Der gebürtige Pole wird wohl beim Turnier in Melbourne, im Hauptfeld auf der Linie eingesetzt werden. Außerdem wurde der 27-Jährige vom Internationalen Tennisverband ITF für die Olympischen Sommerspiele 2012 als Linienrichter berufen.
«Das war eines meiner großen Ziele», erzählt Najfeld dem Tageblatt einige Tage vor seinem Abflug über London 2012. Als Tennisspieler besuchte er in jungen Jahren regelmäßig das WTA-Turnier auf Kockelscheuer mit seinem Vater. «Ich habe mich schon immer für das Schiedsrichterwesen interessiert: Mit 17 Jahren habe ich mich dann beim nationalen Verband beworben. Seit ich 18 bin, habe ich nur ein internationales Damen-Turnier auf Kockelscheuer verpasst», so Najfeld, der als sportliches Idol Pete Sampras angibt.
Hobby neben dem Beruf
Schiedsrichter sein ist für den Luxemburger, der sich mit dem «White bagde» auf dem ersten internationalen Niveau befindet (danach folgen noch Bronze, Silver und Gold), aber nur ein Hobby: Seit einem Jahr arbeitet er in der Eicher Klinik, wo er auf dem Weg ist, Facharzt der Orthopädie zu werden: «Momentan ist es noch vereinbar mit dem Beruf. Auch wenn man jonglieren muss. Mein Chef ist in diesem Bereich sehr tolerant.»
Profi-Schiedsrichter kommt also für den Arzt nicht mehr in Frage: «Natürlich kann man sein Leben damit verdienen. Dann bist du 30 bis 40 Wochen pro Jahr unterwegs und lebst aus dem Koffer. Nach meinem Studium habe ich mir 2009 eine Auszeit genommen und bin durch die Welt gereist, kombiniert mit Schiedsrichtereinsätzen. Da habe ich erlebt, wie das ist. Das war eine andere Welt: Paris, Rom USA… Doch wenn du dich 5 Minuten hinsetzt und überlegst, was du studiert hast… Ich bin zufrieden mit meinem aktuellen Beruf und bereue die Entscheidung nicht.»
Hohe Anforderungen an Schiedsrichter
Reich werden kann man mit dem Hobby nicht: In Australien wird den Linienrichtern wie Najfeld eine Wohnung gestellt und sie bekommen einen kleinen Lohn.
Gestiegen sind natürlich die Herausforderungen an Stuhl- und Linienrichter in den vergangenen Jahren, wo das Spiel immer schneller wurde: «Mit der Zeit entwickelst du ein Gefühl: Wie kommt der Ball, wo muss ich ihn ’suchen›? Es gibt immer kleine Abdrücke, Positionen, an denen man sich orientieren kann. Mit der Erfahrung und Training kommen die Techniken.»
Und dabei ist nicht immer die Geschwindigkeit – Aufschläge bei den Herren erreichen bis zu 250 km/h – das Problem: «Die Schwierigkeit ist der Ort, wo der Ball landet. Die ganze Hälfte des Aufschlagfeldes kann ich nicht mit dem Auge erfassen. Also fokussierst du dich auf die Mitte. Die Aufschlaglinie ist meine Lieblingsposition als Linienrichter: Dort gibt es kurze, schnelle Entscheidungen.»
Kein einfacher Job
Dazu kommen dann noch die neuen technischen Errungenschaften, wie das Hawk-Eye im Tennis: «Für uns Linienrichter ist der Druck immer groß: Wenn der Spieler eine Entscheidung kontrollieren lässt, wird man auch mal groß im Fernsehen gezeigt. Damit muss man leben. Es werden noch andere Technologien kommen. Die Technik ist noch immer nicht ausgereift.» Michael Najfeld glaubt aber auch, dass «in Zukunft nicht nur Kameras über ein Match entscheiden. Das würde dem Tennis das Flair nehmen. Die Schiedsrichter sind auch das Salz in der Suppe.»
Natürlich ist der Job, ob auf der Linie oder auf dem Stuhl, kein Zuckerschlecken. Die Grundlage zum guten Schiedsrichter wird in jungen Jahren gelegt: «Zu Beginn musst du dich durchschlagen. Man bringt ein Gefühl für den Job mit, lernt aber auch sehr schnell. Das Match soll ’smooth› über die Bühne gehen. Es ist ein Balanceakt.»
Schwierige Tennisspieler
Ein Balanceakt war es in der Vergangenheit auch einige Male, wenn man als Schiedsrichter für ein Spiel von Serena Williams berufen worden war. 2009 beschimpfte sie bei den US Open aufs Übelste eine Linienrichterin. 2011 traf es dann die Stuhlschiedsrichterin beim Finale in New York: «Sie sind eine Hasserin.»
«Sie hatte gemeint, sie kennt die Schiedsrichterin, was aber nicht der Fall war. Solche Situationen sind eigentlich nicht zu vermeiden, wenn Spieler sich auf einen eingeschossen haben. Da kann man nur cool bleiben und dem Spieler keine Angriffspunkte bieten. Nicht in Panik geraten, nicht mit dem Spieler streiten. Da verlierst du. Spieler merken sich Gesichter, vor allem bei wichtigen Punkten.»
Da darf es sich der Linienrichter dann auch nicht erlauben, mal ein gutes Match zu genießen: «Bei Roger Federer hängt es davon ab, auf welcher Linie man sitzt. Du bist fokussiert, schaust aber auch schon mal das Match. ‹Wann s de der awer zwou oder dräi komme léiss, frësst de Spiller dech op.'»
Gänsehaut in Melbourne
Mit dem Schweizer Grand-Slam-Rekordgewinner verbindet Najfeld, der selbst beim TC Colmar-Berg seine Tenniskarriere begann und aktuell beim TC Ulflingen eine Lizenz besitzt, auch eine seiner schönsten Erfahrungen als Linienrichter: «Zu Beginn meiner Karriere war ich 2006 beim Masters in Rom auf dem Platz, als Federer in drei Sätzen im Halbfinale gegen Nalbandian gewann. Das anschließende Endspiel verlor er gegen Nadal. Das war eines meiner ersten großen internationalen Turniere.»
Ein angenehmer Ort für Najfeld ist auch der Centre Court in Melbourne, wegen «seiner besonderen Stimmung. Dort hat ein Schiedsrichter dauernd eine Gänsehaut.» Fast hätte er in Melbourne auch ein Grand-Slam-Finale erlebt: «Ich hatte ein gutes Gefühl, dabei zu sein, als ich im Nachhinein meine Bewertung gesehen habe. Doch ich musste leider früher abreisen. Aber ein Grand-Slam-Finale bleibt weiterhin ein großer Traum. Und Einsätze bei den vier Grand-Slam-Turnieren sind auch ein Ziel.»
Nicht sehr oft kommt es vor, das Michael Najfeld bei einem luxemburgischen Spieler auf der Linie oder dem Stuhl sitzt: «2011 saß ich beim Spiel von Anne Kremer auf der Linie, als sie in der ersten Runde im Hauptfeld verlor.» Für Einsätze eines Luxemburger Stuhlschiedsrichters gibt es Regeln: «Auf den Stuhl kann ich nur, wenn zwei Luxemburger gegeneinander spielen.»
Einsätze auf der Linie sind diesbezüglich jedoch sogar beabsichtigt: «Wenn man die gleiche Nationalität hat, versteht man besser, wenn die Spieler fluchen.»
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