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ParlamentSoziale Ungerechtigkeiten bei Freiberuflern werden ausgemerzt

Parlament / Soziale Ungerechtigkeiten bei Freiberuflern werden ausgemerzt
Auf Initiative der DP-Abgeordneten Carole Hartmann wurde am Donnerstag über Kurzarbeit geredet Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Dass Selbstständige in Krisenzeiten im Vergleich zu Beschäftigten ungleich behandelt werden, wurde nicht zuletzt während der Covid-19-Pandemie deutlich. Während Beschäftigte von Privatunternehmen in Kurzarbeit gingen und rund 80 Prozent ihres Gehalts bezogen, gingen die Freiberufler in einer ersten Phase leer aus. Erst später wurde auch ihnen finanzielle Unterstützung gewährt. Rund 8,7 Prozent der Arbeitenden sind Selbstständige.

Um diese und andere Ungleichbehandlungen ging es am Donnerstag bei der Interpellation der DP-Abgeordneten Carole Hartmann im Parlament. Zwar sind in der Vergangenheit Verbesserungen vorgenommen worden, so können z.B. auch Selbstständige Elternurlaub beantragen, dennoch bestehen noch etliche soziale Ungerechtigkeiten.

Hartmann forderte das Recht auf Kurzarbeit auch für Unabhängige. Die Höhe des Entgelts könnte auf 250 Prozent des unqualifizierten Mindestlohns begrenzt werden. Anders behandelt werden Freiberufler auch beim Arbeitslosengeld. Während Beschäftigte nachweisen müssen, dass sie während eines Jahres ein Arbeitsverhältnis hatten, müssen Selbstständige zwei Jahre lang Sozialversicherungsbeiträge eingezahlt haben. Auch müssen sie nachweisen, dass sie keiner Tätigkeit mehr nachgehen. „Konkret bedeutet das, dass der Betrieb in Konkurs gehen muss“, so Hartmann. Um den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern, schlug sie eine Modulierung der Sozialbeiträge für Freiberufler zu Beginn ihrer Tätigkeit vor. Die Basisbeiträge werden aufgrund des Mindestlohnes berechnet, dabei verdient ein Selbstständiger anfangs oftmals weniger.

Mosar: „Warum nicht früher?“

Erstaunt zeigte sich der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar über den Forderungskatalog der DP-Rednerin. Diese Ungleichheiten gebe es schließlich seit Jahren. Wenige Monate vor den Wahlen würde die Mehrheit nun erwachen. „Warum wurde da nicht früher gehandelt?“, fragte Mosar. Von Torschlusspanik keine Spur, entgegnete Arbeitsminister Georges Engel (LSAP). Die Interpellation sei bereits im August 2021 angefragt worden.

Als Erster wies Dan Kersch (LSAP) darauf hin, dass die Gleichsetzung von Freiberuflern mit Beschäftigten in Sachen Kurzarbeit nicht problemlos erfolgen könne. Kurzarbeit werde einem Unternehmen aufgrund konjunktureller Schwierigkeiten nach einer Entscheidung des Konjunkturkomitees gewährt. Eine Einschätzung, der sich Engel anschloss. Bezieher von Kurzarbeitergeld müssten für den Arbeitsmarkt „disponibel“ sein. Was beim Patron eines Unternehmens nicht der Fall sei, müsse dieser sich doch trotz Einkommensausfall weiterhin um den Betrieb kümmern. Außerdem sei unklar, auf welcher Grundlage die Entschädigung berechnet werden könne, so Engel. Anpassungen versprach er hingegen beim Zugang zum Arbeitslosengeld. An einem entsprechenden Gesetzentwurf werde gearbeitet.

Auch Sozialminister Claude Haagen (LSAP) sah noch Verbesserungsmöglichkeiten beim Freiberuflerstatus. Variable Beitragssätze zur Sozialversicherung, wie von Hartmann zuvor vorgeschlagen, lehnte er jedoch ab. Da bewege man sich in Richtung einer Sozialversicherung à la carte. Einer Änderung der Antikumulbestimmungen bei der Frührente für Unabhängige stimmte er hingegen zu. Wer als Selbstständiger in Frührente mehr als ein Drittel des Mindestlohns pro Jahr zusätzlich verdient, verliert den Rentenanspruch. Bei Frührentnern des Privatsektors wird lediglich die Höhe der Rente entsprechend reduziert.

