Nur noch wenige Meter trennten Mark Cavendish vom Sprint-Olymp, nur noch wenige Sekunden vom historischen 35. Etappensieg bei der Tour de France. Doch dann schoss auf der ewig langen Zielgeraden von Bordeaux der Belgier Jasper Philipsen als erneuter Spielverderber am großen alten Mann des Massenspurts vorbei und vollendete seinen Hattrick. Und „Cav“ verpasste ausgerechnet in seinem „Wohnzimmer“ die Krönung.
„Ich habe gebetet, ich habe gehofft“, sagte der bereits 38 Jahre alte Brite, der in der Hauptstadt des Sprinter schon 2010 gesiegt hatte, als die Tour zum zuvor letzten Mal in Bordeaux Station gemacht hatte: „Jetzt müssen wir es eben weiter versuchen.“
Philipsen tat sein eigener Coup fast ein wenig leid: „Ich hätte Cav den Sieg gegönnt, das hätte jeder hier. Er ist der beste Sprinter der Geschichte.“ Dennoch: „Das ist die Tour und wir verteilen hier keine Geschenke.“
Platz zwei war für Cavendish, einst für das längst untergegangene T-Mobile-Team aktiv, dennoch auch ein höchst beachtliches Ergebnis. Doch es reichte eben nicht zum alleinigen Siegrekord: Den muss sich die „Manx Missile“, mittlerweile in Diensten der kasachischen Astana-Mannschaft weiter mit einem der Allergrößten teilen: Auch der belgische Kannibale Eddy Merckx hat 34-mal triumphiert.
Pedersen wieder nur Zehnter
Alex Kirsch und Mads Pedersen haben währenddessen ihren Tour-Sieg erneut klar verpasst. Die Mannschaft Lidl-Trek versuchte den Sprint optimal vorzubereiten, doch der Däne musste sich mit dem zehnten Platz zufriedengeben. Kirsch wurde in der gleichen Zeit wie der Etappensieger 91. Kevin Geniets wurde 87., Bob Jungels fuhr auf Platz 32.
Der 25 Jahre alte Alpecin-Profi Philipsen scherte sich nach seinem insgesamt fünften Tageserfolg nach 169,9 km an der Gironde freilich weniger um das verpasste Glück der anderen als um das vollendete eigene. „Es ist eine absolute Traumwoche“, sagte Philipsen, der im dritten Sprint der 110. Tour zum dritten Mal triumphierte und seinen Kapitän Mathieu van der Poel zunehmend zum Domestiken degradiert, „ich könnte nicht stolzer sein“.
In der Gesamtwertung führt weiter der dänische Titelverteidiger Jonas Vingegaard, der bis in die Schlussphase ganz vorne im Feld fuhr, mit 25 Sekunden Vorsprung auf den zweimaligen Champion Tadej Pogacar aus Slowenien. Die Kletterer sind erst am Sonntag am Puy de Dome wieder gefragt – am Samstag bekommt Cavendish in Limoges seine nächste Chance.
Am Tag nach der spektakulären Etappe über den Tourmalet war die lange Zeit eher gemütliche Fahrt durch den Norden der Gascogne eine willkommene Wohltat für die Favoriten auf den Gesamtsieg. Die einzige Bergwertung des Tages – ein Hügel der 4. Kategorie – lag 43 km vor dem Ziel.
Vingegaard, der am Donnerstag das Gelbe Trikot erobert hatte, und Pogacar, am Vortag Etappensieger, schonten ihre Kräfte und die ihrer Mannschaften und ließen den einzigen Ausreißer lange gewähren: Der tapfere Franzose Simon Guglielmi vom Team Arkea-Samsic, der gleich nach dem scharfen Start auf die Reise gegangen war, durfte zeitweise mit siebeneinhalb Minuten Vorsprung daherradeln.
Am Ende kam es aber so, wie es meistens kommt: Für Ausreißer ist die Chance aufs Durchkommen bei der Tour gering.
Im Überblick
7. Etappe: Mont-de-Marsan – Bordeaux (169,9 km):
1. Jasper Philipsen (Belgien/Alpecin-Deceuninck) 3:46:28 Stunden, 2. Mark Cavendish (Großbritannien/Astana Qazaqstan), 3. Biniam Girmay (Eritrea/Intermarche-Circus-Wanty), 4. Luca Mozzato (Italien/Team Arkea Samsic), 5. Dylan Groenewegen (Niederlande/Team Jayco Alula), 6. Jordi Meeus (Belgien/Bora-hansgrohe), 7. Phil Bauhaus (Deutschland/Bahrain Victorious), 8. Bryan Coquard (Frankreich/Cofidis), 9. Alexander Kristoff (Norwegen/Uno-X-Pro Cycling Team), 10. Mads Pedersen (Dänemark/Lidl-Trek), … 32. Bob Jungels (Luxemburg/Bora-hansgrohe), … 87. Kevin Geniets (Luxemburg/Groupama-FDJ), … 91. Alex Kirsch (Luxemburg/Lidl-Trek) alle gleiche Zeit
Gesamtwertung nach 7 von 21 Etappen:
1. Jonas Vingegaard (Dänemark/Jumbo-Vismar 29:57:12 Stunden, 2. Tadaj Pogacar (Slovenien/UAE Team Emirates) 0:25 Minuten zurück, 3. Jay Hindley (Australien/Bora-hansgrohe) 1:34, 4. Simon Yates (Großbritannien/Team Jayco Alula) 3:14, 5. Carlos Rodriguez (Spanien/Ineos Grenadiers) 3:30, 6. Adam Yates (Großbritannien/UAE Team Emirates 3:40, 7. David Gaudu (Frankreich/Groupama-FDJ) 4:03, 8. Romain Bardet (Frankreich/Team dsm-firmenich) 4:43, 9. Thomas Pidcock (Großbritannien/Ineos Grenadiers) gleiche Zeit, 10. Sepp Kuss (USA/Jumbo-Visma) 5:28, … 36. Jungels 28:53, … 51. Geniets 43:25, … 121. Kirsch 1:22:47
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