Tageblatt: Am Wochenende beginnt in Tschechien die zweite Saisonhälfte in der „Nascar Whelen Euro Series“. Wie fällt Ihr Fazit bisher aus?
Gil Linster: Das Fazit der ersten Saisonhälfte fällt relativ positiv aus. Ich bin eigentlich ganz zufrieden, wie es gelaufen ist. Ich hatte mir zu Beginn der Saison das Ziel gesetzt, direkt ganz nach vorne zu fahren. Ich habe aber schnell einsehen müssen, dass das extrem schwer ist.
Woran liegt das?
Viele Piloten, die in der „EuroNascar2“ fahren, starten auch in der Klasse „EuroNascarPro“. Das heißt, sie haben jedes Wochenende die doppelte Trainingszeit. Sie können immer zweimal 40 Minuten mehr testen als ich, um das Auto perfekt einzustellen. Das macht sich dann auch im Rennen bemerkbar. Ich habe in dieser Hinsicht einen kleinen Nachteil, mit dem ich vor der Saison nicht gerechnet hatte. Das Niveau in der „EuroNascar2“ ist in diesem Jahr zudem insgesamt extrem hoch. Deswegen bin ich mit meinen Ergebnissen bisher auch ganz zufrieden.
Sie waren bisher in jedem Rennen mindestens in den Top fünf und standen einmal auf dem Podium. Wann wird der erste Sieg gelingen?
Es wäre extrem wichtig, meinen ersten Sieg noch in diesem Jahr zu holen. Ich bin auch der Meinung, dass das Auto das Potenzial dafür hat. Im Moment liegt es wirklich an mir. Ich dachte, ich könnte vieles, was ich bei meinem alten Team (CAAL Racing) gelernt habe, mit zu meinem neuen Team bringen. Das war aber leider gar nicht der Fall.
Mein ganz großes Ziel ist es weiterhin, den Meistertitel zu gewinnen. Die Chance besteht noch und ich halte daran fest.
Wie groß war die Umstellung?
Die Umstellung war größer, als ich gedacht hatte. Die Autos sehen zwar alle gleich aus. Wenn es aber um die Setups und Einstellungen geht, hat jedes Team seine eigene Herangehensweise. Ich musste mich ganz neu einstellen. Der Fahrstil ist ganz anders. Bei meinem vorigen Auto war es beispielsweise wichtig, in den Kurven die Touren so hoch wie möglich zu halten, um den Schwung mitzunehmen. Im neuen Team ist das nicht so. Das Auto ist aus den niedrigen Touren heraus viel stärker. Diese Umstellung war am Anfang schwer hinzubekommen. Mittlerweile verstehe ich aber das System und habe meinen Fahrstil, meine Bremspunkte und so weiter daran angepasst, um jetzt ganz nach vorne zu fahren.
War die erste Saisonhälfte dafür gedacht, das Auto zu verstehen?
Ja, genau. Jetzt beginnt die wichtige Phase. Es ging auch bei den drei ersten Saisonevents darum, so viel Punkte wie möglich zu sammeln und nicht zu viel Risiko zu gehen. Am Ende der Saison wird es nämlich zwei Streichresultate geben, das heißt, man kann seine zwei schlechtesten Ergebnisse aus der Wertung nehmen lassen. Einige Fahrer können jetzt schon nichts mehr riskieren, weil sie schon zwei Ergebnisse haben, die sie unbedingt streichen müssen. Bei mir ist das anders. Ich bin konstant in die Top fünf gefahren. Das war auch vom Team das Ziel. Ich kann noch volles Risiko gehen, denn sogar falls etwas schieflaufen würde, kann ich das Ergebnis noch streichen lassen. Andere müssen da besser aufpassen, da sie ihre jetzt schon haben.
Das heißt, in der zweiten Saisonhälfte können Sie alles auf eine Karte setzen?
Das Ziel ist es, bis zum Schluss der Saison so oft wie möglich aufs Podium zu fahren, und mein ganz großes Ziel ist es weiterhin, den Meistertitel zu gewinnen. Die Chance besteht immer noch – und ich halte auch daran fest. Denn ich weiß, dass es möglich ist, wenn alles passt. Wenn es nicht klappen sollte, wäre es zumindest ganz wichtig, in den Top drei zu landen. Denn die drei Ersten werden dieses Jahr erstmals nach Amerika nach Nashville eingeladen, um dort an der offiziellen Nascar-Siegerehrung teilzunehmen. Das ist ein großes Event mit Rotem Teppich, das auch auf Fox und CNBC übertragen wird. Es wäre eine große Ehre für mich, dort aufgerufen zu werden und einen Pokal auf der Bühne entgegenzunehmen. Zudem wäre es wichtig für meine Sponsoren, aber auch, um Kontakte zu den großen Teamchefs aus Amerika zu knüpfen, die alle dort sein werden.
Sie haben in der Gesamtwertung als Vierter einen Rückstand von 29 Punkten auf die Spitze. Wie realistisch schätzen Sie die Titelchancen oder zumindest die Top drei denn noch ein?
Es ist noch sehr realistisch. Mit den Streichresultaten kann es ganz schnell gehen. Wenn zum Beispiel jemand vor mir ausfällt oder auch einmal Fünfter wird, bin ich sofort nah dran. Im letzten Rennen in Zolder wird es auch noch die doppelte Punktzahl geben. Dort gilt es, vorne dabei zu sein. Dort muss alles stimmen, denn in Zolder kann noch einmal alles auf den Kopf gestellt werden. Auch weil das das einzige Ergebnis sein wird, was man nicht streichen kann.
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