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Kayl-TetingenKeineswegs altes Eisen: Das „Musée Ferrum“ hat am Freitag seine Türen geöffnet

Kayl-Tetingen / Keineswegs altes Eisen: Das „Musée Ferrum“ hat am Freitag seine Türen geöffnet
Arbeitsmaschinen aus der früheren „Schungfabrik“ Foto: Editpress/Lucien Montebrusco

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In Tetingen wurde am Freitag das neue Museum Ferrum eröffnet. Die in der ehemaligen „Schungfabrik“ eingerichteten Räumlichkeiten führen die Besucher nicht nur in die jahrtausendealte, von der Eisenindustrie mitbestimmte Geschichte der Ortschaft zurück. Sie werden auch Stätte der Begegnung und des Austausches sein.

Wer sich der „Schungfabrik“ aus dem Park Ouerbett kommend näherte, dem fiel bisher vor allem der neue Holzbau auf, der sich an die Rückseite des ehemaligen Fabrikgebäudes schmiegt: die Galerie Kirscht. Sie ist nach dem in Rümelingen geborenen, aber zeitlebens in der Gemeinde Kayl lebenden Künstler Emile Kirscht benannt. Das Ehepaar Martha und Jean Haan-Duval hatte seine umfangreiche Bilder- und Kollagenkollektion der Gemeinde Kayl vermacht, mit der Auflage, dem Publikum die Werke in Wechselausstellungen zu zeigen. Der Ausstellungsraum war bereits im Dezember vergangenen Jahres eröffnet worden. Die Verbindung zwischen Galerie und dem Hauptgebäude der „Schungfabrik“ stellt nun das Museum Ferrum her.

In rekordverdächtigen drei Jahren wurde in den ehemaligen Wirtschaftsgebäuden der Fabrik ein schmuckes Lokalmuseum eingerichtet. Doch die geistigen Vorarbeiten und Recherchen in den Archiven hatten bereits viele Jahre zuvor begonnen. Die Idee stammte vom damaligen Bürgermeister John Lorent, selbst ein Kenner der Lokalgeschichte seiner Ortschaft. Das Konzept entwickelte der ehemalige Leiter des kommunalen Kulturdienstes Guy Assa. Die notwendigen Recherchearbeiten leistete die Historikerin Laure Caregari.

Derzeit ist in der Galerie des „Musée Ferrum“ die Ausstellung „The Great Industry“ aus dem litauischen Kaunas zu sehen
Derzeit ist in der Galerie des „Musée Ferrum“ die Ausstellung „The Great Industry“ aus dem litauischen Kaunas zu sehen Foto: Editpress/Lucien Montebrusco

Das Museum führt die Besucher von den Ursprüngen der Siedlung in der Kupfersteinzeit über die Römerzeit bis in die Jahre der Eisenerzindustrie im 19. und 20. Jahrhundert. Zu sehen sind dabei unter anderem Fundstücke aus dem Chal­ko­li­thi­kum, die in der Gegend gefunden wurden. Noch bis vor wenigen Jahrzehnten bestimmten in Kayl-Tetingen Zulieferbetriebe für den Bergbau das Leben der Ortschaft. In den Schlossereien Massard und Friser wurden Eisenerzloren hergestellt, in der Fabrik des ehemaligen Bürgermeisters Pierre Schiltz, „de Lutepitti“, Karbidlampen produziert und weiterentwickelt. Die Bergarbeiter trugen Schuhe, die in der „Schungfabrik“ der Familie Hubert zusammengenäht wurden. Zu sehen sind im Museum unter anderem Maschinen, die zur Herstellung des Schuhwerks genutzt wurden. Illustriert wird der Transport des Eisenerzes vom Bergwerk zu den Verladestationen der Eisenbahn.

Kabutz führt als Maskottchen durch das neue Museum
Kabutz führt als Maskottchen durch das neue Museum Foto: Editpress/Lucien Montebrusco

Gelebte Geschichte

Mit der Industrie entwickelte sich auch in Kayl die Arbeiterbewegung, deren bekanntester Vertreter Jean Schortgen, der erste Arbeiterabgeordnete, war. Auch dazu ist im Ferrum so manches Dokument zu finden, etwa über Versammlungen, wo den Teilnehmern erklärt wird, was eine Räterepublik ist. Lohnenswert ist zudem ein Blick in das Rekrutenregister der Jahre 1840 bis 1868 oder in das Verzeichnis der Arbeitsbücher der Grubenarbeiter, wo nicht nur Name und Geburtstag, sondern auch peinlich genau physische Merkmale verzeichnet wurden. So liest man dort, dass Jean Schortgen sein Arbeitsbuch am 24. Mai 1893 als 13-Jähriger bekam. Seine Merkmale: 1,56 Meter groß, braune Haare und Augenbrauen, hohe Stirn, graue Augen, mittelgroßer Mund, spitzer Kinn, ovales Gesicht.

Etliche Artefakte wurden dem Museum von Privatpersonen zur Verfügung gestellt. Die Ausstellung kann in Zukunft durch neue Zugänge ergänzt werden, die die Bürger dem Museum zur Verfügung stellen. Insbesondere Fotos sollen in eine Fotogalerie eingespeist werden, durch die man sich durchblättern kann.

Timeline: von der Kupfersteinzeit bis in die Industrieepoche
Timeline: von der Kupfersteinzeit bis in die Industrieepoche Foto: Editpress/Lucien Montebrusco

Das Museum Ferrum bildet den letzten Baustein des Ensembles Kulturzentrum „Schungfabrik“. Neben der Galerie Kirscht steht ein multifunktionaler Raum für Konferenzen und andere Veranstaltungen zur Verfügung. Genutzt wird dieser unter anderem für die pädagogischen Ateliers, die die Gemeinde für die Klassen der Grundschule und des SEA organisiert. Mit den Workshops sollen die Kinder an die Geschichte des Kayltals und an die Kunst herangeführt werden, unter anderem dank der Werke von Emile Kirscht. Im Museum selbst gibt Ferrum-Maskottchen Kabutz den jungen Besuchern zusätzliche Infos zu Exponaten.

Bestandteil dieses Ensembles ist auch MUAR, das „Musée vun der Aarbecht“. Durch Ausstellungen und Konferenzen will MUAR Einblicke in die Arbeitswelt von gestern, heute und morgen geben. Bis September lief dessen interaktive Ausstellung „Working Class Heroes“, ein Projekt für Esch2022, in den Räumlichkeiten des Museums Ferrum. Sie wird Ende Oktober im litauischen Kaunas, der Partnerstadt von Esch2022, zu sehen sein. Im Gegenzug zeigt Kaunas bis zum 17. Dezember in der Galerie Kirscht die Ausstellung „The Great Industry“, welche die Geschichte mehrerer großer Industriebetriebe in Litauen und ihrer Arbeiterschaft während der Sowjetperiode thematisiert.

Geöffnet ist das Museum Ferrum donnerstags und freitags von 16.00 bis 20.00 Uhr, samstags und sonntags von 14.00 bis 18.00 Uhr.

Das Museum bildet den letzten Baustein des Ensembles Kulturzentrum „Schungfabrik“
Das Museum bildet den letzten Baustein des Ensembles Kulturzentrum „Schungfabrik“ Foto: Editpress/Lucien Montebrusco