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Die sieben Tour-Titel sind wohl weg

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Am Montag entscheidet der Rad-Weltverband im Fall Armstrong. Es geht um sieben Tour-de-France-Titel, die wirtschaftliche Zukunft von Lance Armstrong und die Glaubwürdigkeit einer ganzen Sportart.

Wenn am Montag (22.10.12) Pat McQuaid, der Präsident des Rad-Weltverbandes UCI, im Genfer Starling Hotel vor die Öffentlichkeit tritt, fällt die Entscheidung im größten Doping-Skandal der jüngeren Sportgeschichte.

Die US-Antidoping-Agentur Usada hatte in ihrem entlarvenden Bericht Armstrong als zentrale Person eines erschreckenden Dopingnetzwerkes überführt, das im Radsport um sich griff. Ein Schuldspruch der UCI gilt angesichts der Fülle an Beweisen als wahrscheinlich, auch wenn zumindest der Vorwurf einer positiven Probe bei der Schweiz-Rundfahrt im Jahr 2001 am Sonntag abgeschwächt wurde.

„Es gab keinen positiven Befund bei der Tour de Suisse“, sagte Martial Saugy, Direktor des von der Welt-Antidoping-Agentur WADA akkreditierten Labors in Lausanne, das die Tests durchführte. Drei Proben seien lediglich mit dem Hinweis „verdächtig“ versehen worden. Für die Usada bestehe daher keine Möglichkeit, dies als positives Ergebnis dazustellen und zu verteidigen.

Kein Schweigegeld

Die im Usada-Bericht ebenfalls in ein zweifelhaftes Licht gerückte UCI könnte sich genau an diesem Punkt stören. Denn Tyler Hamilton und Floyd Landis, zwei Kronzeugen und frühere Teamkollegen Armstrongs, hatten ausgesagt, Armstrong sei bei der Tour de Suisse positiv getestet worden und habe dies durch eine Zahlung an die UCI vertuscht. McQuaid hatte eine Armstrong-Überweisung aus dem Jahr 2002 in Höhe von 100.000 Dollar eingeräumt, allerdings sei dies eine Spende und kein Schweigegeld gewesen.

Die UCI hatte angekündigt, der Entscheidung der Usada folgen zu wollen, wenn deren Bericht „keine eklatanten Mängel“ aufweise. Andernfalls wird der Fall vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS gebracht. Die Tour-Organisatoren der ASO hatten bekannt gegeben, im Falle einer Absetzung Armstrongs dessen Siege bei der Frankreich-Rundfahrt (1999 bis 2005) nicht neu zu vergeben. Für Armstrong wäre ein Freispruch ein Triumph, der alle seine Tour-Siege in den Schatten stellen würde. Nachdem sich zahlreiche seiner Sponsoren wie der Sportartikelhersteller Nike bereits von Armstrong getrennt haben, dürften im Falle eines Freispruchs andere Geldgeber dem dann zumindest etwas rehabilitierten Texaner die Treue halten. Auch Schadenersatzklagen in Millionenhöhe und ein Meineid-Prozess würden dem 41-Jährigen wohl erspart bleiben.

Gelassen

Für die UCI und den Radsport im Allgemeinen wäre dies jedoch der GAU. Die Ernsthaftigkeit des vom Verband ausgerufenen Kampfes gegen Doping würde ins Lächerliche gezogen werden, nach Rabobank würden womöglich weitere Großinvestoren dem Sport den Rücken kehren. Armstrong selbst gab sich im Vorfeld der Entscheidung über sein sportliches Vermächtnis betont gelassen. „Es ging mir schon besser, aber auch schon schlechter“, sagte der Amerikaner am Freitag in Austin. Der Anlass war eine Gala zum 15. Geburtstag der von ihm 1997 gegründeten Krebsstiftung Livestrong. „Es waren schwere Wochen für mich und meine Familie, meine Freunde und diese Stiftung“, sagte Armstrong, der am Mittwoch seinen Rücktritt als Chairman von Livestrong verkündet hatte. Trotz der Anschuldigungen gegen Armstrong hat Livestrong bei den Spendeneinnahmen zuletzt kaum Einbußen hinnehmen müssen.

Dennoch bröckelt der Rückhalt für den einstigen Volkshelden. Selbst Armstrongs Haus-und-Hof-Blatt attackierte den Texaner in einer Kolumne scharf. „Er kann die Fehler, die er begangen hat, nicht wieder ausbügeln. Auch kann er seine scharfen und giftigen Worte gegen jene, die den Mut hatten, gegen ihn auszusagen, nicht zurücknehmen. Aber er kann für seine Arroganz büßen und sagen, dass es ihm leid tut“, schrieb der in Armstrongs Heimatstadt Austin erscheinende American Statesman.

Scarponi weist Vorwürfe zurück

Unterdessen wehrt sich der Italienische Radprofi Michele Scarponi gegen die Dopinganschuldigungen. Scarponi hat den Erhalt von verbotenen Substanzen durch den umstrittenen Dopingarzt Michele Ferrari dementiert. „Ich habe meine Rechtsanwälte beauftragt, Kontakte zur Antidoping-Staatsanwaltschaft von Italiens Olympiakomitee (CONI, d.Red.) aufzunehmen, um meine Position zu klären“, schrieb Scarponi in einem von der Sporttageszeitung Gazzetta dello Sport am Samstag veröffentlichten Brief.

Laut Gazzetta haben die Ermittler ein Gespräch zwischen Scarponi, der nach der Sperre des Spaniers Alberto Contador nachträglich zum Giro-Sieger 2011 erklärt worden war, und Ferrari über Dopingmethoden abgehört. Auch Telefonate zwischen dem Russen Denis Mentschow, der die Italien-Rundfahrt 2009 gewonnen hatte, und Ferrari seien belauscht worden. Scarponi und Mentschow droht eine Sperre wegen Kontakten zu Ferrari. Ferrari war 2004 wegen Sportbetrugs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. 2006 hatte ihn der italienische Radsportverband mit einer lebenslangen Sperre belegt. 2002 war ein Urteil des Verbandes ergangen, das allen italienischen Radprofis verbietet, sich an Ferrari zu wenden. Zuletzt hatte Alex Schwazer, 2008 in Peking Olympiasieger über 50 km Gehen, Kontakte zu Ferrari zugegeben. Schwazer war vor seinem Start in London positiv auf EPO getestet worden.