Der Staat und seine Rolle in der Gesellschaft müssen laut „déi Lénk“ klar umrissen werden. Die ganze Verfassung müsste sich an Begriffen wie Sozialstaat, Laizität, direkte und repräsentative Demokratie, gerechte Gesellschaft, starker Schutz der Grundrechte, Friedenspolitik, Vertiefung der Demokratie und der sozialen Rechte in der EU orientieren.
Konkret sieht der Alternativvorschlag vor, den Kreis der wahlberechtigten Personen zu erweitern. Bürger wäre jeder, der die Luxemburger Staatsangehörigkeit hat, aber auch jeder Einwohner, der mindestens fünf Jahre in Luxemburg lebt. Das Wahlrecht ab 16 Jahren würde eingeführt. Die Grundrechte, wie Recht auf Bildung, auf Arbeit und auf Wohnen, müssten einklagbar sein. Außerdem würde das Recht der Bürger, gesetzliche Initiativen anzuregen, erweitert.
Dieser Verfassungsentwurf, in 18 Kapitel und 203 Artikel gegliedert, würde Antworten auf viele Krisen geben, die uns derzeit beschäftigen, so Berichterstatterin Nathalie Oberweis von „déi Lénk“. Der Text konnte bereits im Institutionsausschuss keine Mehrheit finden. Auch im Plenum wurde der Vorschlag mit der geballten Macht von DP, LSAP, „déi gréng“, CSV, ADR und „Piratepartei“ im ersten Votum zurückgewiesen. Zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten wären für eine Annahme notwendig gewesen, wobei eine Abstimmung über Vollmacht ausgeschlossen war. Der Vorschlag wurde mit 51-Nein und zwei Ja-Stimmen abgelehnt.
Die schärfste Opposition provozierte der Vorschlag, die Monarchie abzuschaffen. Kann man denn eine Verfassung an der Geschichte des Landes vorbeischreiben, empörte sich Léon Gloden (CSV). Luxemburg ist eine konstitutionelle Monarchie und der Großherzog als Staatschef helfe, die Türen der Welt zu öffnen. „Wir sind klar gegen eine Republik“, so Gloden. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass „déi Lénk“ nicht so weit gegangen seien, eine Direktwahl des Präsidenten durch das Volk in ihren Entwurf einzuschreiben.
Wie auch andere Redner nach ihm, wies Gloden auf Gemeinsamkeiten zwischen dem Mehrheitsvorschlag und dem Text von „déi Lénk“ hin. Auch der Vorschlag des parlamentarischen Institutionsausschusses sehe eine Bürgerinitiative vor. Ebenfalls würden soziale Rechte, so etwa der Sozialdialog, verfassungsmäßig verankert. Der Gesetzesvorschlag von „déi Lénk“ sei keinesfalls besser und moderner, so der CSV-Sprecher. Das sei ein alternativer Vorschlag, aber kein besserer. Er sehe nicht mehr soziale Rechte vor und sei nicht demokratischer.
Zusammenbringen, nicht spalten
Die Mehrheitsparteien hatten sehr früh ihre „Zurückhaltung“ zur Alternativverfassung geäußert, betonte Simone Beissel (DP). Nicht nach Geschmack der Liberalen ist die vorgeschlagene Möglichkeit, große Unternehmen zu verstaatlichen. Die Monarchie durch eine Präsidentschaft mit begrenzten Befugnissen zu ersetzen, bedeute keinen Mehrwert für das Land von heute. Beissel erinnerte daran, dass am 12.1.1919 Luxemburg zur Republik proklamiert worden war, als solche jedoch nur zwei Tage überlebte. Im selben Jahr sprach sich eine Mehrheit der Luxemburger bei einem Referendum gegen die Republik und für den Erhalt der Monarchie aus. Mit der neuen Verfassung werde die Monarchie, wie auch in anderen Ländern Europas, an die heutige Zeit angepasst.
Auch der sozialistische Sprecher Mars di Bartolomeo wies auf viele Gemeinsamkeiten zwischen beiden Verfassungstexten hin, unter anderem bei der Definition des Sozialstaats. Die Laizität des Staates, die Stärkung des Parlaments zögen sich wie ein roter Faden durch die Vorschläge des Institutionsausschusses. Es bestehe keine Notwendigkeit, die Staatsform infrage zu stellen. 2015 hätten sich die Bürger gegen das Wahlrecht mit 16 Jahren ausgesprochen. Dem werde in den Texten Rechnung getragen, so der Redner. Eine Änderung dieser Bestimmung könne nur über eine entsprechende Revision der Verfassung erfolgen. Der Vorschlag von „déi Lénk“ enthalte Elemente, die die Gesellschaft spalten würden. Eine Verfassung sollte aber einen und nicht spalten.
