Eigentlich scheint es, als hätte Mannheim die Partie gegen den FSV Zwickau im Griff. Größtenteils überlegen, belohnt sich das Team in der 78. Minute mit dem 1:0 durch Pascal Sohm – keine zwei Minuten später fällt mit dem ersten Angriff der Zwickauer das 1:1. Die Köpfe der Mannheimer gehen runter, im mit 9.898 Zuschauer gefüllten Carl-Benz-Stadion herrscht plötzlich Stille. Doch einer treibt das Team an: Ohne zu zögern läuft Laurent Jans zum Tor, holt den Ball aus dem eigenen Netz und motiviert seine Mitspieler.
„Es war ein Nackenschlag“, sagt Jans nach der Partie. „Zwickau schießt mit der ersten Chance ein Tor. Ich wollte ein Zeichen setzen und den Ball schnell aus dem Tor nehmen. Ich sagte der Mannschaft, dass wir mit Nachspielzeit noch 15 Minuten Zeit hätten – da kann im Fußball einiges passieren.“ Der Kapitän der luxemburgischen Mannschaft glaubt weiter an den Sieg – zu dominant, zu überlegen war sein Team in den vorherigen 80 Minuten.
In der 90. Minute erhält Jans den Ball im rechten Halbfeld, etwa 25 Meter vor dem Tor. Weil sein Gegenspieler den Laufweg zur Grundlinie zumacht, zieht Jans nach innen und legt sich den Ball auf seinen vermeintlich schwächeren linken Fuß – die Flanke findet Pascal Sohm, der per Kopf für den 2:1-Siegtreffer sorgt. „Der Sieg ist mehr als verdient“, sagt der Luxemburger, der am Mittwochabend pure Zufriedenheit ausstrahlt. „Ein solcher Sieg gibt dem Team – aber mir auch – einen enormen Push.“
Lob von Coach Neidhart
Seit dem 19. August dieses Jahres ist Jans im Team des SV Waldhof – nur einen Tag später fand er sich in der Startelf beim 2:1-Heimsieg über Borussia Dortmund II wieder. Weil Jans wegen eines vorher erlittenen Sehnenanrisses noch nicht bei 100 Prozent war, wurde er in der 76. Minute ausgewechselt – doch seitdem hat Jans keine Spielminute mehr verpasst. Er agiert als Linksverteidiger, Rechtsverteidiger und wenn Coach Christian Neidhart sich für eine Dreierkette im Defensivverbund entscheidet, beackert er auch die komplette Außenbahn.
Jans ist variabel, kann sowohl mit seinem starken rechten als auch mit seinem linken überzeugen. In der 5. Minute des Spiels gegen Zwickau setzt Jans einen Volleyschuss aus 20 Metern nur ganz knapp übers Tor – ebenfalls mit dem linken. „Der linke ist aber immer noch nicht der stärkere“, schmunzelt der 30-Jährige. „Ich weiß aber, dass ich mit beiden Füßen umgehen kann.“
In Mannheim hat er sich zu mehr als nur einer festen Größe entwickelt – dafür sprechen nicht nur die Zahlen. „Ich habe mich generell super hier eingelebt und bin in der Mannschaft angekommen. Ich habe wieder Spaß am Fußballspielen.“ In der Vorsaison kam Jans bei Sparta Rotterdam nur bedingt zum Einsatz. Hin und wieder durfte er von Anfang an ran, dann gab es aber auch mehrere Spiele, in denen er zum Zuschauen gezwungen wurde.
