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Tour de l’AvenirJempy Drucker in der Analyse: „Konnten unseren kleinen Stempel aufdrücken“

Tour de l’Avenir / Jempy Drucker in der Analyse: „Konnten unseren kleinen Stempel aufdrücken“
Arthur Kuckers (Nummer 171) und Mats Wenzel (176) platzierten sich in einem Weltklasse-Feld in den Top 20 Foto: Anouk Flesch/Tageblatt

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Der Belgier Cian Uijtdebroeks hat die 58. Auflage der Tour de l‘Avenir, des wichtigsten Rennens für Espoirs, vor dem Norweger Johannes Staune-Mittet und Michel Hessmann aus Deutschland gewonnen. Mit Arthur Kluckers (16.) und Mats Wenzel (19.) konnte sich Nationaltrainer Jempy Drucker, der die luxemburgischen Talente zusammen mit Frank Schleck betreute, über zwei Top-20-Platzierungen bei der „U23-Tour de France“ freuen.

Ging es für die Nachwuchsfahrer vor einigen Jahren noch darum, die Profi-Teams mit guten Leistungen bei der Tour de l’Avenir auf sich aufmerksam zu machen, so ist dies mittlerweile nur noch bedingt der Fall. Kaum aus dem Junioren-Alter herausgewachsen, hat eine Reihe von jungen Talenten bereits einen Profi-Kontrakt in der Tasche. Immer früher kontaktieren die WorldTour-Teams die Nachwuchssportler. Wurden die jungen Fahrer vor nicht allzu langer Zeit erst im Alter von 21 oder 22 Jahren ans Profigeschäft herangeführt, so stehen die Eltern dieser Talente teilweise schon fünf Jahre früher vor dem Dilemma: Schulabschluss oder WorldTour?

Diese Entwicklung sieht Nationaltrainer Jempy Drucker kritisch: „Meiner Meinung nach ist der Sprung von den Junioren zur WorldTour ein zu großer Schritt. So ist es für Zeitfahr-Europameister Mathieu Kockelmann der richtige Weg, sich zunächst dem U23-Team von Lotto Kern-Haus anzuschließen. Das wird ihm erlauben, seinen Sieger-Instinkt zu behalten und sich nicht bei einem WorldTour-Team für die Top-Fahrer aufzubrauchen“.

Im Fall von Uijtdebroeks, Staune-Mittet und Hessmann wurde gleich auf die Karte WorldTour gesetzt. So steht der erst 19-jährige Gesamtsieger bereits für drei Jahre bei der deutschen Formation BORA-hansgrohe unter Vertrag. Staune-Mittet und Hessmann werden in den kommenden Jahren gemeinsam das gelb-schwarze Trikot von Jumbo-Visma tragen.

Erfahrung weitergegeben

Jempy Drucker ist bei der FSCL als Nationaltrainer tätig
Jempy Drucker ist bei der FSCL als Nationaltrainer tätig Archivbild: Luis Mangorrinha/Le Quotidien

„Die Herangehensweise ist schon in jungen Jahren weitaus professioneller, als dies zu meiner Zeit der Fall war. So hat ein Manager von BORA mir erklärt, dass sie die Tour de l’Avenir minutiös mit Lehrgängen, Höhentrainingslagern, Streckenerkennungen usw. vorbereitet haben. Unsere Jungs haben jedoch gezeigt, dass sie sich im Klassefeld nicht zu verstecken brauchen“, erklärt Jempy Drucker, nicht ohne Stolz auf sein Team, das vor dem entscheidenden Wochenende auf dem fünften Platz stand, um die anspruchsvolle Tour auf Rang neun, unter 27 gestarteten Mannschaften, abzuschließen.