Bei den Grünen wurde an eigene Vorschläge gedacht, so Charles Margue. Man sei jedoch zur Schlussfolgerung gelangt, dass Parteipolitik in dieser Frage vermieden werden sollte, man vielmehr an einem möglichst guten Konsenstext mitwirken sollte. Als positiv bewertete er, dass die Wahlpflicht nun in die neue Verfassung eingeschrieben wird. Weitere positive Elemente seien die klare Definition der Befugnisse des Parlaments. Der Vorschlag von „déi Lénk“, die Hälfte des Verfassungsgerichts durch das Parlament zu ernennen, würde diese Gerichtsinstanz politisieren. Keine Zweidrittelmehrheit fand man im Ausschuss bei der Schaffung eines einheitlichen Wahlbezirks. Die Grünen wollten auch diese Frage später über eine Gesetzesänderung regeln.
Nein, sagten auch Fernand Kartheiser (ADR) und Sven Clement („Piratepartei“). Für die ADR sei die Verfassung ein Instrument zur Beschreibung der Architektur des Staats. Sie sei kein politisches Programm. Wer von Bürgerbeteiligung spreche, wie die Befürworter des Kommissionvorschlags, solle auch die Verfassungsänderungen einem Referendum unterbreiten. Die Frage des Ausländerwahlrechts sei mit dem Referendum von 2015 entschieden worden. Aber die Diskussion sei damit noch immer nicht abgeschlossen, befürchtete Kartheiser, würde sie doch wohl nach den Wahlen erneut aufgeworfen werden. Ohne Verfassungsrevision sei dies nicht möglich, so der Zwischenruf von di Bartolomeo.
Gefallen an der Debatte gestern fand Sven Clement. Man sollte auch in Zukunft öfters über Vorschläge der Abgeordneten reden. Die Piraten kritisierten, dass die vier Kapitel zur Neufassung des Grundrechts hinter verschlossenen Türen ausgearbeitet wurden. Sie sollten nicht vom Parlament beschlossen, sondern per Referendum verabschiedet werden. Mehr Bürgerbeteiligung sei angebracht, aber er habe Verständnisprobleme beim Vorschlag, dass jeder Einwohner, der mehr als fünf Jahre in Luxemburg lebe, gleich die Nationalität bekomme. Die Auflistung der administrativen Sprachen Luxemburgisch, Französisch und Deutsch sollte durch das Englische ergänzt werden.
Zusatzkredit für Radweg Esch-Belval
Angenommen wurden mehrere Gesetzesprojekte über Hilfsmaßnahmen für Unternehmen, die besonders stark von den hohen Energiepreisen betroffen sind. Ein weiterer Entwurf betraf den Radfahrerweg zwischen Esch und Belval. Weil das Projekt teurer als 40 Millionen Euro wird, musste ein Sondergesetz verabschiedet werden. Das Gesetz erlaubt nun einen Maximalbetrag von 47,5 Millionen Euro. Das Budgetgesetz von 2020 sah einen Betrag von 34,5 Millionen Euro vor, ein Jahr später waren es bereits 36 Millionen Euro. Die Mehrkosten entstehen durch nicht vorgesehene Zusatzarbeiten und höhere Materialkosten, so Bericherstatterin Chantal Gary von „déi gréng“.
Zu Beginn der Sitzung hatte Sozialminister Claude Haagen (LSAP) eine Parlamentsdebatte über die Strategie des Pensionsfonds der Rentenkassen angekündigt. Erst danach werde er eine Entscheidung bezüglich der neuen Strategie treffen, versicherte er Myriam Cecchetti („déi Lénk“).
Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) bestätigte Informationen, dass die Eigentümer des Galvanisierungswerks Liberty Steel in Düdelingen sich erstmals zum Verkauf bereit erklärt hätten. Es gebe tatsächlich einen Interessenten, so Fayot, der wegen der laufenden Verhandlungen keine Details dazu geben wollte. Aber eine abschließende Lösung gebe es noch nicht. Ein Konkurs sollte jedoch vermieden werden. Liberty Steel in Düdelingen produziert weiterhin nicht. Eine „ziemlich katastrophale Situation“, bei der ein Eigentümer monatlich Geld für Löhne und Unterhalt verbrennt und dabei keine industrielle Perspektive hat. Das sei noch nie dagewesen, so Fayot. Ein schwacher Punkt des Konkursgesetzes Luxemburgs sei, dass man bei derartigen Fällen nicht eingreifen könne, etwa durch einen Zwangsverwalter. Ein entsprechendes Gesetzesprojekt liege bereits vor, sagte Fayot. Derzeit arbeiten noch 170 Personen im Düdelinger Werk.
Schued.
"Verfassung an der Geschichte des Landes vorbeischreiben,"
Das haben doch die Franzosen gemacht, oder?
Welcher Ludwig musste damals gehen? Danach konnten die Bürger wieder Kuchen essen.
Doropshin wielen ech dei Lenk!!!!