Tageblatt: Wie haben Sie die lange wettkampflose Zeit überstanden?
Christine Majerus: In den letzten Jahren war ich in den Monaten Dezember und Januar immer auf dem Crossrad unterwegs. Wegen meiner Verletzung konnte ich nicht an der Cyclocross-Saison teilnehmen. Dafür habe ich in diesem Winter eine ganze Reihe von produktiven Lehrgängen in Spanien absolviert, wo ich mein Bestes gegeben habe, um wieder in Form zu kommen. Es war jedoch ohne Zweifel der langweiligste Winter meiner Karriere. Mir ist klar geworden, dass eine solche Vorbereitung mir viel weniger Spaß bereitet. Im kommenden Winter will ich wieder einen fließenden Übergang von der Cross- in die Straßensaison finden. Auch wenn das Wetter in Spanien angenehm ist, so war es doch etwas zu viel des Guten. Zu Hause ist es immer noch am schönsten. Ich bin weniger eine Trainings- als vielmehr eine Wettkampfathletin. Deswegen haben mir die Cross-Rennen im Winter wirklich gefehlt. Jetzt sind die langen Trainingstage vorbei und ich habe große Lust, endlich wieder Rennen zu bestreiten.
Wann haben Sie das Training wieder aufgenommen?
Es ist nicht so, dass ich im Winter gar nicht trainiert hätte. Ich konnte halt nicht alles trainieren, Krafttraining war kaum möglich. Mitte November habe ich wieder mit dem Training begonnen und Anfang Dezember habe ich wieder auf der Straße trainiert. Das Risiko, Cross- oder Mountainbike zu fahren, bin ich nicht eingegangen. Diese Abwechslung hat mir gefehlt.
Sie haben die Zeit genutzt, um das Kinderbuch „E Velo fir de Muli“ zu illustrieren.
Das Buch war eigentlich schon im Juli fertig. Die letzten Zeichnungen habe ich während der England-Rundfahrt fertiggestellt. Im September hatte ich dann reichlich Zeit, um mich mit der Finalisierung des Buches zu beschäftigen. Es war ein interessantes Projekt und es hat mich gefreut, Erfahrungen in einem Bereich außerhalb des Sports zu sammeln. Die Rückmeldungen von den Leuten, ebenso wie die Verkaufszahlen, sind ganz positiv. Wir sind zufrieden, diesen Schritt getan zu haben.
Bleibt es bei diesem einmaligen Projekt?
Ich zeichne schon seit Jahren, eher Postkarten. Das bereitet mir eine Menge Spaß und ich bin nicht abgeneigt, diese Richtung einzuschlagen. Ob es zu einem neuen Buch kommen wird, steht allerdings noch in den Sternen. Ich habe ein paar Ideen. Diese müssen jedoch noch etwas reifen. Zur Umsetzung eines Projektes bedarf es natürlich auch des Interesses eines Verlages.
Das erste Rennen steht nun vor der Tür. Konnten Sie zu Ihrer gewohnten Form zurückfinden?
Nach zwei Monaten Pause war meine Form dahin. Es bedurfte dreier Monate harter Arbeit, um zu meinem Leistungsniveau zurückzufinden. Diese Zeit war sehr anstrengend. Physisch bin ich jetzt wieder bereit. Die letzten Monate war ich weniger unterwegs und hatte deswegen weniger Stress. Ob sich dies positiv auswirkt und ich ausgeruhter und besser vorbereitet in die Straßensaison gehe, muss sich erst noch bestätigen. Ich glaube nicht, dass es einen großen Unterschied macht, was meine Leistungsfähigkeit anbelangt. Jetzt bin ich an dem Punkt angelangt, wo ich sagen kann, dass ich leistungsmäßig ungefähr dort bin, wo ich mich vor meinem Sturz befand. Damit habe ich das Ziel, das ich mir für den Winter gesetzt hatte, erreicht. Ich hoffe, dass ich dies jetzt auch in den Rennen bestätigen kann. Es wird Zeit, dass ich das tun kann, wofür ich trainiert habe.
Dieses Jahr geht es für mich in erster Linie darum, mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren
Mit welchen Rennen steigen Sie in die Saison ein?