„Zusammen mit Frank (Schleck) hatten wir uns vorgenommen, jede Etappe wie ein Eintagesrennen anzugehen. Die Fahrer haben das gut umgesetzt. Ich konnte meine Erfahrungen einbringen, was die ersten flacheren Etappen anbelangt, und Frank weiß, wovon er spricht, wenn es die langen Alpenpässe hinaufgeht, wo ich mich als Fahrer eher im ‚Gruppetto‘ aufgehalten habe. Die jungen Fahrer haben einen gewissen Respekt vor uns und vor dem, was wir geleistet haben, und wollen den gleichen Weg einzuschlagen. Als ehemalige Profis können wir uns gut in sie hineinversetzen. Wir verstehen ihr Befinden und kennen die mentalen Probleme auf dem Weg ins Profigeschäft. Es geht uns darum, sie dabei so gut wie möglich zu begleiten“, erklärt der 35-jährige Jempy Drucker, der sich darüber freute, bei seinem ersten großen Einsatz als Verantwortlicher auf ehemalige Konkurrenten wie z.B. Serge Pauwels zu treffen, der mittlerweile am Steuer des belgischen Teamwagens sitzt.

Arthur Kluckers, der Kapitän des luxemburgischen Teams, lag nach der siebten Etappe auf dem achten Rang. Der 22-Jährige, der aufgrund seiner starken Leistungen Anfang August die Chance erhalten hat, einen Lehrgang beim UAE Team Emirates zu bestreiten, konnte den stärksten Bergfahrern am letzten Wochenende nicht mehr ganz folgen. „Im Vorfeld war uns bewusst, dass es auf den schweren Bergetappen für Arthur schwer werden würde, da er von seiner Körpergröße her kein reiner Bergfahrer ist, so wie das für die ersten zehn der Gesamtwertung der Fall ist. Dennoch hat er gekämpft und das Beste daraus gemacht. Auf der letzten Etappe musste er die Rechnung für die Anstrengungen der Vortage bezahlen. Die Tatsache, dass lediglich 75 von den 162 gestarteten Fahrern das Ziel erreicht haben, zeigt, wie schwer die Tour de l’Avenir auch in diesem Jahr war“, hebt Jempy Drucker hervor, der sich darüber freut, dass es seinem Team gelungen ist, zwei Fahrer in den Top 20 zu platzieren. 

Wenzel als positive Überraschung

Die positive Überraschung aus luxemburgischer Sicht war Mats Wenzel. Der 19-Jährige hatte sich das Bergtrikot gleich auf der ersten Etappe geschnappt, um es dann aber gleich wieder abzugeben. Auf der vierten Etappe, wo er Teil der Ausreißergruppe war, konnte er genügend Punkte sammeln, um das gepunktete Trikot wieder für zwei weitere Tage tragen zu dürfen.

Mats Wenzel fuhr bei der Tour de l’Avenir ins Bergtrikot
Mats Wenzel fuhr bei der Tour de l’Avenir ins Bergtrikot Foto: Anouk Flesch/Tageblatt

Seine Qualitäten am Berg stellte Wenzel, der seit 2021 Teil der Kontinentalmannschaft Leopard Pro Cycling ist, besonders auf der siebten Etappe unter Beweis, wo er den Col de la Madeleine mit den Besten hochfuhr und sich mit Platz acht, nur 2:05 hinter dem späteren Schlussgewinner, belohnte. „Ich glaube, Mats hat sich selbst ein wenig überrascht. Er hat vor kurzem sein Abitur gemacht und kann sich jetzt mehr aufs Radfahren konzentrieren. Er war in diesem Jahr einer der Animateure bei der Tour de l’Avenir. Er besitzt ein großes Potenzial und hat bewiesen, dass er in Zukunft, auch in den langen Anstiegen, mit den Besten mithalten kann“, zeigte sich Jempy Drucker beeindruckt von der Leistung seines Schützlings.

Einer der Pluspunkte der FSCL-Auswahl war die mannschaftliche Geschlossenheit und der perfekte Teamgeist. Sowohl beim Prolog als auch beim Mannschaftszeitfahren gelang es der FSCL-Truppe, in die Top 10 zu fahren. „Wir konnten dem Rennen unseren kleinen Stempel aufdrücken. Nur wenn man ein Rennen animiert und etwas riskiert, kann man sich ein gutes Resultat erhoffen“, so Jempy Drucker, der abschließend voll des Lobes war für das Kämpferherz von Loïc Bettendorff, Cédric Pries, Tom Paquet und Raphaël Pereira Marques. Genau diese Einstellung will der ehemalige Profi auch bei der Weltmeisterschaft, nächsten Monat im australischen Wollongong, von seinen Fahrern sehen.