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Tour de FranceDie Frage nach dem „Wie“: Jonas Vingegaards Leistungen schüren Verdacht 

Tour de France / Die Frage nach dem „Wie“: Jonas Vingegaards Leistungen schüren Verdacht 
Jonas Vingegaard steht bei der Tour de France kurz vor dem Gesamtsieg  Foto: Thomas Samson/AFP

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Er dominiert nach Belieben, bricht Rekorde und reißt eine riesige Lücke: Jonas Vingegaards Leistungen schüren den Verdacht, dass der Däne über die Legalität hinaus arbeitet. Greifbare Beweise gibt es allerdings nicht.

Die Unzertrennlichen, „les inséparables“, titelten einige französische Medien am Montagmorgen nach der 15. Etappe, die Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar in Saint-Gervais Mont-Blanc zusammen beendeten. Zu dem Zeitpunkt trennten das Duo in der Gesamtwertung zehn Sekunden, Leistungsunterschiede waren bei der diesjährigen Tour de France kaum zu erkennen. 

Keine 48 Stunden später trennen die Unzertrennlichen plötzlich Welten. 1:38 Minuten fuhr Vingegaard beim Zeitfahren auf Pogacar heraus – und sorgte für die Vorentscheidung bei der Tour de France. Das Erstaunliche dabei sind die großen Zeitabstände. Während Vingegaard also fast zwei Minuten schneller als der Slowene unterwegs war, war dieser wiederum 1:13 Minuten schneller als der Drittplatzierte, Wout van Aert. 

Pogacar und Vingegaard brechen Geschwindigkeitsrekorde in den Anstiegen und reißen riesige Abstände in der Gesamtwertung. Menschlichkeit zeigte Pogacar am Mittwoch, als er am Col de la Loze viel Zeit einbüßte. Vingegaard hingegen festigte seine Dominanz. Eine Dominanz, die Verdächtigungen schürt. „Ich kann die Fragen zu diesem Thema aufgrund der Vergangenheit unseres Sports voll und ganz verstehen. Es ist sogar gut, skeptisch zu sein, denn sonst wird es wieder passieren. Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich nichts nehme“, versicherte Vingegaard am Sonntag. Zwei Tage später fährt er seine Konkurrenz, einschließlich Pogacar, in Grund und Boden. Bei dem anspruchsvollen Bergzeitfahren weist er eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 41,227 km/h auf. Er fuhr gar so schnell, dass er selbst dachte, sein Leistungsmesser sei kaputt. 

Tests in den Teambussen

„Ich kann mich an kein Zeitfahren erinnern, bei dem der Sieger dem Zweitplatzierten 4,5 Sekunden pro Kilometer abnimmt“, wunderte sich sein Landsmann Michael Rasmussen, der 2007 von der Tour ausgeschlossen wurde und zugegeben hat, mit EPO gedopt zu haben. „Natürlich sind Fragen zu den verschiedenen Verdächtigungen nicht unberechtigt. Wir leben seit langem damit“, sagte Tourdirektor Christian Prudhomme. Aber „das Gelbe Trikot wird jeden Tag getestet und sein Fahrrad auch. Weiter: „Die Kontrollen werden von einer unabhängigen Agentur durchgeführt“, der International Testing Agency (ITA), „was früher nicht der Fall war.“ 

Am Mittwoch erfolgten vor dem Start der 17. Etappe weitere Tests. Das berichtete die niederländische wielerflits. Demnach sollen Dopingkontrolleure in die Mannschaftsbusse von Jumbo-Visma und UAE eingestiegen sein, um zusätzliche Bluttests vorzunehmen. „Ich begrüße das“, erklärte Jumbo-Visma-Teamchef Richard Plugge. „Ich habe mich auch sehr dafür eingesetzt. Auf diese Weise machen wir einen weiteren Schritt im Kampf gegen Doping. Jonas Vingegaard hat in den letzten 48 Stunden nicht weniger als vier Bluttests hinter sich gebracht. Wir sind froh, dass wir dabei zusammenarbeiten. Auch bei UAE Emirates ist man froh, dass diese zusätzlichen Kontrollen durchgeführt werden.“