Am Samstag starte ich in Belgien beim Omloop Het Niewsblad (1.WWT). Einerseits bin ich froh, dass ich für das erste große Rennen der Saison nominiert wurde und die Mannschaft mir das Vertrauen schenkt. Das ist der Beweis, dass ich in der Vorbereitung gut gearbeitet habe. Andererseits nehme ich das Rennen nicht so entspannt, wie das in den Jahren zuvor der Fall war, in Angriff. Obschon ich die belgischen Straßen ebenso gut kenne wie die luxemburgischen, gehe ich diesmal mit gemischten Gefühlen an den Start. Das liegt daran, dass mein letztes Rennen schiefgelaufen ist und ich seitdem keinen Wettbewerb mehr bestritten habe. Ich hoffe, dass diese kleine Aufregung sich schnell legen wird und ich meine Arbeit zur Zufriedenheit der Mannschaft erledigen kann. Wir gehen mit großen Ambitionen an den Start. Lotte (Kopecky) und Amy (Pieters) haben bei den Lehrgängen gezeigt, dass sie sich in exzellenter Form befinden. Das erste Rennen in Belgien ist für uns von großer Wichtigkeit. Danach hoffe ich, bei der Ronde van Drenthe, Bruges – De Panne, Gent – Wevelgem und der Tour des Flandres dabei zu sein. Mein Highlight wird natürlich der Klassiker Paris-Roubaix sein.
Was haben Sie sich für Paris-Roubaix vorgenommen?
Ich hoffe, ein gutes Rennen bestreiten zu können. Diesmal werde ich nicht unbedingt als Leader an den Start gehen, da Lotte (Kopecky) im vergangenen Jahr gezeigt hat, dass sie das Zeug dazu hat, das Rennen zu gewinnen. Mir geht es darum, gut in Form zu sein und gegebenenfalls auch ein gutes persönliches Resultat herauszufahren. Das Rennen kommt mir entgegen und möchte dies in einem meiner beiden letzten Jahre bestätigen. Dafür muss an dem Tag alles passen. Letztes Jahr hatte ich Pech und bin gestürzt. Die unvorhersehbaren Geschehnisse sind es, die den Reiz dieses Rennens ausmachen.
Wie stark schätzen Sie Ihre Mannschaft in diesem Jahr ein?
Eine Reihe von jungen Fahrerinnen sind neu in der Mannschaft, wie die beiden starken Niederländerinnen Mischa Bredewold und Femke Markus, aber auch Marie Schreiber. Sie wird ein angepasstes Rennprogramm fahren, da sie erst vor Kurzem ihre Cyclocross-Saison beendet hat. Lotte (Kopecky) hat den notwendigen „Punch“, um bei den Klassikern erfolgreich zu sein, Demi (Vollering) ist unser Leader bei den Etappenrennen. Mit Lorena Wiebes haben wir jetzt auch eine echte Sprinterin im Team, an der kaum jemand auf der Zielgeraden vorbeikommt. Unsere Rennstrategie werden wir daher für die entsprechenden Rennen anpassen. Wir können also noch ambitiöser in die Saison gehen. Ich hoffe, dass es uns gelingt, gleich zu Beginn mit guten Resultaten aufzuwarten. Im Gegensatz zu den anderen Teams steigen wir recht spät ein. Wir springen jetzt auf den Zug, ohne zu wissen, wo wir genau stehen. Hoffentlich finden wir uns schnell, um in einen positiven „Flow“ zu kommen.
Welches sind Ihre persönlichen Zielsetzungen?
Dieses Jahr geht es für mich in erster Linie darum, mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich unbedingt in Paris dabei sein will. Dafür muss ich für Luxemburg Punkte sammeln. Da ich Teil einer sehr starken Mannschaft bin, ist es für mich nicht einfach, Top-Resultate einzufahren. Im Vorfeld der Saison habe ich das Thema Olympia-Qualifikation offen mit den Verantwortlichen des Teams angesprochen, damit sie mich dabei unterstützen, dieses Ziel zu erreichen. In diesem Jahr haben wir auch ein kleines Rennprogramm mit der Nationalmannschaft, wo ich mir bei kleineren Rennen gute Platzierungen erhoffe. Mit Ausnahme von Paris-Roubaix werde ich mich dieses Jahr nicht auf einzelne Rennen fokussieren. Es geht mir eher darum, eine regelmäßig gute Leistung zu bringen. Vielleicht springt kein ganz großes Resultat dabei heraus, eher eine Reihe von guten Platzierungen, welche es mir erlauben werden, nächstes Jahr in Paris starten zu können.
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