Ein Antimobbing-Gesetz für Luxemburg

Als eines der wenigen EU-Länder hatte Luxemburg bisher kein Antimobbing-Gesetz. Geregelt wurde diese Frage lediglich durch eine Konvention zwischen den Gewerkschaften OGBL und LCGB und dem Unternehmensverband UEL aus dem Jahr 2009.

Das gestern am Nachmittag verabschiedete Gesetz definiert den Begriff Mobbing und verpflichtet sowohl die Unternehmen als auch die Beschäftigten und die Zulieferer, jede Form von Belästigung zu bekämpfen. Als Mobbing werden wiederholte und systematische Angriffe gegen die Würde und die psychische und physische Unversehrtheit einer Person bezeichnet. Sollte ein Unternehmen keine oder unzureichende Maßnahmen gegen Mobbing ergreifen, kann die Gewerbeaufsicht eingeschaltet werden. Nach zwei Jahren soll das Gesetz ob seiner Wirkung auf den Prüfstand kommen, so eine Motion, die von Berichterstatter Dan Kersch (LSAP) deponiert wurde.

Das Gesetz präzisiere die Vorgehensweise gegen Mobbing-Fälle, lobte Arbeitsminister Georges Engel die Vorzüge des Textes gegenüber der Konvention Gewerkschaften-Arbeitgeber. Die Gewerbeaufsicht werde entsprechend aufgerüstet. Das Gesetz wurde bei 25 Enthaltungen angenommen.

Intermezzo mit Wagner-Gruppe

Für Empörung sorgte Fernand Kartheiser (ADR) bei der Debatte um einen Gesetzentwurf, der die Obergrenze bei der Rekrutierung von Armeeangehörigen aufhebt. Notwendig wurde dieser Schritt, weil der gesetzliche Militärkader durch die massive Rekrutierung von Zivilpersonal fast erschöpft ist. Kartheiser befürchtete eine weitere Öffnung der Armee für Nicht-Luxemburger. Man könne dann in Bälde auf die Wagner-Gruppe zurückgreifen, die bald viel Zeit habe, meinte er.

Kartheisers Ironie schmeckte nicht jedermann im Plenum, über das eine kleine Welle der Entrüstung schwappte. Zuerst forderte der DP-Abgeordnete Gusty Graas eine Entschuldigung von Kartheiser. Ihm folgte Armeeminister François Bausch („déi gréng“). Ob er sich bewusst sei, was er da gesagt habe, fragte er und wies auf die Untaten der genannten Truppe hin, bei der es sich nicht bloß um eine Söldnerbande handele. Es sei vielmehr eine faschistische Mördergruppe, die sich kaum vorstellbarer Gräueltaten schuldig gemacht habe. Sie habe eine Blutspur in Libyen und Syrien hinterlassen. Die Wagner-Gruppe ist derzeit aktiv im Krieg Russlands gegen die Ukraine impliziert.

Kartheiser entschuldigte sich bei Graas. Er habe lediglich darauf hinweisen wollen, dass Offiziere laut internationalem Recht dem Land ihrer Staatsangehörigkeit Loyalität schulden, ergo ihre Aufnahme in die Luxemburger Armee nicht ohne Weiteres erfolgen könne. Dazu sei die Zustimmung des Ursprungslandes notwendig. Anders stellt sich die Frage bei der Rekrutierung von Soldaten. Seit einigen Jahren dürfen auch EU-Bürger für Luxemburg kämpfen.

Parlament aufgewertet

Der alten Verfassung zufolge hatte das Parlament, eigentlich die erste Gewalt im Staat, nicht das Recht, der Regierung sein Misstrauen auszusprechen. Das ändert sich mit dem abgeänderten Verfassungstext, der am 1. Juli 2023 in Kraft treten wird. In diesem Zusammenhang beschloss das Parlament einstimmig eine Änderung seines internen Reglements. So wird den Abgeordneten das Recht eingeräumt, einen Misstrauens- oder Vertrauensantrag gegen die Regierung oder ein einzelnes Regierungsmitglied zu stellen. Damit werde die Rolle des Parlaments bei der Kontrolle der Exekutive gestärkt, freute man sich am Krautmarkt.

ruthenau
10. März 2023 - 15.08

Ich dachte bei Selbständigen wäre das unternehmerische Risiko der Grund für die hohen Gehälter?