Neben dem doch ungewöhnlichen Zeitfahren von Vingegaard bleibt der Fakt, dass der Däne und auch Pogacar Bergpässe schneller erklommen haben als einst Betrüger wie Lance Armstrong. Der Däne verteidigt sich aber, indem er sagt, dass sich alles verändert habe. Damit meint der aktuelle Tour-Führende vor allem die Fortschritte bei der Ernährung, der Trainingsplanung und dem Material. Sein Team ist zumindest beim Material dafür bekannt, sehr weit zu gehen: „Beim Zeitfahren entfernen sie sogar die Farbe von den Fahrrädern, um 150 Gramm Gewicht einzusparen“, sagte Vingegaards ehemaliger Teamkollege Tom Dumoulin dem flämischen Sender Sporza. Aber reicht diese Perfektion aus, um eine solche Dominanz zu erklären? 


Reaktionen:
Kim Andersen (Sportlicher Leiter von Lidl-Trek)
„Es sind die zwei besten Radsportler, nicht erst seit gestern. Es war auf der Tour im vergangenen Jahr auch schon ähnlich. Sobald sie attackieren, kriegen sie großen Vorsprung auf den Rest. Das Überraschende ist die Differenz zwischen Vingegaard und Pogacar beim Zeitfahren. Ich denke, dass Vingegaard einfach den besseren Tag hatte und das Zeitfahren ernster genommen hat als Pogacar. Wenn ich das Video sehe, auf dem Pogacar einen Tag vor dem Zeitfahren einen Rückwärtssalto in den Pool macht … Ich kenne die Mentalität von Vingegaard ein wenig. Er ist einfach stark. Ich glaube nicht, dass es etwas anderes ist.“ 

Rolf Aldag (Sportlicher Leiter Bora-hansgrohe)
„Ich war nicht schockiert über das Zeitfahren. Wir sind eher Zuschauer, das Duell betrifft uns nicht wirklich. Ich kann nicht beantworten, wie sie das machen. Ich kann nur sagen, wie man es nicht macht. So wie wir eben. Jai (Hindley) ist gestürzt und hat einen Schlag auf die Muskulatur bekommen. Dann hast du keine Chancen. Pogacar und Vingegaard hätten nicht besser abgeschnitten, wenn ihnen das passiert wäre.“ 

Patrick Lefevere (Teamchef Soudal-Quick Step):
„Ich habe das Zeitfahren mit offenem Mund beobachtet. Im Flämischen gibt es eine Redewendung, die besagt, mit offenem Mund … Man wusste, dass es einen Kampf zwischen zwei Fahrern gab und der Rest weit zurückliegt. Aber dass Vingegaard Pogacar so weit wegfahren würde, daran hätte ich nicht gedacht. Ich dachte am Sonntag schon, es wäre vorbei mit dem Gesamterfolg für Pogacar, denn ich hatte gesehen, dass er in Joux Plane Probleme hatte, Jonas wehzutun. Eine offensichtliche Überlegenheit? Dieser Junge war 17 Jahre alt und arbeitete in einer Fischfabrik. Sie haben ihn entdeckt, wir wussten, dass er einen Motor hatte, denn wir wussten es ja. Wir sprechen von einem Motor, ich bin kein Spezialist für VO2 Max (dieser Wert bestimmt, wie viel Sauerstoff ein Mensch während der Belastung aufnehmen und verwerten kann, Anm. d. Red.). Für mich ist ein Läufer wie ein Auto. Je leichter man mit einem großen Motor ist, desto schneller fährt man. In der Formel 1 oder im Rallyesport wiegen die Autos nichts und die Fahrer sind klein und leicht. Ein sehr leistungsfähiger Motor, ein kleiner Fahrer mit großer Ergonomie, das ist das Wichtigste. Er ist ein bisschen wie (Remco) Evenepoel. Wir werden jeden Tag kontrolliert. Ich spüre bereits, dass wir auf einen Verdacht hinarbeiten. Ich sage es selbst. Unangekündigte Kontrollen außerhalb des Rennens, während des Rennens, biologischer Pass, Fahrradkontrollen – diejenigen, die es heute wagen, zu betrügen, die sind tot.“

JJ
19. Juli 2023 - 19.29

Wie Armstrong macht er noch nicht einmal den Mund auf um zu atmen bei einem schweren Anstieg. Da wo seine Kollegen fast vom Rad fallen. Na dann.