Aus Combloux
Tageblatt: Bob Jungels, wie geht es Ihnen nach zwei Wochen Tour de France?
Bob Jungels: Ich bin schon sehr müde. Die ersten zwei Wochen waren hart, aber vor allem die letzten beiden Tage waren der Wahnsinn. Die Beine gehen besser und besser. Aber heute (Montag) bin ich wirklich ausgebrannt.
Es ist nach dem Giro Ihre zweite Grand Tour in diesem Jahr. Trägt das zur Müdigkeit bei?
Ja, ich denke schon. Zwei große Rundfahrten zu absolvieren, ist immer schwierig. Ich habe mich nach dem Giro aber gut erholt und im Rennen habe ich mich in den letzten beiden Tagen wirklich gut gefühlt. Der Giro war letztendlich nicht geplant. Zu Beginn der Saison war ich öfter krank, weswegen wir mein Programm ändern mussten. Ich war erst nach Paris-Nice krank, dann während des Giro und noch zehn Tage nach der Italien-Rundfahrt. Es war wirklich ein schwieriges Jahr für mich bis jetzt, das habe ich so noch nicht gekannt. Ich hatte immer viel Glück mit meinem Immunsystem, seit Covid ist es kompliziert geworden.
Bei der Tour de France in diesem Jahr nehmen Sie eine Helferrolle ein. Wie kommen Sie damit zurecht?
Das ist neu für mich. Aber ehrlich, das ist das Einzige, was in diesem Jahr für mich vernünftig ist. Ich will der Mannschaft helfen. Aber für die Zukunft bin ich noch nicht bereit, diese Rolle einzunehmen.
Ihre Aufgabe ist es, Jai Hindley in Paris aufs Podium zu führen. Als Fünfter hat er aktuell 1:17 Minuten Rückstand auf den Dritten, Carlos Rodriguez. Ist Platz drei noch machbar?
Wir haben weiterhin das Ziel, mit Jai die bestmögliche Platzierung in der Gesamtwertung herauszufahren. Nach seinem Sturz vor zwei Tagen hat er Probleme, das ist nicht gut. Er war wirklich gut drauf und musste nun zwei Tage viel leiden. Wir hoffen, er kommt nach dem Ruhetag gut zurück. Am Sonntag war meine Aufgabe, so lange wie möglich bei ihm zu bleiben. Für mich persönlich war dies die interessanteste Etappe. Aber so ist es eben: Wir wollen am Ende unter die Top 5 oder aufs Podium, das ist das Ziel.
Die Tour ist von einem Duell geprägt: Jonas Vingegaard gegen Tadej Pogacar. Wie erleben Sie diesen Zweikampf?
Ich habe es vor ein paar Tagen so beschrieben, dass wir Passagiere in einem Rennen von zwei Mannschaften sind, die im Krieg sind. In einem wirklich starken Krieg. Einen Tag ist es UAE, einen Tag Jumbo-Visma, die einfach machen, was sie wollen. Für die anderen Teams ist es wirklich hart. Wir sind da und können nicht viel tun, obwohl wir sehr leiden. Bei Bora-hansgrohe sind wir noch in einer privilegierten Situation. Jai ist einer der Besten vom Rest.
Für die Zukunft bin ich noch nicht bereit, diese Helferrolle einzunehmen
Wie stark ist das Niveau in diesem Jahr?
Man hat das Gefühl, es wird jedes Jahr stärker. Das Material, die Technologie und das Training tragen sicher alles dazu bei, aber das Niveau ist schon unglaublich. Auf der Etappe des Joux-Plane hat Jumbo-Visma alles kontrolliert. Persönlich schlage ich in diesem Jahr von den Werten her all meine Rekorde, um dann in die Top 30 einer Etappe zu fahren und am vorletzten Berg zu explodieren … Wenn ich die Gesamtwertung im nächsten Jahr anpeilen wollen würde, müsste ich die Vorbereitung jetzt beginnen und fünf Kilogramm abnehmen. Das ist unmöglich.
Sind diese Teams überhaupt schlagbar?
Es ist sicher, dass wir was tun müssen. Auf der anderen Seite haben wir eine Etappe gewonnen, das Gelbe Trikot getragen und im letzten Jahr mit Jai noch den Giro gewonnen. Wir sind nicht so weit weg von ihnen. Wir müssen uns weiterentwickeln, aber vor allem schauen, wie wir uns weiterentwickeln können. Am Ende ist es auch immer eine Frage des Budgets der Mannschaft.
Wer wird am Ende in Paris ganz oben stehen?
Das ist schwierig zu sagen. Vor ein paar Tagen hätte ich noch auf Pogacar getippt, aber Vingegaard kommt nun stark zurück. Es wird ein schöner Kampf werden. Nach dem Zeittahren werden wir mehr wissen. Die Etappen am Mittwoch und am Samstag werden ein wahres Spektakel – für euch zumindest (lacht). Für uns wird es sehr hart. Ich würde am Ende aber auf Vingegaard tippen.
Wie gehen Sie das Zeitfahren am Dienstag an?
Es wird für mich eine Art zweiter Ruhetag. Ich will ein gutes Training und ein gutes Zeitfahren absolvieren – ohne aber 100 Prozent vor einem sehr schwierigen Mittwoch zu geben.
Für Sie wird es in der letzten Woche also auch schwierig, eine Freikarte zu bekommen …
Es hängt von der Situation ab. Für Jai ist es wichtig, jemanden an seiner Seite zu haben und nicht nur Emanuel Buchmann, der gestern (Sonntag) auch gestürzt ist. Die Mannschaft ist mir wichtiger als die individuelle Karte. Ziel ist weiterhin Platz 3.
Ralph Denk meinte nach der fünften Etappe, die Jai Hindley gewann und wo er das Gelbe Trikot dann anziehen durfte, es sei zu dem Zeitpunkt schon eine gelungene Tour gewesen. Stimmen Sie zu?
Ja. Das Ziel war, eine Etappe zu gewinnen und dann wollen wir auf dem Podium landen. Wir werden in einer Woche sehen, wie sich das entwickelt hat. Meine Arbeit ist noch nicht getan – in Paris werden wir wissen, ob wir unsere Ziele erreicht haben oder nicht.
Sie sind erst seit sieben Monaten in der Mannschaft, dennoch gibt es einen Spruch im Team, der lautet: „Be like Bob“. Was ist damit gemeint?
Da bin ich die falsche Ansprechperson (lacht). Diesen Spruch gibt es in der Mannschaft, ja. Aber ich weiß nicht genau, was sie damit meinen. Ich glaube, es ist eine Charakter-Sache. Ich hoffe, ein Vorbild für das Team abzugeben.
Wie sieht Ihr Programm nach der Tour aus?
Ich werde beim Rennen in San Sebastian (29. Juli) und dann beim Circuito de Getxo (30. Juli) starten. Im August habe ich nichts mehr, auch keine Weltmeisterschaft. Dann werde ich beim Bretagne Classic in Plouay (3. September), den Rennen in Kanada (Grand Prix Cycliste de Québec am 8. September und Grand Prix Cycliste de Montréal am 10. September) starten, bevor es zu Tour de Luxembourg (20.-24. September) geht. Am Ende der Saison stehen vielleicht noch ein paar Klassiker an.
Werden Sie ein eigenes Resultat anpeilen?
Ja, ich hoffe es. Das Ende der Saison ist vor allem mental wichtig. Aber ich habe Lust, Rennen zu gewinnen. Es war nicht schön in diesem Jahr, einfach da zu sein, um da zu sein. Ich hoffe, noch ein Resultat herausfahren zu können.
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