Die 110. Auflage der Tour de France startet am Samstag in Bilbao, der bevölkerungsreichsten Stadt des Baskenlands (354.000 Einwohner). Insgesamt 3.404 Kilometer müssen die 176 Fahrer bewältigen, ehe sie drei Wochen später die Champs-Elysées von Paris erreichen.
Bereits 1992 erfolgte der Tour-Auftakt im „Pays basque“, damals von San Sebastián aus. Bisher waren mit Barcelona, Girona, Jaca, La Seu d’Urgell, Naut Aran, Pamplona, San Sebastian, Vielha e Mijaran und Vitoria-Gasteiz neun spanische Städte Ausgangs- oder Zielort von Tour-Etappen. Bilbao wird 2023 die zehnte sein.
Die erste Etappe führt über 182 km von Bilbao aus über einen schweren Rundkurs zurück nach Bilbao, während die zweite Teilstrecke morgen Sonntag von Vitoria-Gasteiz nach San Sebastian ebenfalls zu 100 Prozent durch das Baskenland verläuft. Die 208,9 km werden größtenteils auf derselben Strecke gefahren wie die traditionelle „Clasica San Sebastian“. Im Schlussteil könnten die Klassiker-Spezialisten daher im Vorteil sein.
Kletterspezialisten
Am Montag (Amorebieta-Etxano – Bayonne, 187,4 km) überquert das Peloton die Grenze zu Frankreich und bleibt bis zur letzten Etappe in Paris auf französischem Boden. Insgesamt setzt sich die Tour aus acht Bergetappen, acht Flachetappen, vier sogenannten „étapes accidentées“ und einem Zeitfahren zusammen. Der 10. und der 17. Juli (jeweils montags) sind Ruhetage.
Die Entscheidung über den Toursieg wird aller Voraussicht nach erst am vorletzten Tag fallen, wenn in den Vogesen die schwere Etappe von Belfort nach Le Markstein Fellering mit fünf Anstiegen auf die Fahrer wartet. Das Ziel im kleinen Wintersportort liegt an der „Route des Crêtes“ auf rund 1.200 m nordwestlich des „Grand Ballon“. Früher fanden am „Markstein“ auch mal Rennen des alpinen Skiweltcups statt. Nun erwartet die Station die Tour mit viel Begeisterung.
Die Rundfahrt besucht in diesem Jahr mit den Pyrenäen, den Alpen, dem Zentralmassiv, dem Jura und den Vogesen alle fünf Gebirgsketten des Hexagons. Die Königsetappe führt am Mittwoch, 19. Juli, von Saint-Gervais Mont-Blanc nach Courchevel. Vier Berge mit insgesamt 5.405 Höhenmetern müssen die Fahrer auf der 17. Etappe bewältigen, zum Schluss den berüchtigten und nie enden wollenden „Col de la Loze“, der mit 2.304 Metern den höchsten Punkt der diesjährigen Tour darstellt und traditionell mit der Sonderprämie „Souvenir Henri Desgrange“ dotiert ist. Der Anstieg führt über Méribel und den Gipfel des „Loze“ nach Les Verdons, danach zu den Chalets de Pralong und dem Altiport von Courchevel. Ein in der Tour noch nie zuvor befahrener Schlussteil.
35 Jahre danach
Dass die Tour de France 2023 wirklich etwas für Kletterspezialisten ist, zeigen auch die wenigen Zeitfahrkilometer. Lediglich ein „Contre-la-montre“ (von Passy nach Combloux) steht auf dem Programm. Dieses führt über 22 km, wobei die letzten 6,5 Kilometer (Côte de Domany, 2. Kat.) sogar ansteigend sind. Die starken Bergfahrer werden im Kampf gegen die Uhr also ungewohnt wenig Zeit auf die Chrono-Spezialisten verlieren. Auch kommen ihnen die Ankünfte auf dem „Puy-de-Dôme“, dem „Grand Colombier“ und in Saint-Gervais Mont-Blanc entgegen.
