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KarateJenny Warling: „Ich bin lieber der Jäger“

Karate / Jenny Warling: „Ich bin lieber der Jäger“
Für Jenny Warling geht es bei der Europameisterschaft vor allem um Prestige. Der Fokus liegt nämlich ganz klar auf einem anderen Wettbewerb. Foto: Le Quotidien/Luis Mangorrinha

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Der 31. Mai 2019 steht im Kalender von Jenny Warling ganz großgeschrieben. Vor zwei Jahren trat sie die Heimreise aus Guadalajara als Europameisterin an. In Spanien konnte sie im Finale die Türkin Tuba Yakan bezwingen. Im letzten Jahr musste die EM Corona-bedingt abgesagt werden. Vor ihrer Abreise nach Porec (CRO) gab Jenny Warling Auskunft über ihre Chancen zur Titelverteidigung, Ziele und die Möglichkeiten ihrer Mitstreiter. Diesmal unter neuer Führung: Raphael Veras hat Michael Lecplain zu Jahresbeginn als Nationaltrainer abgelöst.

Tageblatt: Wie hart traf der Covid-Stillstand die Karatekas?

Jenny Warling: Am Anfang ganz hart. Wir durften nicht mehr trainieren, weil Karate eine Kontaktsportart ist. Ab September konnte die Nationalmannschaft das Training dann wieder aufnehmen. Ich leider nicht, ich hatte mir den Fuß gebrochen und musste bis Dezember pausieren. Es galten aber weiterhin die bestehenden Sanitärvorschriften. Vor allem mussten wir aufpassen, dass es nicht zu viele Kontakte nach außen gab und gibt.

Seit wann kann man denn wieder von einem geregelten Wettkampf-Modus sprechen?

Im März und April gab es zwei kleine Turniere in Luxemburg. Mitte März nahmen auch die Serie der Premier League und andere internationale Turniere einen neuen Anlauf. Ich persönlich durfte mich schon zuvor in Paris einem praktischen Test bei einem privaten kleinen Turnier mit etlichen Top-10-Kämpferinnen unterziehen.

Schlägt sich die lange Pause auf die Leistung nieder? Bisher blieben die Ergebnisse beim Re-Start aus.

Wir waren alle einfach nur froh, als es wieder losging. Im Moment fühle ich mich körperlich topfit, aber mental habe ich noch ein paar Probleme. Ich kann einfach noch nicht das umsetzen, was ich eigentlich ganz gut kann. Bei den anderen Nationen wird es sich aber ähnlich verhalten, einige haben früher den Betrieb wieder aufgenommen, andere noch nach uns. Und ganz andere, wie beispielsweise Kasachstan, hatten weniger bis gar keinen Stillstand.

Seit Januar wird das Nationalteam von Raphael Veras betreut. Inwiefern spielt der Trainerwechsel eine Rolle?

Natürlich spielt ein Trainerwechsel immer eine Rolle. Man muss sich erst gegenseitig kennenlernen. Aber die wichtige Rolle eines Nationaltrainers tritt erst beim Wettbewerb auf, er gibt den Kampf vor und soll motivieren. Trainieren tun wir eher selbständig. Aber ich schätze Raphael Veras als positiv ein. Ich bin bisher sehr zufrieden, auch mit seiner Analyse nach einem Kampf. Das ist sehr wichtig.

Anders als beim vorigen Karate-Vorstand schickt die neue Führung mehr Athleten zur EM. Ist das die richtige Entscheidung?

