Marie Schreiber hatte sich eigentlich dem Cyclocross verschrieben und gehört bei den Junioren und Espoirs zur Weltspitze. Ihre Topergebnisse weckten das Interesse vieler Teams. Sie staunte nicht schlecht, als sie mitten in der Cyclocross-Saison ein Angebot von SD Worx bekam. Das Talent unterschrieb einen Dreijahresvertrag beim dominierenden Team der letzten Jahre und ist seit vergangenem März Teamkollegin von Christine Majerus. Gleich nach ihrem fünften Platz bei der Cross-Weltmeisterschaft der U23 in Hoogerheide (NL) wurde die Vorbereitung auf die Straßensaison in Angriff genommen.
Anfang Mai ging es für die 20-Jährige gleich zur Vuelta, gefolgt von zwei weiteren Etappenrennen der WorldTour in Spanien, wo sie zur vollsten Zufriedenheit ihres Arbeitgebers unterwegs war. Am Dienstag bestritt sie die letzte Etappe der Tour de Suisse und konnte sich über den Gesamtsieg ihrer Teamkollegin Marlen Reusser (CH) freuen.
Berton kritisiert zu kurze Zeitfahrstrecke
Ins kalte Wasser geworfen wurde auch Nina Berton, die Ende der vergangenen Saison, nach der Auflösung des luxemburgischen Kontinentalteams Andy Schleck-CPNVST-Immo Losch, einen Kontrakt über zwei Jahre bei der deutschen Mannschaft Ceratizit-WNT unterschrieben hat. „Zu Beginn war es ein großes Abenteuer, weil ich nicht darauf vorbereitet war, Teil eines solchen Teams zu sein und sofort ein anspruchsvolles Programm, mit vielen WorldTour-Rennen, zu bestreiten. Im Frühjahr bekam ich die Chance, all die großen Klassiker zu fahren. Das Festival Elsy Jacobs war ein guter Abschluss des ersten Teils der Saison, mit dem ich wirklich zufrieden bin. Mit den Profis konnte ich im Winter ein weitaus umfangreicheres Trainingsprogramm, mit einer Reihe von Lehrgängen, absolvieren. Das gesamte Umfeld ist professioneller, sowohl was das Material als auch die Mitarbeiter des Teams anbelangt. Dies gab mir das nötige Selbstvertrauen, um einen großen Schritt nach vorne zu machen“, erklärte die 21-Jährige, die sich im Kreis der Großen durchsetzen will.
„Im Peloton der Damen spielen die Machtverhältnisse genauso wie bei den Männern. Als ich für das Team Andy Schleck gefahren bin, bekamen wir das als kleine Mannschaft auch zu spüren. Bei Ceratizit-WNT ist es schon einfacher. Im Vergleich zu Teams wie SD Worx gibt es trotzdem noch einen großen Unterschied. Im Trikot von SD Worx wirst du als junge, unerfahrene Fahrerin, wie Marie (Schreiber), gleich respektiert. Andererseits steht sie unter einem größeren Leistungsdruck“, erklärte die amtierende U23-Landesmeisterin (Zeitfahren und Straße) weiter.
Am Mittwochabend duellieren sich Berton und Schreiber im Kampf gegen die Uhr. Im vergangenen Jahr war Erstere um lediglich vier Sekunden schneller als ihre ein Jahr jüngere Konkurrentin. „Es wird wieder eng werden. Ich finde es allerdings schade, dass die Distanz lediglich 7,1 km beträgt. Dies wird Marie, als Cyclocross-Spezialistin, eher entgegenkommen. Details werden den Unterschied ausmachen. Letzten Sonntag bin ich die Strecke abgefahren. Nach einem leicht abschüssigen Beginn, wo man nicht zu viele Körner wegschmeißen sollte, geht es ein paar hundert Meter bergauf. Bis ins Ziel geht es dann auf einem welligen Terrain weiter. Am liebsten wäre ich, wie das bei einer EM oder WM der Fall ist, eine Strecke von 20 Kilometern gefahren. Es ist schade, dass dies bei der Meisterschaft anders gehandhabt wird als bei den Rennen im Ausland. Ich glaube nicht, dass es für Marie von Nachteil sein wird, bis Dienstag bei der Tour de Suisse im Einsatz gewesen zu sein“, so Berton, die ihren Titel im Straßenrennen erst Anfang Juli in der Schweiz verteidigen wird.
„Es ist mit einem Dreikampf zu rechnen“
Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren werden Schreiber und Berton am Sonntag nicht um den Titel bei den Espoirs, sondern zusammen mit Christine Majerus um den Titel bei der Elite fahren. Die Espoirs-Meisterschaft für Damen findet am 2. Juli, erstmals im Rahmen der Drei-Länder-Meisterschaft, in der Schweiz statt. „Deswegen hoffe ich, dass das Rennen einen spannenderen Verlauf nehmen wird, als dies in den vergangenen Jahren der Fall war. Ich werde dementsprechend auch mit einer anderen Taktik in den Wettkampf gehen. Bislang habe ich immer versucht, das Rad von Christine so lange wie möglich zu halten. Wenn sie dann ihre entscheidende Attacke gesetzt hat, dachte ich bei mir „lass sein“, du kriegst deinen Titel ja trotzdem. Jetzt besteht die Möglichkeit, um den Titel bei der Elite mitzufahren. Diesen möchte ich gewinnen, um danach, bei den Rennen im Ausland, im Rot-Weiß-Blauen Trikot zu starten. Christine und Marie, die beide für SD Worx fahren, werden mir das Leben sicherlich schwermachen. Sie wollen verhindern, dass eine Fahrerin aus einer anderen Mannschaft sich den Titel holt. Ich glaube schon, dass ich auf dieser welligen Strecke für eine Überraschung sorgen kann, wenn ich mich schlau anlege. Das wird natürlich sehr schwierig, da Christine ihren Titel auf jeden Fall erneut verteidigen will. Marie wird ebenfalls versuchen, ihre Chance zu nutzen, sodass mit einem Dreikampf zu rechnen ist. Meine Form stimmt, auch wenn ich noch nicht auf dem Leistungsmaximum bin“, erklärt Berton mit vorsichtigem Optimismus.
Das Programm
Mittwoch, 21. Juni (Zeitfahren):
16.45 Uhr: Debutants (m/f) (Eine Runde, 7,0 km)
17.13 Uhr: Dames (Eine Runde, 7,0 Km)
17.29 Uhr: Juniors (m/f) (Eine Runde, 7,0 km)
17.45 Uhr: Masters (Eine Runde, 7,0 Km)
19.00 Uhr: Espoirs (2 Runden, 14,4 km)
19.39 Elite sans/avec contrat (2 Runden,14,4 km)
Nach den Landesmeisterschaften steht für sie ein Höhentrainingslager in Livigno (I) auf dem Programm. Ihr großes Ziel ist die Weltmeisterschaft, wo sie in ihrer letzten Saison bei den U23 alles daransetzen wird, um ein gutes Resultat herauszufahren. „Es macht Freude, zu sehen, dass immer mehr Mädchen den Weg ins Profigeschäft einschlagen. Ich bin optimistisch, dass wir in den nächsten Jahren eine starke Mannschaft aufbauen können, damit wir, bei einer WM in fünf bis sechs Jahren, auch taktische Möglichkeiten haben werden“, so Nina Berton vorausblickend.
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