Waldhof-Coach Neidhart ist vom Außenverteidiger überzeugt. „Er ist erst mal ein sachlicher Junge“, sagt der 54-Jährige. „Lolo hat uns von Anfang an gut zu Gesicht gestanden, in seiner Art und Weise. Er war gerade ein paar Stunden in Mannheim und hat direkt gegen Dortmund gespielt. Er tut der Mannschaft unheimlich gut. Ich habe letzte Woche gesagt, dass uns Führungsqualitäten guttun würden – und wir haben Spieler mit Kapitän Marcel Seegert, Laurent Jans oder Alexander Rossipal, die Verantwortung übernehmen müssen.“
Eklatante Auswärtsschwäche
Nach dem Spiel am Mittwochabend zögert Jans nicht lange, um mit seinen Teamkollegen in die Analyse zu gehen. Kurz nach Abpfiff geht der Nationalspieler ins Gespräch mit seinem 22-jährigen Teamkollegen Dominik Kother, der ab der 62. Minute vor ihm spielte. „Ich habe mit ihm Details besprochen, was er anders machen kann, um ihm und mir das Leben zu vereinfachen. Ich bin von meinem Naturell her jemand, der vorangeht und war in meinen vorherigen Vereinen auch schon Führungsspieler. Aber wenn man neu in einen Verein kommt, muss man sich herantasten. Man muss den Verein, die Fans und das Team kennenlernen. In Zukunft möchte ich noch mehr Verantwortung übernehmen. Das ist aber ein Prozess – das passiert nicht von heute auf morgen.“
In Mannheim sind auch die Fans überzeugt vom Luxemburger. „Er ist der beste Außenverteidiger der Liga“, sagt Martin W., seit 22 Jahren Dauerkartenbesitzer. „Wir sind sehr froh, ihn zu haben, aber er gehört eigentlich nicht in diese Liga“, ergänzt der 32-jährige Waldhof-Anhänger Philipp Stoeffler. Einfach ist es nicht immer mit den Waldhof-Fans. Bei der Teamvorstellung vor dem Spiel wurde Coach Neidhart ausgepfiffen, als das Team am 5. November das siebte Auswärtsspiel in Folge verlor, hallte es beim obligatorischen Gang in die Kurve von den Rängen: „Wir fahren weit, wir fahren viel – und wir verlieren jedes Spiel.“
Festzuhalten bleibt, dass die Waldhöfer mit diesem Fangesang jedoch nicht ganz unrecht haben. Denn der Kontrast zwischen der Heim- und Auswärtsbilanz ist eklatant: Während Mannheim in der Heimtabelle auf Platz eins weilt, steht man im Auswärtsranking mit einem Zähler auf dem letzten Platz. Einen Punkt holte der SV Waldhof am zweiten Spieltag in Verl – danach folgte nichts mehr. Die Auswärtsmisere, eine Diskussion, die sich über die ganze Saison hinzieht. „Wenn ich wüsste, woran es liegt, dann würden wir es ändern“, sagt Jans. „Wir hätten viele Spiele auswärts nicht verlieren müssen. Es ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Wir müssen uns die Diskussionen über unsere Auswärtsschwäche anhören, das gehört dazu. Wir wollen aber unbedingt den Bock umstoßen.“ Die letzte Chance bietet sich den Mannheimern in diesem Jahr am kommenden Sonntag, wenn das Auswärtsspiel beim VfB Oldenburg ansteht. In der Tabelle belegt das Team nach 16 Spieltagen aktuell den siebten Platz – fünf Punkte Rückstand haben die Mannheimer auf den Relegationsplatz drei.
Zwei Spiele mit dem Nationalteam
Während die Spieler des SVW sich danach in den Urlaub begeben dürfen, reist Jans zur Nationalmannschaft, wo Freundschaftsspiele gegen Ungarn (Donnerstag, 20 Uhr) und Bulgarien (Sonntag, 15.00 Uhr) anstehen. „Ich stoße in vollem Saft zum Team“, sagt Jans. „Ich habe Spielrhythmus und befinde mich im ‚Flow‘. Das war in den letzten Jahren, in denen ich im Klub weniger spielte, nicht unbedingt so. Dennoch finde ich, dass ich die Spiele im Nationalteam immer gut überbrücken konnte – weil es noch mal eine ganz andere Motivation für mich ist, wenn ich für mein Land spiele.“
Für die kommenden beide Testspiele hat Holtz drei neue Talenten (Selim Turping/17 Jahre, James Rodrigues/18 und Tiago Pereira/16) sowie zwei weitere Jungspunde (Fabio Lohei/17, Sofiane Ikene/17) nominiert. „Meine Aufgabe ist, diese jungen Spieler ans Team heranzuführen“, sagt Jans. „Ich will ihnen ein gutes Gefühl geben. In so einem Team muss man seinen Platz finden. Man ist glücklich, wenn man jemanden hat, der einen an der Hand führt. Ich versuche, das mit Kleinigkeiten zu zeigen. Zum Beispiel, wenn ein Spieler andere Größen in der Kleidung braucht. Ich möchte zeigen, dass ich für sie da bin. Das sage ich ihnen aber auch.“
Wenn Jans also nach dem letzten Spiel mit Waldhof zu Luc Holtz reist, braucht er sich um eine Sache keine Gedanken zu machen: Beide Spiele der FLF-Mannschaft finden zu Hause statt, die Auswärtsschwäche wird dann also keine Rolle mehr spielen. Doch vielleicht schaffen es die Mannheimer, zum Jahresabschluss das Ende dieser Diskussion herbeizuführen. Nicht nur Spieler, sondern auch Fans und der gesamte Verein wären dankbar, wenn die Auswärtsschwäche-Debatte ein Ende hätte.
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