Initiiert wurde die Debatte durch Fred Keup (ADR). Die Kriminalität nehme zu, das Sicherheitsgefühl gehe zurück, so seine einleitende Feststellung. Die Straftaten gegen Personen seien in den letzten 20 Jahren um 400 Prozent gestiegen, die der Gewalttaten um 300 Prozent. Im selben Zeitraum sei die Einwohnerzahl lediglich um 50 Prozent gestiegen. Womit Keup das Argument entkräften wollte, wonach eine wachsende Bevölkerung auch steigende Verbrechenszahlen nach sich ziehe.
Keup bemängelte die Unvollständigkeit der statistischen Daten. So fehlten soziologische Angaben zu den mutmaßlichen Tätern. Der Regierung warf er vor, nicht proaktiv in Sachen Jugendkriminalität zu handeln und nicht öffentlich darüber zu reden. Er machte sich zum Sprachrohr von Polizeigewerkschaftlern. Auch sie forderten strengere Gesetze.
Allgemein kritisierte der ADR-Abgeordnete, die Öffentlichkeit werde angeblich nicht über alle Straftaten informiert. Mangelhaft sei die Information auch bei schweren Straftaten, wie etwa beim rezenten Überfall am frühen Abend im hauptstädtischen Stadtpark, bei dem eine Person durch Messerstiche schwer verletzt wurde. Man wolle die Bevölkerung nicht beunruhigen, mutmaßte Keup. Ob die Regierung den Bürgern misstraue? Sie sei offensichtlich nicht in der Lage, den Sicherheitsproblemen entgegenzutreten, so Keup, der abschließend einen Katalog an Vorschlägen vorlegte, wie seine Partei das Problem angehen würde: strengere Gesetze, Ausbau der Jugendanstalt in Dreiborn, schnellere Aburteilung von Straftätern, Ausweisung krimineller Ausländer, Kameraüberwachung an den Grenzübergängen, zeitweilige Abriegelung ganzer Stadtviertel bei massiver Polizeipräsenz zwecks Personenkontrollen.
Mehr Polizeipräsenz
Ähnliche Töne schlug CSV-Sprecher Léon Gloden an. Die Kriminalität sei massiv gestiegen. Das müsse man angesichts der vorliegenden Zahlen sagen. Als Beleg für die Behauptung führte er auch rezente Aussagen der hauptstädtischen Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) an. Wo denn übrigens Premierminister Bettel in dieser Debatte sei, müsste er doch Polfer zur Seite stehen, so Gloden. Vor allem Eigentumsdelikte und Gewalttaten gegen Personen würden die Bürger beunruhigen. Dass insbesondere die Jugendkriminalität zugenommen habe, bezeichnete er als eine gesellschaftliche Niederlage. Dennoch müsse der Rechtsstaat seine Autorität durch Polizei und Justiz zeigen. Auch Gloden legte konkrete Vorschläge vor: die Polizeibeamten von administrativer Arbeit befreien; Taser und Bodycams einführen; eine kommunale Polizei, ein „vollwertiger“ Platzverweis, Bestrafung von Jugendlichen unter 14 Jahren in schweren Fällen.
Die Idee einer kommunalen Polizei gefiel auch Claude Lamberty (DP). Dieses Polizeikorps müsste in eng mit der Polizei zusammenarbeiten. Erwünscht sei eine stärkere Präsenz der Polizei vor Ort. Was jedoch angesichts des Personalmangels nicht immer möglich sei. Erörterungswürdig sei auch die sofortige Vorführung mutmaßlicher Straftäter, was eine abschreckende Wirkung haben könnte.
Dan Biancalana (LSAP) befasste sich mit der Qualität der gesammelten Kriminalitätsdaten. Es werde recht wenig über die Justizstatistiken geredet. Und nachträglich würde auch keine Korrektur der Polizeistatistik stattfinden. Als eventuellen Grund für die Zunahme der Delikte nannte er die Möglichkeit, Straftaten der Polizei online zu melden. Auch Biancalana wünschte sich mehr Daten, u.a. zu Opfern und Tätern. Derzeit würden diese Angaben von einzelnen Ministerien nach unterschiedlichen Systemen erhoben.
