtsbereich aktiv sind. Bauen sie preislich erschwingliche Wohnungen, übernimmt der Staat bei Mietwohnungen 75 Prozent der Kosten, bei den zu Kaufzwecken gebauten Wohnungen 50 Prozent. Die Wohnungen werden an Privathaushalte verkauft, die die Bedingungen erfüllen. Ein späterer Weiterverkauf auf dem freien Immobilienmarkt ist jedoch ausgeschlossen. Abnehmer kann nur die öffentliche Hand sein. Was bisher nicht der Fall war, sodass öffentlich subventionierte Wohnungen mit einem satten Mehrwert verkauft wurden. Wohnungen, die für Flüchtlinge gebaut werden, bezuschusst der Staat mit 100 Prozent. Finanzielle Unterstützung genießen auch Betriebe, die Wohnraum für ihre Beschäftigten schaffen.
Das Gesetz definiert den Begriff „Bailleur social“. Dieser verwaltet die Vermietung der Wohnungen. Auch ein Sozialpromotor kann sich dieser Aufgabe annehmen. Der Staat beteiligt sich an den administrativen Kosten.
Neu ist die Schaffung eines zentralen Registers über erschwinglichen Wohnraum in öffentlicher Hand („Registre national des logements abordables, Renla). Eine Art „Guichet unique“ für Wohnungssuchende, sodass sie sich in Zukunft nicht mehr an gleich mehrere Stellen wie „Fonds du logement“, Staat oder Gemeinde wenden müssen. Der „Bailleur social“ greift auf diese Datenbank zurück, um eine Wohnung zu vermitteln.
Der Privatmarkt allein hat versagt
Die CSV lehnte den Gesetzentwurf ab. Er sei mit etlichen Schönheitsfehlern behaftet, so Marc Lies. Es sei ein ideologisches Gesetz. Lies sprach von „Planwirtschaft“, die Gemeinden würden unter Vormundschaft des Staates gestellt. Renla bedeute keine administrative Vereinfachung.
Wie die DP-Sprecherin Barbara Agostino befürwortete auch der LSAP-Fraktionschef Yves Cruchten das vorliegende Gesetz. Begrüßenswert sei, dass der Anteil sozialer Mietwohnungen erhöht werde, nur sollte auch der Verkauf unter Erbpachtvertrag weitergeführt werden. Ein Eigenheim schütze vor Altersarmut. Auch jungen Menschen sollte diese Chance eingeräumt werden. Cruchten zitierte aus einer rezenten Studie des Konkurrenzrats, wonach die Privatpromotoren viel zur Preisexplosion am Wohnungsmarkt beigetragen haben (siehe Beitrag Seite 4). Wenn sich die Bruttomargen innerhalb weniger Jahre verdreifachten, das Gros von Bauland in der Hand Einzelner liege, müsste doch auch der Letzte verstehen, dass der Markt nicht alles regeln kann. Gesetze wie das vorliegende seien eine Notwendigkeit, erlaubten diese doch, erschwingliche Wohnungen zu schaffen und nicht alles der Profitmaximierung zu unterstellen. Die angeblich unsichtbare Hand, die alles regeln soll, greife lediglich den Menschen in die Tasche.
Der Privatmarkt allein hat versagt. Dieser Ansicht war auch Sven Clement (Piratepartei). Es gebe Leute, die sich in den letzten Jahren eine goldene Nase verdient haben, so Clement unter Berufung auf die eben genannte Studie. Was jedoch nicht bedeute, dass man alles verstaatlichen müsse, denn ohne Privatinitiative laufe nichts. Der Staat müsse aber den Weg abstecken, damit sich so viele Menschen wie möglich eine erste Wohnung leisten können.
Höhe des Einkommens bestimmt Mietpreis
Ziel des Gesetzes sei der Mensch, betonte Wohnungsbauminister Henri Kox („déi gréng“). Der Mensch in einer Mietwohnung zahle nur so viel, wie er zahlen könne. Daher werde das verfügbare Einkommen als Grundlage zur Berechnung der Miethöhe genommen. Zufrieden zeigte er sich, dass erstmals eine nationale Warteliste erstellt wird. Seit 2004 werde darüber geredet, so Kox. Renla schaffe Transparenz und entbinde viele andere Verwaltungen von administrativer Arbeit. Jeder „Bailleur social“ werde nach gesetzlich definierten Kriterien über die Vergabe einer Mietwohnung entscheiden, also keine Entscheidungen „à la tête du client“ mehr. Das Gesetz wurde mit 34 Ja-Stimmen gegen 24-Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen.
Ein weiteres Gesetz passt die staatlichen Beihilfen beim Erwerb einer Erstwohnung an. Insbesondere werde der Kreis der Bezugsberechtigten erweitert, so Berichterstatterin Semiray Ahmedova. Die Frist, in der man nach Bezug von staatlichen Prämien in seiner Wohnung leben muss, wird von derzeit zehn auf zwei Jahre verkürzt. Angehoben werden die Beträge der unterschiedlichen Prämien und Subventionen. Eine notwendige Anpassung, die insbesondere von der DP-Abgeordneten Barbara Agostino hervorgehoben wurde. Dennoch bleibe weiterer Handlungsbedarf. Wie Agostino betonte auch Mars di Bartolomeo (LSAP), dass es notwendig sei, Menschen besser über die ihnen zustehenden Hilfsmaßnahmen zu informieren, insbesondere bezüglich der staatlichen Garantie bei Hypothekendarlehen. Die Prämienhöhe sei nicht an die Preisentwicklung gebunden, bedauerte Nathalie Oberweis („déi Lénk“). Das Gesetz wurde einstimmig angenommen.
Vier statt zwei Punkte
Handy am Steuer kostet den Fahrzeugführer in Zukunft vier Führerscheinpunkte statt bisher zwei. Die Geldbuße steigt von bisher 145 Euro auf 250 Euro. Die entsprechende Gesetzänderung wurde im Parlament beschlossen. Unter Strafe gestellt wird auch, mit dem Wagen das Funktionieren eines Radars zu behindern.
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