Tageblatt: Charel Grethen, konnten Sie schon erste Eindrücke vom WM-Standort sammeln?
Charel Grethen: Wir haben uns am Donnerstag schon das Stadion angesehen, um das ganze Setup kennenzulernen. Es ist beeindruckend, das Stadion ist noch ganz neu. Ich glaube, dass am Wochenende eine tolle Stimmung aufkommen wird. Die Anlagen sind top und ich freue mich darauf.
Ist die Weltmeisterschaft der Höhepunkt Ihrer Saison?
Ja, die WM ist definitiv das Highlight. Mein Training wurde darauf zugeschnitten. Meine Form hat sich in den letzten Wochen immer weiter gesteigert und ich hoffe, dass ich jetzt bereit bin, wenn es losgeht.
Sie sind in diesem Sommer insgesamt nur wenige Rennen gelaufen. Über 1.500 Meter sind Sie nur fünfmal gestartet. Woran lag das?
Ich bin effektiv wenige Rennen gelaufen. Das hat zwei Gründe: Im April hatte ich eine kleine Verletzung am Ischias, die nicht allzu schlimm war. Aber ich musste mein Training trotzdem umstellen. Auf die spezifischen Schnelligkeitseinheiten musste ich am Anfang verzichten und habe mich in dieser Zeit mehr auf die Ausdauer konzentriert. Ich war deswegen auch in meinen ersten Saisonrennen noch nicht ganz bereit. Das hat man zum Beispiel beim Diamond-League-Rennen in Oslo im Juni gemerkt (14. Platz in 3:36.27
Minuten; Anm. d. Red.). Seitdem habe ich im Training aber viele Fortschritte gemacht. Der andere Grund war, dass ich die Qualifikationsnorm für die WM schon unterboten hatte. Ich musste demnach nicht viel über die Qualifikation nachdenken und konnte mich in Ruhe vorbereiten.
Hat die Verletzung die WM-Vorbereitung beeinträchtigt?
Nein. Ich war am Anfang der Saison nicht so bereit, wie ich es erhofft hatte. Mittlerweile sind wir aber schon fast am Ende des Sommers angekommen. Die Verletzung hat keinen Einfluss mehr. Es ist wieder alles in Ordnung.
Das 1.500-Meter-Feld bei der WM liegt sehr eng beieinander. Wo sehen Sie sich aktuell darin?
Es ist schwer, das aus dem Training heraus zu sagen. Ich bin wie gesagt in der Saison relativ wenige Rennen gelaufen. Ich schätze meine Form auch eigentlich besser ein, als es meine Saisonbestzeit widerspiegelt (3:36,06 Minuten Anfang August). Ich fühle mich gut und ich hoffe, dass meine Leistung das am Wochenende auch wiedergibt. Es wird aber keine einfache Sache werden, eine Runde weiterzukommen. Das Niveau auf den 1.500 Metern ist in diesem Jahr regelrecht explodiert. Ich muss in meiner Bestform sein, um Chancen auf die nächste Runde zu haben.
Woran liegt es, dass das Niveau explodiert ist?
Es sind ein paar Dinge, die zusammenspielen. Das Training hat sich im Allgemeinen verändert. Es bauen immer mehr Läufer sogenannte Schwellenläufe in ihr Programm ein (bei Schwellenläufen geht es darum, die Schwelle zu erhöhen, ab der der Körper Laktat (Milchsäure) aus dem Blutkreislauf ausscheidet; Anm. d. Red.). Ein anderer Grund sind die „Wavelights“ bei großen Meetings, die die Zeit vorgeben. Die Art, wie ein Rennen gelaufen wird, hat sich aber auch allgemein verändert. Früher wurde oft taktischer gelaufen. Heute geht es in quasi jedem Rennen nur um die Zeit. Ich denke, das macht einen großen Unterschied. Leute wie Jakob Ingebrigtsen, die jedes Rennen vorneweg laufen und für ein schnelles Rennen sorgen, schwappen auch auf andere über. Man sagt sich: O.k., ich will auch eine schnelle Zeit laufen, und man pusht sich so gegenseitig. Dadurch gibt es mehr Konkurrenz und das Niveau wird allgemein besser. Das ist auch gut für den Sport und das Event.
Haben Sie sich für die WM ein bestimmtes Ziel gesetzt?
Was die Zeit betrifft, habe ich mir kein konkretes Ziel gesetzt. Bei einer WM geht es mir mehr um die Platzierung und darum, in die nächste Runde zu kommen. Mein Ziel ist es erst einmal, ins Halbfinale zu kommen, und danach schauen wir weiter.
Die Qualifikationsperiode für die Olympischen Spiele 2024 in Paris läuft seit Anfang Juli. Die Norm für die 1.500 Meter liegt bei 3:33,50 Minuten. Haben Sie diese schon im Hinterkopf?
Natürlich. Wenn ich die Olympianorm bei der WM laufen würde, wäre das ein toller Bonus. Im Vorlauf wird es wohl schwierig, denn je nachdem, in welcher Serie man startet, wird taktisch gelaufen. Man muss Glück haben und in einer Serie sein, die das erlaubt. Im Halbfinale wäre es realistischer. Dort wird das Rennen wohl eher schnell genug sein, um diese Zeit zu laufen.
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