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Tour de FranceRalph Denk über Bob Jungels: „Ich will ihn nicht als puren Helfer abstellen“

Tour de France / Ralph Denk über Bob Jungels: „Ich will ihn nicht als puren Helfer abstellen“
Bora-hansgrohe-Teamchef Ralph Denk äußerte sich im Tageblatt-Interview über die Personalie Bob Jungels Foto: Editpress/Anouk Flesch

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Seine Ursprünge hatte er im Amateur-Radsport, dann gründete er zur Saison 2010 die Kontinental-Mannschaft NetApp – mittlerweile ist das Team unter dem Namen Bora-hansgrohe in der WorldTour unterwegs. Ralph Denk hatte einen außergewöhnlichen Werdegang und ist in Deutschland aktuell eine der gefragtesten Personen im Radsport. Das Tageblatt hat sich mit dem 49-Jährigen über Bob Jungels, die Ziele des Teams und über das Niveau der Tour de France unterhalten. 

Tageblatt: Ralph Denk, mit welchen Erwartungen haben Sie Bob Jungels zu Bora-hansgrohe transferiert?

Ralph Denk: Bob ist ein starker Radsportler. Er hat große Rennen gewonnen und wir hoffen, dass er an diese Erfolge anschließen kann. Er hatte nach seiner Endofibrose allerdings eine lange Leidenszeit. Es hat gedauert, bis er seine Form zurückgefunden hat. Bei uns nimmt er eine Art Zwitterrolle ein. Einerseits waren die Erfolge noch nicht da. Er hatte ein schwieriges Frühjahr mit Krankheiten. Für uns ist es aber kein Problem, dass die Erfolge nicht da sind. Das ist für uns momentan nicht relevant. Mit seiner Erfahrung spielt er im Team eine große Rolle. Klar, wenn man sich die Ergebnislisten anschaut, könnte man schnell sagen, dass sich der Transfer nicht gelohnt hat. Aber mit seiner Erfahrung, die er uns beim Giro oder hier bei der Tour gebracht hat, honorieren wir seine Leistung doch sehr. Wir sind zufrieden. Natürlich würden wir uns auch freuen, wenn er im Herbst noch Rennen für uns gewinnen würde. Bob war kein kleiner Transfer für uns, sondern ein großer. Nur als Helfer zu fahren, wäre zu wenig. Aber seinen Job als Helfer hier bei der Tour macht er aktuell sehr gut. 

Ich spüre den Hunger bei Bob

Ralph Denk

Für Bob Jungels ist es eine neue Situation, beim größten Rennen der Welt als Helfer zu agieren. Wie füllt er diese Rolle aus?

Du brauchst eine Persönlichkeit als Helfer. Die hat Bob. Man muss es sich so vorstellen: Die Leader werden immer jünger. Auch Jai (Hindley) ist noch nie die Tour gefahren. Du musst also schauen, dass du gute Helfer mit Qualität, aber vor allem auch Erfahrung hast. „Jai, komm, fahr hier. Ich kenne den Berg, der Wind kommt von links. Oder „Jai, zieh dir deine Jacke an, die Abfahrt ist lang und schattig, du darfst nicht krank werden.“ Solche proaktiven Aktionen erwarte ich von Helfern. „Trink noch mal was, der Schlussanstieg ist wirklich schwer.“ Helfer müssen eine Art Mentor sein. Das kann Bob gut, auch weil er im Team schon ein gutes Standing hat. Es gibt einen Spruch im Team: „Be like Bob“. Das zeigt, dass er eine Persönlichkeit hat.

Kommt Bob Jungels mit dieser Situation zurecht, dass die Rennen nicht mehr auf ihn ausgelegt sind?

Ja. Aber ich will ihn nicht als puren Helfer abstellen. Wir müssen ihn bei der Tour so nutzen, es gibt keine andere Möglichkeit. Im Frühjahr war er krank, hat trotzdem den Giro bestritten. In Italien wurde er auf der letzten Woche wieder krank. Wir haben lange diskutiert, ob er mit zur Tour soll. Uns war vollkommen klar, dass er hier nicht bei 100 Prozent ankommen wird. Wir haben ihn trotzdem mitgenommen, weil wir seine Erfahrung dabei haben wollten. Für uns war es klar, dass es schwer werden würde, seinen Etappensieg zu wiederholen. Ich hoffe, dass Bob im Herbst oder im nächsten Frühjahr wieder eine Leaderrolle einnimmt. Dafür ist er auch geholt worden. Ich glaube, dass er schon zufriedener wäre, wenn er noch mal ein gutes Ergebnis einfährt. Ich spüre den Hunger bei ihm. Wir haben ihn nicht gekauft, um zu helfen. Das weiß er auch. Aber wir zeigen auch Verständnis für ihn mit seiner Vorgeschichte. 

