Am Sonntag wird in Luxemburg gewählt – unter anderem in der Hauptstadt. Neun Parteien stehen in der Proporzgemeinde zur Wahl und gleich mehrere davon haben den Anspruch, den künftigen Bürgermeister zu stellen. Allen voran die DP mit der Co-Spitzenkandidatin und aktuellen Rathauschefin Lydie Polfer. Was die einen an ihr schätzen: Als Nachfolgerin auf ihren eigenen Vater, Camille Polfer (DP), bringt sie mit mittlerweile 27 Jahren als Bürgermeisterin (1982 bis 1999 sowie 2013 bis 2023) sowie acht zusätzlichen Jahren als Ratsmitglied beziehungsweise Schöffin einiges an Erfahrung mit. So viel, dass andere sich für einen Rücktritt der 70-Jährigen aussprechen.
Möglicherweise wurde ihr deshalb Schöffe Patrick Goldschmidt als Co-Spitzenkandidat zur Seite gestellt. Mit Spannung erwartet wird aber auch das Ergebnis einer anderen Kandidatin der Partei: nämlich das von Corinne Cahen. Die Ministerin für Familie, Integration und die Großregion steht ebenfalls auf der Liste. Ob diese Entscheidung aus wahltaktischer Sicht ein Eigentor war und sich Vergangenes wiederholen könnte, werden die Wahlresultate zeigen. 2011 hatte nämlich ein Kandidat der DP intern dem Spitzenkandidaten und bis dahin amtierenden Bürgermeister den Rang abgelaufen: Der heutige Premierminister Xavier Bettel landete damals mit 13.928 Stimmen vor Paul Helmiger mit 13.414 Stimmen auf Platz eins – und wurde zum neuen Bürgermeister.
Ob Cahen nun wirklich zur Hauptkontrahentin von Polfer avancieren wird, sei dahingestellt. Einnehmen könnte diese Rolle wahrscheinlich eher Serge Wilmes von der CSV – mit Fokus übrigens die einzige Partei, die mit einem einzigen Spitzenkandidaten ins Rennen geht. Ziel des Ersten Schöffen ist ganz klar der Bürgermeisterposten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass seine Partei und er persönlich seit 2017 erneut an Beliebtheit zugelegt haben: Bei den letzten Wahlen bekam Wilmes 9.187 Stimmen und lag damit zwar hinter Polfer (12.653), aber auch vor dem DP-Co-Spitzenkandidaten Goldschmidt, der damals 8.725 Stimmen erhielt.
Starke Koalitionspartner
Mit zwei gewonnenen Sitzen auf sieben insgesamt ging die CSV 2017 als deutlicher Gewinner hervor. Wie schon zuvor verlor die DP einen Sitz, blieb mit neun aber immer noch stärkste Kraft. Sollte sich die Negativtendenz der vergangenen Wahlen bei der DP fortsetzen und die Liberalen nach 54 ununterbrochenen Jahren in der Verantwortung überraschenderweise nicht mehr das Gemeindeoberhaupt stellen, wird die Partei von Serge Wilmes als aktueller Koalitionspartner der DP dabei höchstwahrscheinlich eine Rolle spielen. In Vorwahlzeiten gaben sich die beiden Mehrheitsparteien stets harmonisch und blickten gemeinsam auf – aus ihren Augen – sechs erfolgreiche Jahre zurück. In denen man sich bei umstrittenen Dossiers wie dem Einsatz privater Sicherheitsdienste oder dem angestrebten Bettelverbot stets einig war.
Den Bürgermeisterposten strebt aber ganz klar noch ein anderer an: Co-Spitzenkandidat François Benoy von „déi gréng“. Die Beliebtheit seiner Partei nahm in der Hauptstadt bei den vergangenen drei Wahlen konstant zu – immer konnten fünf Sitze gesichert werden. Dennoch musste man sich nach zwölf Jahren blau-grüner Mehrheit in der vergangenen Legislaturperiode mit einem Platz auf der Oppositionsbank zufriedengeben. Beim Urnengang im Jahr 2017 bekam Benoy 7.053 Stimmen, die aktuelle Co-Spitzenkandidatin und Ratsmitglied Claudie Reyland 4.857. In Zeiten von Klimawandel und wachsendem nachhaltigen Bewusstsein könnte sich der Positivtrend der hauptstädtischen Grünen fortsetzen und möglicherweise zu einem weiteren Sitz führen – was die Koalitionsverhandlungen spannend machen dürfte. Nicht zu unterschätzen ist aber das Fehlen eines Stimmenmagneten wie Sam Tanson – die 2017 mit 8.850 am meisten Stimmen erhielt und dieses Mal nicht auf der Liste steht.
Genauso wie die Grünen ruft auch die LSAP zu einem Wandel auf und setzt mit Co-Spitzenkandidat und Gemeinderatsmitglied Gabriel Boisante sowie der weiteren Spitzenkandidatin Maxime Miltgen bewusst auf ein junges Duo. Angestrebt wird ein Parteiwechsel im Gemeinderat. Als Zugpferde stehen außerdem Ratsmitglieder Tom Krieps sowie Cathy Fayot zur Wahl. Letztere hatte 2017 noch gemeinsam mit Marc Angel die Liste angeführt. Angel bekam als Bestgewählter der hauptstädtischen LSAP 6.479 Stimmen und ist bei den diesjährigen Wahlen nicht mehr dabei. Welchen Einfluss das auf das Ergebnis haben wird, ob sich der Negativtrend der vergangenen Jahre bei den Sozialisten fortsetzen oder aber ein Generationswechsel zum gewünschten Ziel führen wird, wird sich am Sonntag zeigen.