Ich werte das als einen positiven Schritt. Alle Athleten, die das Niveau haben, sollten sich bei einer Europameisterschaft beweisen können. Mit diesem Einsatz kann man nicht nur Erfahrung sammeln, sondern auch in die Top 200 vorstoßen, die zur Starterlaubnis bei anderen Turnieren führen. Jede Runde, die man bei einer EM, WM oder einem großen Turnier übersteht, bringt Punkte. Ich fand die Entscheidung nie richtig, dass nur die Athleten zu einer EM fahren dürfen, die für eine Medaille infrage kommen. Es ist auch ein Vorteil, wenn wir mit einer großen Mannschaft anreisen, die Stimmung ist einfach viel besser. Man nimmt eher von einem Mitstreiter ein „Komm jetzt“ an als vom Trainer oder von Zuschauern. Die Kameraden können sich in einen hineinfühlen. Der Nachteil für die FLAM ist natürlich von finanzieller Natur …

Meine Rolle im Team ist ja quasi die der „Mutti“, ich will versuchen, die jungen Athleten zu leiten und ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen

Jenny Warling, Titelverteidigerin

Sie gehen in Porec als Titelverteidigerin an den Start. Ist das ein Vorteil oder eine Belastung für Sie?

Die Situation vor zwei Jahren hat mir besser gefallen. Ich gehe lieber ohne Erwartungsdruck in ein Turnier. Es ist die Geschichte vom Jäger und vom Gejagten. Ich bin lieber der Jäger. Aber ein Karate-Wettkampf ist ein Tagesgeschäft. Es gibt viele Faktoren, die eine Rolle spielen, angefangen bei der Auslosung. Die meisten meiner Gegnerinnen kenne ich gut, schwieriger sind die jungen Talente. Und natürlich muss die Form stimmen. Ich kann auch mit mir zufrieden sein, wenn ich gut gekämpft und knapp verloren habe.

Was kann man von dem siebenköpfigen FLAM-Team in Kroatien erwarten?

Jeder hat seine Chance. Solange man mitmacht, kann man auch gewinnen. Für einige ist die Europameisterschaft ja Neuland, aber auch für sie gilt es die eine oder andere Runde zu überstehen. Ich bin auch sehr froh, dass wir im Mannschaftswettkampf antreten dürfen. Wer jetzt kämpfen wird, muss die Form entscheiden. Aber wie gesagt, die Stimmung im Team ist fantastisch. Schade nur, dass wir nicht in die Halle dürfen, um die Kameraden zu unterstützen, es sind keine Zuschauer erlaubt. Meine Rolle im Team ist ja quasi die der „Mutti“, ich will versuchen, die jungen Athleten zu leiten und ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Liegt Ihr Hauptfokus auf dem olympischen Qualifikations-Turnier im Juni in Paris?

Das ist richtig. Bei der EM geht es für mich allein um das Prestige. Im Olympia-Klassement liege ich zu weit zurück, um noch viele Punkte für eine Olympia-Teilnahme sammeln zu können. Als die Qualifikationsphase begann, war ich verletzt. Deshalb bleibt nur noch der Weg über Paris.

Glauben Sie fest daran, diesen Zug nach Tokio noch zu erwischen?

Natürlich werde ich alles dafür geben. Aber wie schon erwähnt, es muss alles klappen. Ich muss in Paris einen perfekten Tag erwischen. Ich muss gut drauf sein, ich muss gut in den Kampf kommen, ich muss zum rechten Moment zuschlagen usw. Ich weiß, dass ich es kann, nur die mentale Stärke muss sich verbessern.

Hat ein anderer FLAM-Kämpfer eine Chance auf eine Olympia-Teilnahme?

Ich denke, alle haben ihre Möglichkeiten. Nur wer es nicht probiert, hat keine Chance. Philippe Biberich konnte ja schon etwas Erfahrung bei der Elite sammeln. Bei Jordan Neves muss man sehen, wie er sich entwickelt, er ist in eine höhere Gewichtsklasse aufgestiegen. Mit Pola Giorgetti und Kimberly Nelting habe ich zuletzt ein paar Turniere gemeinsam bestritten. Sie haben es drauf, aber sie dürfen sich selbst keinen Druck auferlegen. Die Kämpfe auf diesem Niveau werden immer sehr eng geführt und wenn man eine Runde überstanden hat, dann kommt man weiter, ehe man sich umsieht. Aber zugegeben, die Erfahrung spielt auch eine ganz wichtige Rolle.