Ich hoffe, dass Bob im Herbst oder im nächsten Frühjahr wieder eine Leaderrolle einnimmt

Ralph Denk

Wie ist die Taktik von Bora-hansgrohe für die letzte Woche?

Wir müssen das Zeitfahren abwarten (das Tageblatt führte das Gespräch mit Denk am Montag, Anm. d. Red.). Wenn wir den Abstand auf das Podest verringern könnten, dann wäre das großartig. Wenn der Abstand größer wird, dann wird’s schwierig. Vielleicht werden wir dann die Strategie ändern und jeder könnte noch mal die Chance bekommen, eine Etappe zu gewinnen. Dann ist es auch egal, ob wir 5. oder 7. in der Gesamtwertung werden. Das müssen wir dann riskieren. 

Bob Jungels hat in der Mannschaft von Bora-hansgrohe schnell einen Status erreicht
Bob Jungels hat in der Mannschaft von Bora-hansgrohe schnell einen Status erreicht Foto: Editpress/Anouk Flesch

Ist Bob Jungels in diesem Jahr noch in der Lage, eine Tour-Etappe zu gewinnen?

Der Radsport hat sich geändert. Früher konnte man beim Giro und bei der Tour Etappen noch mit Glück gewinnen. Sehen Sie sich die Geschichtsbücher des Giro an: Die italienischen Wildcard-Teams haben ihre Etappen immer gewinnen können, das gibt es nicht mehr. Jeden Tag fahren nun die großen Teams. Cofidis ist hier super stark gefahren. Aber was ist mit den anderen französischen Teams? Es gibt einige, die hier noch gar nichts mitnehmen konnten. Zum Glück haben wir was. Was ich sagen will: Es geht immer mehr darum, was du wirklich drauf hast. Wenn Bob die Beine von Sonntag hat, dann kann er gewinnen. 

Wie kommt es, dass das Niveau bei der Tour immer höher wird?

Für mich sind es drei Faktoren, die damit zusammenhängen. Die Teams befassen sich immer mehr mit Aerodynamik. Das ist eine Sache. Dann wird das Training intensiviert. Was haben die Fahrer früher vor der Tour betrieben? Da sind die besten zehn Fahrer in die Höhe gefahren. Heute machen das ganze Mannschaften. Aber nicht nur einmal. Nein, man muss im April, Mai und Juni ins Höhentrainingslager. Das hat sich komplett geändert. Der dritte Punkt ist für mich die Ernährung, die eine große Rolle spielt. Deswegen ist das Niveau so hoch – nicht nur bei den Leadern, sondern auch bei den Helfern. 

Was erwarten Sie noch vom Saisonende von Bob Jungels?

Ich habe sein Rennprogramm nicht ganz im Kopf, aber für unser Team gibt es intern noch wichtige Rennen. Die Deutschland-Tour, die Bemer Cyclassics in Hamburg, die wir letztes Jahr gewinnen konnten, die Bretagne Classic oder die Tour de Luxembourg, die wir zum ersten Mal in der Geschichte des Teams fahren werden. Vielleicht haut Bob da einen raus. Das Terrain dort dürfte ihm jedenfalls liegen.  

Über „Letzebuergisch“ und den Mont Blanc

Ralph Denk ist ein Mann, der sich mit weitaus mehr als nur dem Radsport beschäftigt. Mitten im Gespräch mit dem Tageblatt, das am Montag im Chalet Alpen Valley in Combloux stattfand, unterbrach der Deutsche die Unterhaltung. „Schauen Sie, jetzt ist er komplett frei“, sagte der 49-Jährige, der daraufhin sein Smartphone zückte. „Ich muss davon ein Foto machen.“ Die Rede war vom Mont Blanc, dessen Spitze noch mit Schnee bedeckt ist und in dem Augenblick klar zu sehen war. Auch über Luxemburg informierte sich Denk genauer. „Wie heißt noch gleich die offizielle Amtssprache? Letzebuergisch? Wenn ich mich auf den Weg nach Belgien mache, schalte ich immer luxemburgisches Radio ein und versuche es zu verstehen. Auch wenn ich kaum andere Sprachen spreche, interessiere ich mich doch dafür. Ich verstehe Letzebuergisch, würde ich sagen. Es gibt jedoch immer auch ein paar Satzteile auf Französisch, nicht wahr?“