Bewegung bei kleineren Parteien
Vier statt der bisherigen zwei Sitze am „Knuedler“ heißt derweil das Ziel der hauptstädtischen „déi Lénk“. Dafür gehen nicht weniger als vier Spitzenkandidatinnen beziehungsweise -kandidaten an den Start: das aktuelle Gemeinderatsmitglied Ana Correia Da Veiga, Julien Gannard, die Abgeordnete Nathalie Oberweis und David Wagner. Letzterer hatte 2017 das beste Ergebnis von „déi Lénk Stad“ eingefahren und nach dem in der Partei üblichen Rotationsprinzip in der Hälfte der Mandatsperiode sein Amt weitergegeben. Wenn auch nicht als Spitzenkandidat steht das aktuelle Gemeinderatsmitglied Guy Foetz ebenfalls wieder zur Wahl.
Bei der ADR hoffen die Co-Spitzenkandidaten Alex Penning und Tom Weidig darauf, wieder ein oder gar zwei Mandate zu bekommen. Denn obwohl die Partei 2017 einen Sitz ergattern konnte, ist sie aktuell nicht mehr im Gemeinderat vertreten. Im vergangenen Jahr nämlich hängte Roy Reding aus Zeitgründen seinen Posten an den Nagel – nur wenige Tage, nachdem er wegen Betrugs und Fälschung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Als Nächstgewählte – vor dem aktuellen Spitzenkandidaten Alex Penning mit damals 1.175 Stimmen – rückte Marceline Goergen als unabhängige Gemeinderätin nach, da sie zuvor aus der ADR ausgetreten war. Inzwischen hat sie eine neue politische Heimat gefunden und steht bei der hauptstädtischen CSV auf der Liste.
Und noch einer steht dieses Jahr bei einer anderen Partei als 2017 zur Wahl: Marc Ruppert. Auf den DP-Bonus wird sich der Spitzenkandidat der neu gegründeten „Fokus-Sektioun Stad Lëtzebuerg“ in diesem Jahr nicht verlassen können; vielleicht wurde deshalb beim Zusammenstellen der Liste auf einige bekannte Namen gesetzt. So sollen unter anderem der frühere Armeechef und einstige Mitglied der ADR, Mario Daubenfeld, ULC-Präsident Nico Hoffmann oder der frühere Präsident des „Fonds du logement“ (und Vater der hauptstädtischen LSAP-Spitzenkandidatin) Daniel Miltgen beim Einzug ins Rathaus helfen. Die Präsenz von Fokus könnte vor allem bei der Sitzverteilung der kleineren Parteien die Karten neu mischen.
KPL nicht mehr dabei
Ergebnisse der letzten Wahl
Manche Spitzenkandidaten stehen nicht zum ersten Mal in der Hauptstadt auf einer Liste. Ein Überblick zu den Stimmen, die sie laut elections.lu bei den letzten Wahlen im Jahr 2017 erhielten:
Lydie Polfer (DP): 12.653
Serge Wilmes (CSV): 9.187
Patrick Goldschmidt (DP): 8.725
François Benoy („déi gréng“): 7.053
Marc Ruppert (2017 DP, heute Fokus): 6.390
Claudie Reyland („déi gréng“): 4.857
David Wagner („déi Lénk“): 2.913
Gabriel Boisante (LSAP): 2.741
Ana Correia Da Veiga („déi Lénk“): 2.134
Nathalie Oberweis („déi Lénk“): 2.017
Alex Penning (ADR): 1.175
Pascal Clement (Piraten): 631
Jean-Marie Jacoby (2017 KPL, heute „Biergerlëscht – Liste Citoyenne – Mir d’Vollek“): 539
Interessant wird auch, wie sich Co-Spitzenkandidat Pascal Clement von den Piraten in diesem Jahr schlagen wird – jetzt, wo Sohn Sven Clement nicht mehr auf der Liste steht. Gemeinsam mit Co-Spitzenkandidatin Marie-Marthe Muller werden zwei oder drei Posten im Gemeinderat angestrebt. Die KPL kann indessen in diesem Jahr in der Hauptstadt nicht mehr gewählt werden. Der damalige Spitzenkandidat Jean-Marie Jacoby geht nun allerdings mit Peter Freitag als Co-Spitzenkandidat der neuen „Biergerlëscht – Liste Citoyenne – Mir d’Vollek“ an den Start. Beide spielten während der Pandemie in der Protestbewegung gegen die sanitären Maßnahmen eine tragende Rolle und wurden wegen Verstößen dagegen vor Gericht zu Geldstrafen verurteilt.
Wie überall im Land ist nicht zuletzt die Wahlbeteiligung ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger eine kleine Unbekannte. Denn nach Wegfall der Residenzklausel im Jahr 2022 können sie in diesem Jahr erstmals an den Kommunalwahlen teilnehmen, auch wenn sie weniger als fünf Jahre in einer Gemeinde leben. Im Vergleich zu 6.677 Menschen ausländischer Staatsangehörigkeit im Jahr 2017 wollen in diesem Jahr laut aktuellen Zahlen der Gemeinde Luxemburg 12.520 in der Hauptstadt ihre Stimme abgeben. Insgesamt sind 44.716 Menschen für den Urnengang in Luxemburg-Stadt registriert. In ihren Händen liegt es, ob in ihrer Gemeinde alles beim Alten bleibt – oder es zu einem Wechsel kommt.
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