Keine einfachen Lösungen
Mit einem Zitat des damaligen CSV-Abgeordneten Willy Bourg während der Parlamentsdebatte zur Fusion von Polizei und Gendarmerie im Jahr 1999, dass der Ruf nach mehr Sicherheit einem realen Bedürfnis in der Gesellschaft entspreche, wies Stéphanie Empain („déi gréng“) darauf hin, dass die Diskussion über Sicherheit seit über 30 Jahren geführt und seit 30 Jahren der Teufel an die Wand gemalt werde. Auch die Nachbarländer würden steigende Kriminalitätsraten verzeichnen. Als Erklärung dafür nannte sie u.a. einen „Aufholeffekt nach der Pandemie“ und den Bevölkerungszuwachs. Nach Covid-19 habe man es mit einer neuen Krise mit hohen Inflationsraten zu tun. So hat der Benzinklau stark zugenommen. Von Bedeutung seien detaillierte Statistiken, um die Lage besser einschätzen zu können. Sie stellte dabei keinen fehlenden Willen zur Transparenz seitens des Ministeriums fest. Würden die Zahlen besser aufgeschlüsselt, würde man feststellen, dass Schwarzmalerei übertrieben ist. Die Schaffung einer Kommunalpolizei lehnte sie ab. Statt eine neue Parallelstruktur zu schaffen, sollten der bestehenden Polizei die notwendigen Mittel gegeben werden. Nur reichere Gemeinden könnten sich außerdem eine Kommunalpolizei leisten.
Empain warnte vor einem Missbrauch der Sicherheitsproblematik in Vorwahlzeiten. Luxemburg sei weiterhin ein sicheres Land, so die Grünen-Abgeordnete. Die ADR und Keup machten Politik mit Sicherheit und nicht Politik für Sicherheit. Die ADR setze auf Spaltung, Hass und Ressentiments gegenüber Ausländern. Rechte Parteien wollten insbesondere vor Wahlen mit den Themen Sicherheit und Kriminalität polarisieren, meinte Nathalie Oberweis („déi Lénk“). Keup habe durchblicken lassen, dass die meisten Kriminellen von jenseits der Grenze kämen. Über Finanzkriminalität werde weniger berichtet als über Drogendelikte, so ihr Vorwurf.
Man dürfe die Lage nicht schlimmer darstellen, als sie sei, mahnte Marc Goergen (Piratenpartei). Einfache Lösungen gebe es jedoch nicht. Dazu zähle auch die Kommunalpolizei. Woher die benötigten Menschen und Strukturen nehmen? Das sei ein falsches Versprechen. Vielmehr brauchten die Polizeibeamten „unsere“ Unterstützung. Gelöst werden müssten u.a. deren IT-Probleme.
Polizeiminister Henri Kox („déi gréng“) wies den Vorwurf zurück, Statistiken zu beeinflussen oder darüber zu entscheiden, was der Öffentlichkeit mitgeteilt werden dürfe. Gleichzeitig betonte er, dass man in Sachen Transparenz und Offenheit nicht so gut aufgestellt sei. Das sei bereits intern diskutiert worden. Als Erklärung führte er ein veraltetes Erfassungsprogramm für die Polizeistatistik an. So werde derzeit bei einem Überfall mit Waffe nicht unterschieden, ob es sich dabei um eine gebrochene Flasche, einen Schrauberzieher oder ein Messer handle. Auch würde in den Protokollen nur der Fall erfasst, aber kein Täterbericht.
Bei der Frage einer Kommunalpolizei hielt Kox sich bedeckt, wies aber auf das bestehende Polizeigesetz von 2018 hin und den bereits heute den Bürgermeistern eingeräumten Möglichkeiten, auf die Polizei zurückgreifen zu können. Es fehle jedoch an Personal. Kox erinnerte dabei an die rezenten drei Rekrutierungswellen von jeweils 200 Personen. Die vierte Welle werde im Herbst starten. Geplant sei eine fünfte und eine sechste werde nicht ausgeschlossen. Insgesamt sollen dann netto 600 zusätzliche Polizeibeamte zur Verfügung stehen.
34 Tage Telearbeit für französische Pendler
Französische Grenzgänger werden länger im Homeoffice arbeiten können und dabei weiterhin in Luxemburg besteuert. Bei Telearbeit bestehe insbesondere seit der Corona-Pandemie eine reelle Nachfrage, so Berichterstatter Guy Arendt (DP) am Mittwoch. Die Abänderung des Abkommens über Doppelbesteuerung mit Frankreich erhöht die mögliche Zahl von Telearbeitstagen von bisher 29 auf 34. Ab dem 35. Arbeitstag wird in Frankreich besteuert. Die 34-Tage-Toleranzgrenze war bereits mit Belgien vereinbart worden. Mit Deutschland laufen noch Gespräche.
Einstimmig wurde ebenfalls ein Gesetz zur Umsetzung einer EU-Direktive zur verstärkten Zusammenarbeit zwischen den EU-Ländern bei der Besteuerung von Online-Plattformen angenommen.
Den kommunalen Präventionskomitees soll in Zukunft neben Vertretern von Gemeinde und Polizei auch ein Vertreter der „agents municipaux“ angehören. Das sieht die am Mittwoch beschlossene Gesetzesänderung vor. Die „agents“ waren vor kurzem mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet worden.
Immer schreien die Rechten nach 'Law&Order'