Langsam beugt Carmen Spindler ihren Arm, während sie eine Hantel nach oben zieht. Ihre angespannten Muskeln zeichnen sich deutlich ab. Dann lässt sie die Hantel wieder sinken und beginnt von vorne – wieder und wieder. Die 36-Jährige aus Alzey möchte fit bleiben für die kommenden Wettkämpfe. «Aber nicht zu muskulös», betont sie – und liegt damit im Trend. Das Klischee von den muskelbepackten weiblichen Bodybuildern scheint nämlich überholt. «Heute geht der Trend weg vom reinen Bodybuilding», sagt der Vorsitzende des Rheinland-Pfälzischen Bodybuilding- und Fitness-Verbands in Mainz, Alexander Thomessen.
Frauen sollten für viele Wettkämpfe athletisch aussehen – und nicht muskelbepackt. «Man verspricht sich davon auch mehr Zuschauer», sagt Thomessen. So denkt auch die 65-Kilo-Frau Spindler, die weiterhin routiniert ihre Übungen macht. Sie schiebt Gewichte auf eine Langhantel. Dann legt sie sich unter das Sportgerät und stemmt es nach oben. Die Muskeln auf ihren Armen beginnen leicht zu zittern, während sie das Gewicht in der Luft hält.
«Körper soll feminin bleiben»
Ihr Freund und Trainer Jerry Thielmann beobachtet die Bewegungen genau. Er selbst ist seit 27 Jahren Bodybuilder. «Ich stehe auf dominante, durchtrainierte Frauen», sagt der breitschultrige 100-Kilo-Mann grinsend. Für ihn sei es toll, dass seine Freundin Wert auf den Sport lege. Aber das habe Grenzen. «Der Körper soll feminin bleiben», sagt der 43-Jährige. Zu viele Muskeln würden ihm nicht gefallen.
Klappernd lässt Spindler die Hantel zurück in die Halterung fallen. Sie suche immer wieder nach neuen Herausforderungen, erklärt sie und streicht sich durch ihre blonden Haare. Schon in ihrer Jugend begann sie mit Leichtathletik. Es folgte Hammerwurf, dann lief sie Marathon und landete vor sechs Jahren beim Bodybuilding. Sie ist immer auf der Suche nach Steigerungen. Gerade beim Bodybuilding sieht sie aber Grenzen. Sie trainiere für einen athletischen Körper und nicht für Masse. «Nicht zu viele Muskeln.»
Bikini-Wettbewerb
Mit der Einstellung ist sie nicht allein. Ins Bodybuilding bei Frauen ist Bewegung gekommen. «Seit 2009 gibt es eine Bikini-Klasse», sagt der Generalsekretär des Deutschen Bodybuilding und Fitness-Verbands, Erich Janner (München). Andere Klassen wie Fitness, für die auch Spindler trainiert, existierten etwas länger. Aber im Leistungssport gebe es Nachwuchsprobleme. Mit der neuen Gruppe könnten mehr Frauen für den Sport gewonnen werden: «Das ist der Einstieg für gut gewachsene Mädchen». Aber auch die Wünsche des Publikums spielten eine Rolle. «Viele sagen, das spricht mich noch an als Mann», sagt Janner über die Bikini- und Fitness-Wettkämpfe.
Der Wandel ist für den Sportsoziologen Holger Preuß nachvollziehbar. «Menschen sehen gerne ästhetische Komponenten im Sport». Viele Zuschauer bestaunten rhythmische Sportgymnastik oder Eiskunstlaufen, ohne das komplizierte Punktesystem zu verstehen. Muskelbepackte Körper passten aber eher zu Männern. «Ästhetisches lässt sich besser vermarkten», sagt der Professor am Institut für Sportwissenschaft der Universität Mainz. Weniger Muskeln bei weiblichen Bodybuildern passten da ins Bild.
Entspannt lässt sich Spindler auf einen Stuhl fallen. Für heute sei sie fertig. «Es ist interessant zu sehen, wie man seinen Körper formen kann», sagt die Sportlerin und schaut auf ihre Arme. Mit den Muskeln an ihrem Körper sei sie sehr zufrieden. Viel mehr sollen es nicht werden. Aber ein paar Wettkämpfe würde sie gerne noch gewinnen. Genaue Pläne habe sie dafür noch nicht. «Erstmal weiter trainieren.»
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