Genau 35 Jahre nach dem Sieg des Dänen Johnny Weltz (1988) feiert der „Puy-de-Dôme“ sein großes Comeback als Ankunftsort der Tour. Die Etappe wird in Saint-Léonard-de-Noblat, dem Heimatort von Raymond Poulidor, starten. Da werden Erinnerungen wach. Die älteren unserer Leser wissen um das mythische Duell vom 12. Juli 1964, als Raymond Poulidor und Leader Jacques Anquetil den Vulkanberg in der Auvergne längere Zeit Schulter an Schulter erstiegen. Im letzten Kilometer aber schwächelte Anquetil. Poulidor machte sich alleine auf und davon und nahm seinem großen Rivalen bis ins Ziel 42 Sekunden ab. Das aber reichte nicht, um den fünften Schlusserfolg von Anquetil zu gefährden. Der „Puy-de-Dôme“ stand bisher erst 13-mal auf dem Streckenplan der Tour. Beim ersten Anstieg im Jahr 1952 holte der spätere Gesamtsieger Fausto Coppi sich die Etappe.
Die vielen Berge der Tour reduzieren die Zahl der potenziellen Sieganwärter auf ein Minimum. So gesehen dürfte es erneut zu einem Duell zwischen den Laureaten der letzten Ausgaben, Jonas Vingegaard (2022) und Tadej Pogacar (2020, 2021), kommen. Beide wollten auf ihren jeweiligen Pressekonferenzen die Favoritenrolle nicht abstreiten, wiesen aber gleichzeitig darauf hin, dass ihr gefährlichster Konkurrent mit genauso vielen Erfolgsaussichten antritt.
Vorteil Vingegaard
Auf den ersten Blick spricht alles für Vingegaard, da er im Jahr 2023 im Gegensatz zu Pogacar vom Pech verschont blieb. Dieser erlitt am 25. April bei Liège-Bastogne-Liège einen Kahnbeinbruch der linken Hand und nahm den Wettkampf erst zwei Monate später bei den slowenischen Meisterschaften wieder auf, wo er sowohl das Einzelzeitfahren als auch den Straßenwettbewerb gewann. Sein Handgelenk, so ließ er vorgestern in Bilbao wissen, sei aber noch nicht wieder voll beweglich und liege bei 60, 70 Prozent. Vor dem schweren Sturz bei der „Doyenne“ hatte Pogacar die „Ronde van Vlaanderen“, das „Amstel Gold Race“ und die „Flèche Wallonne“ gewonnen.
Auch Jonas Vingegaard war in der Saison 2023 recht erfolgreich. Er gewann das Gran-Camino-Rennen, fuhr bei Paris-Nice aufs Podium (3.), holte sich danach die Baskenland-Rundfahrt und beendete das Critérium du Dauphiné, das gemeinhin als Generalprobe der Tour de France angesehen wird, auf dem ersten Platz. „Bisher lief alles perfekt, hoffentlich geht es so weiter“, meinte der Däne am Donnerstagabend auf seiner letzten Pressekonferenz.
Während sich also die Bergfahrer freuen, dürften neben den klassischen Zeitfahrern auch die Sprinter die Streckenführung bemängeln. Denn den schnellsten Männern bieten sich im Vergleich zu den Vorjahren weniger Erfolgsaussichten. Auf den ersten Blick können sie nur die Etappen in Bayonne, Nogaro, Bordeaux, Moulins, Bourg-en-Bresse und auf den Champs-Elysées in Paris anpeilen.
Trotzdem aber müsste ein Schlusserfolg im Punkteklassement für Spezialisten wie Jasper Philipsen oder Fabio Jakobsen möglich sein, umso mehr da Allrounder wie Wout Van Aert oder Mathieu van der Poel ihren Aussagen zufolge nicht unbedingt auf das „Maillot Vert“ erpicht sind. Interessant dürfte Mark Cavendishs Abschneiden bei den Massensprints sein. Der 38-Jährige möchte unbedingt alleiniger Etappensieg-Rekordhalter werden. Zurzeit teilt er diese Führung mit Eddy Merckx (beide 34 Etappensiege).
Drei Luxemburger
Wie im Vorjahr vertreten mit Kevin Geniets (Groupama FDJ, Startnummer 32), Bob Jungels (Bora-hansgrohe, Nr. 74) und Alex Kirsch (Lidl Trek, Nr. 84) genau dieselben drei Fahrer die Luxemburger Farben.
Für Kevin Geniets ist es die zweite Teilnahme nach seinem 47. Rang im Jahr 2022. Der Luxemburger, der sich vor zwölf Monaten als achtbester Jugendfahrer klassierte, kennt seine Rolle als Edelhelfer aus dem Effeff. Er soll seine Leader und vor allem David Gaudu (Vorjahres-Vierter) so lange wie möglich unterstützen. Im Klartext will das auch heißen, dass die eigenen Ambitionen bedingungslos hinten angestellt werden müssen.
Dasselbe gilt größtenteils auch für den neuen Luxemburger Doppel-Meister Alex Kirsch (Straße und Zeitfahren), der sein schönes rot-weiß-blaues Trikot auf allen 21 Etappen tragen darf. Der Lidl-Trek-Fahrer musste die Tour letztes Jahr schon auf der sechsten Etappe verlassen, nachdem er sich fünf Tage lang in krankem Zustand über die dänischen und französischen Straßen gequält hatte. Kirsch will in diesem Jahr zeigen, wozu er wirklich fähig ist. Das hat er kürzlich ja auch beim Giro bewiesen, wo er seinen Leader Mads Pedersen zu einem Etappensieg lotste und am Schlusstag in Rom selbst auf Rang zwei hinter Mark Cavendish spurtete.
Für Bob Jungels sieht alles etwas anders aus. Obwohl er nicht als Teamleader fungiert, ist er nach den Worten des Chefs des erfolgreichsten deutschen Profi-Rennstalls, Ralph Denk, „unser Straßenkapitän“. „Jungels liefert den Bora-Sportdirektoren laufend Informationen, die im Rennen umgesetzt werden können“, so Denk auf der Pressekonferenz des Bora-Teams im Exhibition-Center von Bilbao. „Es kommt auf die Situationen an. Bob wird zur Unterstützung anderer gebraucht. Wenn es aber einige Möglichkeiten gibt, wie letztes Jahr, als er die Etappe gewann – und wenn der richtige Moment sich bietet –, darf Bob es auf eigene Faust versuchen. Wir müssen das herausfinden.“ Bora will „aggressiven Radsport“ bieten, eine Etappe gewinnen und mit dem Giro-Sieger von 2022, Jai Hindley, aufs Schlusspodium fahren.
Für Bob Jungels ist es die fünfte Tour de France. Im Jahre 2015 wurde er 27., im Jahr 2018 erzielte er mit einem elften Platz sein bestes Klassement, 2020 wurde er 43. und letztes Jahr Zwölfter, wobei er die Etappe Aigle – Chatel-Les Portes du Soleil im Alleingang gewann. Das war am 10. Juli 2022. In neun Tagen jährt sich dieses für den Luxemburger Sport freudige Ereignis.
Petz,
Alles gud erklärt, vun A-Z commentéiert, du bass jo een 'aalen Hous'
ët ass tatsächlech esou, den Tour huët dest Joër fiir déi mat Power an de Been geduercht, ët ass ee vun deenen "Tour'ën" wou der Vill nët nokommen, op eng Manéier ass dat och nët onbedengt flott, mä
ët sën schéin Étappen dobäi, a Géigenden, déi Villen onbekannt sën
'good luck, for luck' fiir ons Dräi..